Gemeindezentrum in Kuchl
APA/Barbara Gindl
Salzburg verschärft CoV-Maßnahmen

Tennengau soll bei CoV-Ampel rot werden

Das Land Salzburg hat am Donnerstag eine Reihe von Maßnahmen mit teils erheblichen Einschränkungen angekündigt, um die stark gestiegene Zahl an Coronavirus-Neuinfektionen im Bundesland in den Griff zu bekommen. Bei der Sitzung der Ampelkommission werde der Bezirk auf Rot geschaltet, so der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Die Bezirke St. Johann und Salzburg-Umgebung würden am Abend orange, die Landeshauptstadt bleibe noch knapp gelb. Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 352,8 Fällen je 100.000 Einwohner (Stand: Mittwoch, 14.00 Uhr) nahm der Tennengau österreichweit mit deutlichem Abstand die Spitzenposition ein. Bei der Sitzung der Ampelkommission am Donnerstag werde der Bezirk auf Rot geschaltet, sagte Haslauer.

Am härtesten ist die Gemeinde Kuchl im Tennengau betroffen, in der sich die Situation zuletzt zugespitzt hat. Sie wird unter Quarantäne gestellt. „Die Entwicklung ist dramatisch“, sagte Haslauer. Die Zahl der Neuinfektionen im Land sei zuletzt teilweise auf mehr als 130 pro Tag gestiegen – das sei mehr als im Frühjahr. Vor nicht ganz zwei Wochen lag die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner im Bundesland noch bei rund 30, laut AGES erreichte sie mit Mittwochnachmittag bereits einen Wert jenseits der 100. „Wir sehen die unbedingte Notwendigkeit, Maßnahmen zu setzen, um nicht in einen weiteren Lockdown zu gehen“, so Haslauer.

Kuchl: Ausgangsbeschränkungen wie bei Lockdown

Darum wird in Kuchl die Ein- und Ausreise untersagt, Ausnahmen gibt es nur für die Versorgung mit Lebensmitteln und Heizmaterial, für Einsatzfahrzeuge und für Pendler, die in systemrelevanten Berufen arbeiten. Innerhalb der Gemeinde müssen Gastronomie und Hotellerie zusperren. Handels- und Dienstleistungsgeschäfte bleiben für Gemeindebürger offen. Zudem gelten Ausgangsbeschränkungen wie beim Lockdown im Frühjahr – mit den bekannten Ausnahmen: Bewegung im Freien, Nachbarschaftshilfe und Einkäufe.

Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer
APA/Barbara Gindl
Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) bei seiner CoV-Pressekonferenz

Das erst am Dienstag im Tennengau in Kraft getretene Verbot privater Feiern außerhalb des eigenen Wohnraums wird auf das ganze Bundesland ausgedehnt. In ganz Salzburg wird zudem eine Registrierpflicht für die Gastronomie eingeführt – eine Maßnahme, die das Land vor wenigen Wochen noch aus Datenschutzgründen abgelehnt hatte. Die Sperrstunde um 22.00 Uhr bleibt aufrecht, ausgenommen sind weiterhin Gäste in der Hotellerie. Zudem dürfen landesweit nicht mehr als 100 Personen zu Begräbnissen kommen – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Home-Schooling ab 9. Schulstufe

Das Land führt weiters ein Veranstaltungsverbot ein, wenn es keine zugewiesenen Sitzplatze gibt – egal ob drinnen oder draußen. Die Verabreichung von Speisen und Getränken bei Veranstaltungen wird dabei verboten. Keine gravierenden Auswirkungen haben die vorgestellten Maßnahmen auf Großveranstaltungen in der Stadt Salzburg- mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Im Tennengau, Flachgau, Pongau und in der Stadt Salzburg werden alle Schüler ab der 9. Schulstufe auf Home-Schooling umgestellt. Auch die beiden Fachhochschulen in Kuchl und Puch stellen auf Fernunterricht um. Die Maßnahmen werden von Samstag vorerst bis 1. November, 24.00 Uhr, gelten.

Kuchl unter Quarantäne

Kommt wieder Behelfsspital?

