Der leere Schreibtisch des US-Präsidenten im Oval-Office
APA/AFP/Saul Loeb
„Super-Ager“

US-Präsidentschaft im Pensionsalter

Das Alter der Kandidaten um das Weiße Haus ist heuer besonders in den Fokus gerückt. Auch wenn Donald Trump und Joe Biden als „Super-Ager“ mit besonders guten gesundheitlichen Voraussetzungen gelten – sie sind die ältesten Männer, die sich je um das Amt des US-Präsidenten beworben haben. Und beide haben mit dem Thema Alter ihre Probleme.

Siebzig sei das neue Fünfzig in der Weltpolitik, urteilte ein Kommentator im US-Magazin „Foreign Policy“ am Dienstag: „Es ist weder ein Zufall noch ein Problem, dass beide Kandidaten für Amerikas höchstes Amt so alt sind.“ Wenn der nächste US-Präsident im Jänner 2021 vereidigt wird, wird er jedenfalls der älteste der Geschichte sein. Trump ist 74, Biden wird im November 78. Bisher hielt den Altersrekord Ronald Reagan, dessen zweiter Amtseid drei Wochen vor seinem 74. Geburtstag erfolgte.

Laut dem Magazin ist das Alter des US-Präsidenten in diesem Fall aber unbedeutend. Es habe in der Vergangenheit kränkere Männer im Amt gegeben und auch gebrechlichere. Aber heute sei das Alter anders, die ältere Generation sei körperlich und mental fit wie nie. Im US-Kongress gebe es fünfzig Menschen über 75, und auch im Ausland gebe es zahlreiche Beispiele für ältere Staatenlenkerinnen und -lenker. Ältere Politiker seien erfahren und krisenerprobt. „Einen Präsidenten zu haben, der siebzig plus ist, sollte also kein Anlass zur Sorge sein. Tatsächlich kann es ein Vorteil in der aktuellen politischen Situation der USA sein.“

Angriffe auf das Alter

Für die Kandidaten selbst ist das Alter allerdings ein Thema. Besonders Trump nutzt es als Vorwurf und spielt die Klaviatur der Beleidigungen – Biden machte es ihm wiederum mit wiederholten fahrigen und unkonzentrierten Auftritten einfach. Schon bei Bidens Eintritt in den Vorwahlkampf im April 2019 nannte Trump seinen Widersacher „Sleepy Joe“, der nur wenige Jahre ältere Biden sei nicht fit genug für das Amt. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte der Präsident jüngst eine Fotomontage, die Biden im Rollstuhl umgeben von gebrechlichen Senioren zeigt.

Biden hingegen ließ sich kaum zu Attacken bezüglich Trumps Alters hinreißen. Er antwortete auf Fragen diplomatischer als sein Gegner. „Alles, was ich dem amerikanischen Volk sagen kann, ist, mich zu beobachten, zu sehen, was ich getan habe, zu sehen, was ich tun werde. Sieh mich an. Vergleichen Sie unsere körperliche und geistige Schärfe. Ich bin froh über diesen Vergleich.“

Trumps Gesundheitszustand war freilich Thema in den Schlagzeilen wegen seiner Coronavirus-Infektion. Er überstand die Erkrankung nach nur vier Tagen im Krankenhaus. Trump ließ seine Ärzte ausrichten, dass der Präsident keine Probleme habe, tags darauf mussten sie aber einräumen, dass es doch ernster war. Trump gilt wegen seines Übergewichts und Alters als Risikopatient. Bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus spekulierten US-Medien über seinen Zustand, Trump schien schwer Luft zu bekommen.

Später zeigte er in der Öffentlichkeit keine Symptome mehr – im Gegenteil: Er betonte seine Stärke: Vor Anhängern in Arizona sagte er über seine Erkrankung: „Ich bin aufgewacht und fühlte mich gut. Ich sagte: ‚Lasst mich hier raus!‘ Boom! Superman!“ Die Fans auf der Wahlkampfveranstaltung skandierten daraufhin „Superman! Superman!“

Beide mit hoher Lebenserwartung

Dass sowohl Trump als auch Biden für die Strapazen und Härten des Amtes stark genug sind, zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie im Magazin „Journal on Active Aging“. Die Untersuchung vom September zeigte anhand verschiedener Parameter (etwa Vorerkrankungen, Familiengeschichte, Risikofaktoren), dass es sich bei beiden Kandidaten sehr wahrscheinlich um „Super-Ager“ handle. Sie seien also Menschen, die wahrscheinlich bis in ihre hohen Achtziger und darüber hinaus körperlich und geistig fit bleiben.

TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden
AP/Jeff Chiu
Trump und Biden: Beide sollen „Super-Ager“ sein

Der bedeutendste Faktor sei genetisch: Beide stammten aus Familien, deren Mitglieder besonders alt geworden seien. Zudem hätten beide Zugang zu exzellenter Gesundheitsversorgung und ein hohes Einkommen. Die Studie sieht es als wahrscheinlich an, dass Biden wegen guter medizinischer Werte länger lebt als Trump, obwohl er älter ist. Doch beide „Super-Ager“ hätten eine überdurchschnittlich hohe Überlebenswahrscheinlichkeit in den nächsten vier Jahren im Vergleich zu anderen Männern in ihrem Alter, so die Studie.

Ältere bevorzugen nun Biden

In welche Richtung das Pendel am Ende ausschlägt, entscheiden freilich die Wählerinnen und Wähler. Gerade in den wichtigen „Swing-States“ wie Florida und Arizona stammt ein erklecklicher Teil aus der Generation der Babyboomer. Die Bundesstaaten gelten wegen des warmen Klimas als Pensionistenparadiese. Für diese starke Wählergruppe ist die Pandemie ein Wahlmotiv. In Florida starben rund 16.200 Menschen an den Folgen einer CoV-Infektion. 2016 siegte Trump, dem in Florida mehrere Golfclubs gehören, hier noch mit weniger als eineinhalb Prozentpunkten Vorsprung. In den aktuellen Umfragen liegt aber Biden vorn. Auch nationale Umfragen sehen Biden inzwischen bei Wählern über 65 Jahren deutlich vorne.

Ronald Reagan, 1987
AP/Dennis Cook
Vor Trump hielt Ronald Reagan den Rekord als ältester Präsident

Viele Ältere, die 2016 noch für Trump gestimmt hatten, wandten sich inzwischen von ihm ab. Ihnen gefiel Trumps Umgang mit der Pandemie nicht. Auch die Art, wie sich Trump über Bidens Alter lustig macht, kam nicht überall gut an.

Der älteste noch lebende US-Präsident Jimmy Carter (96) würde sich eine Altersgrenze für das Amt wünschen. „Wenn ich nur 80 Jahre alt wäre, wenn ich 15 Jahre jünger wäre – ich glaube nicht, dass ich die Aufgaben übernehmen könnte, mit denen ich als Präsident konfrontiert war“, zitierte ihn der britische „Guardian“.

Für Trump wäre es die zweite und ohnehin letzte Amtszeit im Weißen Haus. Biden deutete an, dass er im Fall eines Wahlsiegs nur eine Amtszeit Präsident sein könnte. Im Fall einer Amtsniederlegung würde die Stunde des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin schlagen. Bidens Vizekandidatin ist Kamala Harris, 56 Jahre alt. Vizepräsident unter Trump ist der 61-jährige Mike Pence. Die Chance, dass sie zum Zug kommen könnten, ist zumindest realistisch.