Windräder
ORF.at/Christian Öser
Begutachtung endet

Erneuerbaren-Gesetz biegt auf Zielgerade ein

Der Gesamtstromverbrauch soll ab 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Dieses Ziel will die Regierung mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) erreichen. Am Mittwoch endet die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf. Für das Vorhaben gibt es zwar eine breite Zustimmung, doch auf der Zielgeraden warten noch einige Hürden.

Derzeit liegt der Stromverbrauch bei ungefähr 70 Terawattstunden (TWh), rund 70 Prozent stammen dabei aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft. Bis 2030 wird der Strombedarf allerdings weiter wachsen und soll zudem zu 100 Prozent „sauber“ sein. Deshalb soll mit dem Gesetz das Fördersystem auf neue Beine gestellt werden, damit zu den bisherigen 54 TWh zusätzlich 27 TWh erzeugt werden können, um den steigenden Strombedarf zu stemmen und die Stromproduktion aus fossilen Quellen auf nahezu null zu fahren. Verteilt werden die 27 TWh auf Fotovoltaik (elf TWh), Windkraft (zehn TWh), Wasserkraft (fünf TWh) und Biomasse (eine TWh). So ist es jedenfalls im EAG geplant.

Für die Pläne werden in den kommenden neun Jahren insgesamt zehn Milliarden Euro Förderungen ausgeschüttet. Die Kosten von durchschnittlich rund einer Milliarde Euro pro Jahr werden die Stromkunden und -kundinnen auf ihren Rechnungen wiederfinden. Bisher waren es 700 bis 760 Millionen Euro pro Jahr, hatte die für das EAG zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) Mitte September erläutert. Mit den Förderungen, die sich je nach den unterschiedlichen Erzeugungstechnologien differenzieren, werde man aber bis zu 30 Milliarden an Investitionen in Österreich auslösen.

Diskussion um zusätzliche Kosten

Das EAG ist ein Sammelgesetz, mit dem gleich mehrere andere Gesetze geändert werden. In Kraft treten soll es am 1. Jänner 2021 – dafür braucht es aber eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat, weil der Energiebereich in Österreich Ländersache ist. Die SPÖ will es den Regierungsparteien ÖVP und Grüne nicht leicht machen. Man werde das Gesetz „nicht einfach durchwinken, es muss auch eine soziale Handschrift haben“, deponierte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll am Dienstag bei einer Diskussionsrunde. Er forderte eine Deckelung der Ökostromkosten bei jährlich 100 Euro pro Haushalt. Laut Gewessler lag der Ökostrombeitrag in den vergangenen Jahren bei rund 120 Euro. Das werde sich nicht ändern.

Grafik zum Ausbau der erneuerbaren Energie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMVIT

Schroll betonte allerdings, dass er gehört habe, dass künftig die jährlichen Kosten um 50 Euro steigen würden. ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf sah es naturgemäß anders: „Da werden wir nicht hinkommen.“ Außerdem werde auf Länderebene schon sehr viel gegen die Energiearmut getan. Jeder Bürger, dem die Energiewende etwas wert sei, werde auch zu Mehrkosten bereit sein. Bei 20 Euro Mehrkosten, von denen sie ausgeht, seien das „fünf Cent Erhöhung pro Tag für den Klimaschutz“. Hier hakte ihr SPÖ-Kollege Schroll ein und meinte: „Fünf Cent am Tag – das kann man auch festschreiben.“

Gewessler selbst sah kurz vor Ende der Begutachtungsfrist etliche Knackpunkte im EAG, bei dem es noch um einen Konsens mit den betroffenen Stellen zum Entwurf geht. Sie verwies etwa auf den Wasserkraftausbau: Hier seien Nutzungskonflikte offensiv anzugehen und Lösungen zwischen Umweltschützern und der Strombranche zu finden, „da werden wir einen Schritt aufeinander zugehen“. Bei Fotovoltaik gehe es sowohl um die Hausdächer als auch um Freiflächen, beides bedürfe der Akzeptanz. Bei der Windkraft, die bis 2030 das größte Potenzial habe, müsse man stärker in die Bundesländer gehen, sagte Gewessler weiter.