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) unterstütze die Schritte, so Haslauer. „Geht die Entwicklung so weiter, kommt es zu einer Überforderung des Gesundheitssystems“, warnte der Landeshauptmann. „Es ist absehbar, dass wir in knapp zwei Wochen an der Grenze der Versorgbarkeit angelangt sind.“ Binnen einer Woche habe sich die Zahl der Hospitalisierungen verdoppelt, die Zahl der Intensivpatienten von eins auf vier erhöht. „Unter Umständen werden wir zeitnah in eine Situation kommen, in der wir das Behelfsspital am Messegelände wieder aktivieren müssen.“

Die Zuspitzung der Situation in Kuchl und im Tennengau dürfte zum Teil auch einer gewissen Ignoranz einzelner Bürger gegenüber den bisherigen Maßnahmen zurückzuführen sein. „Wir haben in Kuchl keine Cluster mehr feststellen können“, sagte Landessanitätsdirektoren Petra Juhasz am Donnerstag. „Es gab beim Angeben möglicher Kontaktpersonen von Infizierten keine Kooperation mehr. Viele haben Symptome, lassen sich aber nicht testen, um nicht in Quarantäne zu müssen.“ In Sozialen Netzwerken werde sogar dazu aufgerufen, unkooperativ zu sein und sich nicht an die Maßnahmen zu halten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßte die erlassenen Maßnahmen Salzburgs. Haslauer sei „hier aktiv“ geworden und habe „schnell und restriktiv“ gehandelt, sagte Kurz am Donnerstag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Kurz appellierte erneut an „alle anderen sehr betroffenen Bundesländern“, auch Maßnahmen zu setzen, „damit die Situation nicht außer Kontrolle gerät“. Sie sollten dem Beispiel Haslauers folgen, so der Bundeskanzler.

Tirol beschließt weitere Verschärfungen

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat am Donnerstag zur Bekämpfung der Pandemie weitere Verschärfungen verkündet. Unter anderem wird in orange oder roten Bezirken ab der Oberstufe auf Homeschooling umgestellt. In der Gastronomie kommt die Registrierungspflicht – tirol.ORF.at.

Neun Bezirke für Rot vorgeschlagen

Laut der der APA vorliegenden Expertenempfehlung an die Ampelkommission werden dieser neun Bezirke für die Schaltung auf Rot vorgeschlagen. Demnach könnten St. Pölten (Niederösterreich), Wels-Stadt und Rohrbach (Oberösterreich), Innsbruck, Innsbruck-Land, Imst und Schwaz (Tirol) und eben in Salzburg die Bezirke Hallein (Tennengau) und St. Johann im Pongau betroffen sein.

Laut dem Dokument wird für 16 weitere Bezirke eine Hochstufung auf Orange vorgeschlagen: Oberwart (Burgenland), St. Veit an der Glan (Kärnten), Baden, St. Pölten Land, Tulln, Wiener Neustadt Land (Niederösterreich), Steyr (Stadt), Grieskirchen, Ried im Innkreis, Schärding, Wels (Land) (alle Oberösterreich), Salzburg-Umgebung. In der Steiermark werden die Bezirke Liezen, Voitsberg und Bruck-Mürzzuschlag für Orange vorgeschlagen, in Tirol Kufstein.

Dass Wien der Kommission nicht für die Hochschaltung auf Rot vorgeschlagen wurde, sorgt laut APA-Informationen bei einigen Kommissionsmitgliedern für Unmut. Grund dafür ist dem Vernehmen nach, dass Wien bei der „Risikoadjustierung“ (die weitere Kriterien als die reine Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen berücksichtigt) als gesamtes Bundesland bewertet wird – und nicht die einzelnen Wiener Bezirke herangezogen werden. Während für ein ganzes Bundesland auch die Zahl der Tests als Kriterium für eine bessere Gesamtbewertung dient, ist das bei einzelnen Bezirken nicht der Fall, daher kann dieses Kriterium nur auf Wien angewendet werden.

NÖ: Schulen bleiben bei Rot offen

Schulen in Niederösterreich sollen auch dann offen bleiben, wenn die CoV-Ampel auf Rot schaltet. Sie könnten also „gelb oder orange bleiben“, weil Bezirke oft so groß seien, „dass es keinen Sinn macht, mit der Bezirksfarbe mitzugehen“, sagte Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) am Donnerstag in einem Pressegespräch. Es sei zur Entlastung der Eltern besonders wichtig, dass die Kinder in die Schulen gehen können.

ZIB-Innenpolitikchef Bürger analysiert

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger über die neuesten Entwicklungen in Sachen Coronavirus und wie Maßnahmen bei der Bevölkerung ankommen.

Auch Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) betonte, dass die Einrichtungen geöffnet bleiben müssten, um „niemanden im Bereich der Bildung zurückzulassen. Beim ersten Lockdown waren wir alle nicht darauf vorbereitet“, so Königsberger-Ludwig. Die nötige Unterstützung für einige Eltern und Kinder sei nicht überall gegeben gewesen.

„Einheitlicher Umgang mit Verdachtsfällen“ erarbeitet

Im Schulbereich werde man sich deshalb nicht nach der Ampel des Bundes richten. Sollten ein Bezirk oder eine Stadt rot gefärbt werden, wird laut Teschl-Hofmeister in Rücksprache mit dem Bildungsministerium und den Gesundheitsbehörden entschieden, ob die Maßnahmen dort auch in den Schulen umgesetzt werden sollen.

