Zum 200. Jubiläum von Mexikos Unabhängigkeit 2021 soll die aztekische Federkrone in ihr Heimatland zurückkehren: Diesen Anspruch twitterte Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador vergangenen Dienstag. Seine Gattin, Beatriz Gutierrez Müller, würde demnächst Bundespräsident Alexander Van der Bellen treffen, um das Original zumindest als Leihgabe in sein Entstehungsland zurückzuholen. In Mexiko existiert seit 1950 ein Duplikat.
Allerdings hat bereits 2012 ein österreichisch-mexikanisches Forschungsteam festgestellt, dass der über 500 Jahre alte Kopfschmuck für einen Transport viel zu fragil ist. Die mit Faserschnüren befestigten Federn würden einen Flugzeugtrip nicht unbeschadet überstehen. Das Artefakt wiegt nur 800 Gramm und ist zu empfindlich, um seine Spezialvitrine zu verlassen. Das einmalige Objekt wird daher auch nicht in der Ausstellung „Azteken“ präsentiert, sondern verbleibt in der permanenten Sammlungsschau.
Jade wertvoller als Gold
„Tropische Federn und Jade waren für die Azteken viel wertvoller als Gold“, erzählt Weltmuseum-Kurator Gerard van Bussel im Gespräch mit ORF.at. Die Konquistadoren, die 1519 hoch zu Ross vor der Hauptstadt Tenochtitlan auftauchten, hatten es jedoch auf Gold und Edelsteine abgesehen. 200 Objekte fasst die Ausstellung, rund die Hälfte stammt aus mexikanischen Museen und sogar direkt aus Ausgrabungen in Mexiko Stadt. Im ersten Ausstellungssaal werden Darstellungen der beiden Stadtstaaten Tenochtitlan und Tlatelolco projiziert, die auf Inseln in einem See erbaut waren.
Eine Vitrine enthält spanische Rüstungen und Schusswaffen der damaligen Zeit. Ein faksimilierter Brief von Hernan Cortes belegt seine Korrespondenz mit dem Königshaus. Die Eroberung des Aztekenreichs erfolgte, wie zu lesen ist, „legal“, mit offizieller Genehmigung. Die rund 400 Konquistadoren konnten die Hochkultur nur mit Hilfe von indigenen Verbündeten besiegen. Von den Azteken unterworfene Völker wollten sich von den hohen Tributen befreien, die Tenochtitlan ihnen abverlangte.
Ein Ausstellungskapitel zeigt, wie ihre Abgaben an Nahrungsmitteln wie Mais und Bohnen ebenso wie Luxusgüter, zum Beispiel Kakaobohnen, Meeresschnecken und Federn, die Bewohner von Tenochtitlan versorgten. Aber auch für Dienstleistungen wie Bauarbeiten mussten die Tributpflichtigen herhalten. Kriegsgefangene schufteten als Sklaven und wurden bei Opferritualen umgebracht.
Seuchen der Konquista
Den spanischen Eroberern spielten auch Seuchen in die Hände. „Es wird geschätzt, dass rund 90 Prozent der Bevölkerung durch eingeschleppte Epidemien wie die Pocken gestorben sind“, schildert Kurator van Bussel. Der Tod zieht sich durch die Schau und hat seinen stärksten Auftritt in Form der 1,76 Meter hohen Keramikfigur des Gottes Mictlantecuhtli.
Dem Herrscher des Totenreichs hängen die Eingeweide aus dem Brustkorb; einst trug er Menschenhaar am Schädel. Archäologen haben ihn aus unzähligen Scherben wieder zusammengesetzt, die im „Haus der Adlerkrieger“ gefunden wurden. Diese Kaserne für aztekische Eliteeinheiten war Teil des Tempelbezirks, in dem auch der Templo Mayor stand. Aus seinen Steinen errichteten die spanischen Eroberer schließlich die Kathedrale von Mexiko Stadt. Reste des Tempels – sowie des gesamten Tempelbezirks – blieben unterirdisch erhalten und liegen in der Nähe des Stadtzentrums.
Kolonialistische Legenden
Ein Modell zeigt, dass der Tempelbezirk auch Schulen, Universitäten und Ballspielplätze umfasste. Er wird seit 1978 im Rahmen des „Templo-Mayor-Projekts“ erforscht. In den letzten Jahren konnten die Archäologen 240 Gefäße und Kisten mit Opfergaben, den „ofrendas“, finden. Die darin enthaltenen Steinfiguren, Schmuckstücke, Tierknochen und Muscheln waren Geschenke an die Götter, um deren Gunst sich die Azteken ständig bemühten.
Ausstellungshinweis
„Azteken“ im Weltmuseum. Von 15. Oktober bis 13. April, täglich außer Mittwoch, 10.00 bis 18.00 Uhr. Ausstellungskatalog in Deutsch und Englisch, 360 Seiten, 30 Euro.
Zu den Funden zählen auch zwei Opfermesser aus vulkanischem Gesteinsglas, die mit Gesichtern verziert sind. Die rasiermesserscharfen Obsidianklingen dienten bei Menschenopfern dazu, das noch schlagende Herz aus der Brust zu holen.
In der Vitrine hängt auch ein Menschenschädel, in den seitlich Löcher gehauen worden sind. Der Kopf stammt von einem der Schädelgerüste, die im Tempelbezirk aufgestellt waren und auf denen laut Konquistadoren mehr als 100.000 Köpfe Geopferter aufgereiht hingen. Diese Darstellung galt lange als eine der kolonialistischen Legenden, mit der die eigenen Gräueltaten gerechtfertigt wurden.
Unterbelichteter Opferkult
2015 wurden bei den archäologischen Ausgrabungsstätten im Herzen von Mexiko Stadt 187 Schädel und bauliche Reste freigelegt, welche die Existenz der Schädelgerüste beweisen. Über die Größe dieser Opfergestelle, die der Machtdemonstration gedient haben könnten, gehen die Expertenmeinungen auseinander.
Es ist ein Manko der interessanten Schau, dass sie wenig auf den aztekischen Opferkult eingeht. Verständlicherweise will die gemeinsam mit dem Stuttgarter Linden-Museum und dem Museum Volkenkunden in Leiden produzierte Wanderausstellung das Klischee der blutrünstigen Herzausreißer vermeiden.
Trotzdem bedürfte es genauerer Behandlung des breitenwirksamen Themas, schließlich war die letzte Azteken-Schau 1987 im Oberösterreichischen Landesmuseum zu sehen. Eigentlich verwunderlich für ein Land, das mit Maximilian I. sogar einen Kaiser von Mexiko stellte. Angesichts von so prominenten Objekten wie dem Federkopfschmuck ist es jedenfalls höchste Zeit, sich der präkolumbianischen Kultur wieder zu widmen.