Windkraft erhofft sich höhere Vergabemenge

Dass die Stromkunden durch die Ökostromförderung überbeansprucht werden könnten, hatte die Interessengemeinschaft Windkraft schon vor einigen Wochen zurückgewiesen. Allerdings ortete sie in ihrer Stellungnahme ein anderes Problem: Die jährliche Vergabemenge für Windkraft sei zu gering. Statt die im Entwurf vorgesehenen 400 Megawatt (MW) jährlich seien 500 MW pro Jahr nötig, um das Ziel „100 Prozent sauberer Strom ab 2030“ zu erreichen. Neben dieser Erhöhung wünscht sich die IG Windkraft, dass generell auf Ausschreibungen verzichtet wird und nicht nur wie geplant bis 2024. Der Grund: „Ausschreibungen bei der Windkraft haben in vielen Ländern in Europa zu groben Verwerfungen des Windkraftausbaus geführt.“

Der WWF begrüßte in seiner Stellungnahme den Ökostromausbau, forderte aber im selben Atemzug auch ein Energiesparprogramm und eine nachhaltige Wärmestrategie ohne neue fossile Infrastruktur. „Ambitionierte Klima- und Energieziele erfordern einen ganzheitlichen Ansatz, der weit über den vorliegenden Gesetzesentwurf hinausgeht. Insbesondere der Schutz der Biodiversität muss deutlich mehr Priorität bekommen, weil die Politik über Jahrzehnte viel zu wenig getan hat“, hieß es in Richtung Verkehrsministerium.

Landwirtschaft vermisst „grünes Gas“

Die heimischen Agrarlandesräte hatten Anfang Oktober kundgetan, dass sie das Thema „grünes Gas“ im EAG-Entwurf vermissen. „Greening the gas ist ein Schlagwort, das mir im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz noch komplett fehlt“, so der Vorsitzender der Agrarlandesräte-Konferenz (LARK), Josef Schwaiger. Das sei „in vielen Bereichen der einzig logische Weg, um aus fossilen Energieträgern auszusteigen“. Schwaiger appellierte an Gewessler, das Gesetz nachzuschärfen, um „grünes Gas“ zu forcieren. Auch Gas Connect Austria äußerte sich in ihrer Stellungnahme ähnlich. Verkehrsministerin Gewessler kündigte aber bereits an, sich dem „grünen Gas“ erst nach dem EAG zu widmen.

Schon vor der Begutachtung hatte sich der Geschäftsführer der Kleinwasserkraft Österreich, Paul Ablinger, „sehr erfreut“ über den Entwurf gezeigt, insbesondere über die Anpassung der Unterstützungsdauer an die international üblichen 20 Jahre. Optimistisch war auch Herbert Paierl, Chef des Bundesverbands Photovoltaic Austria: „Einige wesentliche Punkte, für die wir uns seit Langem einsetzen, sind berücksichtigt worden.“ Allerdings müssten wichtige Details in den nächsten Wochen noch angepasst werden. Ähnlich sieht es die IG Holzkraft: „Der vorliegende Entwurf sieht für die Holzkraftwerke vielversprechend aus, aber einige wichtige Details sind noch offen“, so Vorstandschef Hans-Christian Kirchmeier.

Unterschiedliche Förderungen

Im neuen EAG werden die Förderungen sehr stark nach den unterschiedlichen Erzeugungstechnologien differenziert. Während Kleinanlagen mit Investitionsförderungen unterstützt werden, gibt es für größere Anlagen je nach Erzeugungstechnologie unterschiedliche Marktprämien, die administrativ festgelegt oder in Auktionsverfahren ermittelt werden. Fotovoltaik (PV) wird in mehreren Klassen (A bis D) gefördert, damit nicht nur kleine oder nur große Anlagen gebaut werden. PV-Anlagen auf Freiflächen bekommen um 30 Prozent weniger Förderung als Anlagen auf Dächern oder auf versiegelten Flächen wie Deponien und Parkplätzen – was freilich auch für Kritik sorgte. Die Höhe der Marktprämie wird durch Ausschreibungen festgelegt.

Windkraft bekommt eine Marktprämie, wobei es für Kleinanlagen Investitionsförderungen geben soll. Die Höhe der Prämie wird mittels Gutachten ermittelt und jedes Jahr per Verordnung neu festgelegt. In einem zweiten Schritt will man 2023/24 evaluieren, wie sich das System bewährt hat und ob die Prämien künftig in Ausschreibungen ermittelt werden. Wasserkraft wird bis zu 20 MW in unterschiedlichen Klassen mit Marktprämien gefördert, die Prämien werden administrativ festgelegt. Bei Kraftwerken mit mehr als 25 MW Leistung werden nur 25 MW gefördert. Für Revitalisierungen soll es Investitionsförderungen geben.

Biomasse wird ebenfalls in unterschiedlichen Klassen mit Marktprämien gefördert, nämlich unterschiedlich für Anlagen bis zu 50 kW (Kilowatt), 50 bis 500 kW und 500 kW bis 5 MW. Bestandsanlagen bekommen Marktprämien bis zum Ablauf der Lebensdauer (maximal 30 Jahre). Anlagen mit einer Leistung von 500 kW bis 5 MW erhalten eine Marktprämie, die durch eine Ausschreibung ermittelt wird. Bereits bestehende Biogasanlagen, die aus alten Fördertarifen herausfallen, werden weiter unterstützt, bis ein Gesetz für „grünes Gas“ in Kraft tritt. Neue Anlagen bis zu einer Größe von 150 kW werden auch für die Einspeisung von Ökostrom gefördert.