Die Coronavirus-Infektionen in den Bildungseinrichtungen im Bundesland stiegen derzeit „moderat“. In Niederösterreich habe man einen einheitlichen Umgang mit Coronavirus-Verdachtsfällen erarbeitet. „Es gibt eine genaue Checkliste, was wann in welcher Reihenfolge zu tun ist“, sagte die Landesrätin.

Wien: Christkindlmärkte finden statt

In Wien dürfen indes Adventmärkte stattfinden. Das Marktamt genehmigte das Coronavirus-Präventionskonzept, das von dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien erarbeitet wurde. Ein Mund-Nasen-Schutz muss verpflichtend getragen werden. Je nach Größe und Lage der Christkindlmärkte kommen allerdings unterschiedliche Maßnahmen zum Einsatz: Ob auf dem verwinkelten Spittelberg oder im weitläufigen Schönbrunn-Areal – für jeden Christkindlmarkt wird nach einer passenden Lösung gesucht.

„Es gibt generelle Vorschläge, Einbahnregelungen oder wo es notwendig ist Zugangsbeschränkungen“, so Hutter. Die Zugangsbeschränkungen sollen für eine übersichtliche Anzahl an Besucherinnen und Besuchern sorgen. Auch zusätzliche Ordnerdienste sollen auf die Einhaltung der Maßnahmen achten – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kurz: Bevölkerung soll Lage ernst nehmen

Angesichts österreichweit steigender Infektionszahlen hatte Bundeskanzler Kurz am Donnerstag die Bundesländer schriftlich zu verschärften Maßnahmen aufgefordert. In mehreren Bundesländern hätten die Zahlen ein „sehr besorgniserregendes Ausmaß“ erreicht.

„Derzeit sehen wir in einigen Städten und Ländern Europas eine massive Ausbreitung des Virus, die es notwendig macht, mit sehr drastischen Maßnahmen dagegen zu kämpfen“, so der Bundeskanzler in dem der APA vorliegenden Text: „Es muss allen im Land klar sein: Die Lage ist ernst.“ Eine Neuinfektionsrate wie etwa im Nachbarland Tschechien führe zu fatalen Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmen, bringe das Gesundheitssystem an die Kapazitätsgrenzen und verursache de facto einen zweiten Lockdown.

„Gezielt in Regionen Verschärfungen vornehmen“

„Nun geht es darum, dass die besonders betroffenen Bundesländer gezielt in den Regionen Verschärfungen vornehmen, da ab einem gewissen Zeitpunkt weder schnelle Tests noch gezieltes Contact-Tracing für die Behörden in den betroffenen Bundesländern noch möglich sein werden“, so Kurz.

Auch an die Bevölkerung wandte er sich: „Ich appelliere an alle Menschen, im Land die Lage ernst zunehmen und die Maßnahmen mitzutragen.“ Die kommenden Wochen würden entscheiden, ob man die Ausbreitung des Virus verlangsamen und eindämmen könne oder ob die Pandemie noch viel größere Schäden für das Gesundheitssystem, die Arbeitsplätze und die Unternehmen im Land verursachen werde.

Anschober: Überprüfen zusätzliche Schutzmaßnahmen

Gesundheitsminister Anschober begrüßte es, dass „von vielen Bezirken und Ländern nun verstärkt Maßnahmen auf Basis der erhöhten Risikobewertung für einzelne Regionen gesetzt werden“, damit würden die neuen Möglichkeiten des Covid-19-Maßnahmengesetzes und der Ampel genützt. „Es geht derzeit stark darum, regionale Spitzen abzudämpfen. Wir überprüfen in der Bundesregierung derzeit aber auch verschiedene Möglichkeiten für bundesweite zusätzliche Schutzmaßnahmen – auch auf Basis der Ergebnisse der neuen Risikobewertung durch die CoV-Ampelkommission.“

SPÖ: „Panikkanzler“

Die SPÖ warf Kurz Panikmache vor. Kurz liefere lediglich Schlagzeilen, ohne mit den Betroffenen zu sprechen, sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung: „Das Corona-Krisenmanagement braucht Besonnenheit, Seriosität und Voraussicht und nicht einen türkisen Kanzler Kurz, der sich als Chefvirologe aufspielt und Angst und Panik verbreitet.“ Kurz liefere Widersprüche am laufenden Band, sehe einmal Licht am Ende des Tunnels und gebe wenig später den „Panikkanzler“, kritisierte Deutsch und forderte die sachliche Beurteilung der Lage durch Experten.