Frau beim Kochen
APA/Barbara Gindl
Coronavirus

Kleine Cluster als großes Problem

60 Prozent der identifizierten Coronavirus-Cluster konnten in der Vorwoche dem Bereich Haushalt zugeordnet werden. Diese Cluster betreffen für gewöhnlich nur wenige Personen – treten sie in einer Region allerdings gehäuft auf, kann das auf große Probleme hindeuten.

Die Fachleute der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und lokaler Gesundheitsbehörden konnten in der Kalenderwoche 41 insgesamt 734 Infektionscluster mit 3.099 Betroffenen in ganz Österreich identifizieren. 436 dieser Cluster traten im familiären Bereich auf. Pro Haushalt konnte eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei durchschnittlich drei Personen nachgewiesen werden.

„Wie das Virus in die Haushalte kommt, wissen wir nicht“, sagt AGES-Chefepidemiologin Daniela Schmid gegenüber ORF.at. „Jeder Haushaltscluster hat einen Quellenfall, dessen Quelle wiederum ungeklärt ist.“ Treten Haushaltscluster lokal stark gehäuft auf, sei das ein Ausdruck von „Community Transmission“. In diesem Fall zirkuliert das Virus in einer bestimmten Region so stark, dass einzelne Cluster nicht mehr voneinander abgegrenzt werden können und die Rückverfolgung einzelner Infektionsketten nicht mehr möglich ist.

Marktplatz der Gemeinde Kuchl
APA/Barbara Gindl
Der Salzburger Ort Kuchl steht wegen eines großflächigen Coronavirus-Ausbruchs derzeit unter Quarantäne

„Je weniger Haushaltscluster, desto besser“

Was bedeutet es nun, dass 60 Prozent der Cluster in Österreich dem Bereich Haushalt zugeordnet werden? Grundsätzlich gelte die Losung „je weniger Haushaltscluster, desto besser“, so Schmid. „Je mehr Haushaltscluster, umso eher bleibt ein Quellenfall offen.“ Ein wichtiger Wert sei die Anzahl der Haushaltscluster, die sich in einer bestimmten Region bilden, so Schmid: „Je mehr es sind und je kleiner die Bevölkerungsgröße ist, in denen sie auftreten, umso mehr geht es in Richtung Community Transmission“, sagt die Epidemiologin. „Man muss sich sehr gut und immer von Woche zu Woche anschauen, in welcher Populationsgröße die Anzahl der Haushaltscluster auftritt.“

65 Prozent Aufklärungsquote

In Kalenderwoche 41 (5. bis 11. Oktober) konnte die Quelle von 65 Prozent der Neuinfektionen geklärt werden. In Salzburg waren es 54 Prozent, in Tirol 66, in Vorarlberg 72 und in Wien 61.

Beobachten lässt sich die „Community Transmission“ laut Schmid aktuell in der Salzburger Gemeinde Kuchl, „wo Cluster ineinander übergehen und wo man sie nicht mehr voneinander abgrenzen kann“. Die Gemeinde steht derzeit unter Quarantäne. Das Abriegeln des Ortes sei eine sinnvolle Maßnahme, sagt Schmid, da eine Verbreitung des Virus von Kuchl aus in andere Orte verhindert werde.

In Kuchl selbst könne der Erreger zwar zirkulieren, ab einem gewissen Zeitpunkt sei die Durchseuchung aber so hoch, dass sich niemand mehr infiziere. Ein ähnlicher Effekt habe sich im Frühjahr in Ischgl gezeigt, so Schmid. In einer späteren Studie konnten CoV-Antikörper bei über 42 Prozent der Bevölkerung des Tiroler Skiortes nachgewiesen werden. Wichtig sei es in einem Fall wie Kuchl allerdings, Menschen zu schützen, für die das Virus eine besondere Gefahr darstellt, etwa Ältere oder Personen mit chronischen Erkrankungen. Deshalb sollte es Zugangsbeschränkungen zu Spitälern sowie Alters- und Pflegeheimen geben.

Kampf gegen Cluster

Alte Menschen in den Pflegeheimen zählen zu den gefährdetsten Personengruppen in der CoV-Pandemie – sie zu schützen war das Credo von Beginn an. Trotzdem bilden sich jetzt wieder vermehrt Cluster in Pflegeeinrichtungen.

„Influencer“ gegen Coronavirus

Bei der Eindämmung des Coronavirus in Österreich sollten regionale Maßnahmen an oberster Stelle stehen, sagt Schmid, die sich gegen einen landesweiten Lockdown ausspricht. Schulschließungen seien weitestgehend zu vermeiden. Die Maßnahmen werden von Woche zu Woche neu via Einstufung der Ampelkommission adjustiert.

Damit die Bevölkerung die Maßnahmen mitträgt, brauche es eine neue Art der Kommunikation, so Schmid. Statt der Kommunikation von oben nach unten („Top-down“) brauche es lokale „Influencer“ wie Lehrer oder Pfarrer oder andere Personen, die in der lokalen Bevölkerung hohes Ansehen genießen und bei der Umsetzung der Maßnahmen Jung und Alt als Vorbild dienen.

International sei eine solche Kommunikation von unten nach oben („Bottom-up“) vielfach erprobt. Welchen Einfluss positive Vorbilder haben können, zeige sich am Beispiel von Impfungen, so Schmid: „Ein Impfgegner und die gesamte Community lässt sich nicht impfen. Wenn der ‚Influencer‘ aber ein Impfbefürworter ist, ist die gesamte Community geimpft.“