Rote und rosa Spielfiguren zur Illustration politischer Parteien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Koalition in Wien

NEOS für Ludwig die einfachere Wahl

Auf den ersten Blick überraschend hat die SPÖ Wien am Dienstag Koalitionsgespräche mit NEOS angekündigt. Doch für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dürfte NEOS auf einigen Ebenen schlicht der einfachere Partner sein – und auch besser für die eigene Positionierung. Es gibt aber auch Risken.

Mit der Zusammenarbeit mit NEOS als „Modell Ludwig“ breche Ludwig klar mit seinem Vorgänger Michael Häupl, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Der Wiener SPÖ-Chef werde – so die Gespräche erfolgreich sind – die Koalition prägen. Überraschend sei für ihn, so Filzmaier, dass Ludwig sich bezüglich des neuen Partners in der eigenen Partei quasi ohne Widerspruch habe durchsetzen können. Filzmaier sieht auch keinen Kotau vor der eigenen Basis: Diese pflege gegenüber den Grünen das gleiche Misstrauen wie gegenüber NEOS.

Klar sei, dass die Wiener SPÖ mit NEOS mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe, denn man beginne ganz von vorne auf einem weißen Blatt. Potenzielle Konfliktthemen mit NEOS, speziell Gesundheit und Bildung, aber auch Sozialthemen, würden aktuell von der Pandemie überlagert, anders als Verkehr bei den Grünen. Selbst NEOS sei aktuell für mehr Staat bzw. Stadt. Als deutlich kleinerer Partner sei NEOS wohl auch leichter zufriedenzustellen als die Grünen, so Filzmaier.

Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und NEOS-Chef Christoph Wiederkehr mit einem Tablett voller Punschkrapfen
APA/Georg Hochmuth
Bei den Sondierungsgesprächen mit NEOS wartete Ludwig mit Punschkrapferln auf

Gemeinsame Vorzeigeprojekte benötigt

Inhaltlich bleibe abzuwarten, was eine Koalition bringe. SPÖ und NEOS brauchten nun Vorzeigeprojekte, die nicht unbedingt auf den ersten Blick die wichtigsten sein müssten, aber für beiden Seiten herzeigbar. NEOS brauche auch einen symbolischen Erfolg, Transparenz oder die geforderte Halbierung der Parteienförderung würden sich dafür eher weniger anbieten. Eine Koalition auf Augenhöhe, wie von Ludwig am Dienstag postuliert, sieht er nicht: „Dazu müsste Ludwig Wiederkehr (Christoph, Chef NEOS Wien, Anm.) schon auf den Schoß nehmen.“

Die Debatte über eine mögliche Verkleinerung/Vergrößerung der Wiener Stadtregierung sieht Filzmaier als müßig. Denn in beiden Fällen würde die SPÖ schlechter aussteigen: Eine Vergrößerung wäre erstens unpopulär, und zweitens würde die ÖVP einen Stadtrat, wenn auch nicht amtsführend, erhalten. Bei einer Verkleinerung würde die SPÖ einen Stadtrat verlieren. Beides sei also keine Option.

Ludwig als Mediator zwischen Wien und Bund?

Dass sich Ludwig nun als Antagonist gegen den Bund positioniert, sieht Filzmaier nicht – das sei in Pandemiezeiten wenig zielführend, zudem müssten Städte und Länder mit dem Bund auf vielen Ebenen eng zusammenarbeiten. Ludwig moderiere viel mehr Streits etwa zwischen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und seinem Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und werde wohl auch weiter fein austarieren, so Filzmaier. Das Signal an die Bundesebene sei, dass es auch noch andere Partner neben Grün gebe.

Für die SPÖ gebe es durchaus auch Risiken in einer Partnerschaft mit NEOS: Es gebe kaum Wählerwanderung zwischen SPÖ und NEOS. Die war zwar zuletzt auch in Wien zwischen SPÖ und Grünen gering, das liege aber wohl an der gemeinsamen Stadtregierung und damit weniger Möglichkeiten für Proteststimmen – auf Bundesebene war die Wählerwanderung bei der letzten Nationalratswahl groß, so Filzmaier. Man werde in fünf Jahren sehen, wie sich das weiter entwickle.

Große Erwartungshaltung der NEOS-Wähler

NEOS müsse seinerseits nun die Erwartungshaltung der eigenen Wähler erfüllen, die von Parteigründung an die eher unübliche Position vertreten hätten, dass NEOS regieren soll, meint der Politikwissenschaftler. Damit könne sich die Partei auch auf Bundesebene als Alternative positionieren, was bisher auf Landesebene geschweige denn Bundesebene nicht wirklich möglich war.

Für die Grünen bleibe in Wien vorerst nur der Gang in die Fundamentalopposition, sagt Filzmaier. Das bringe sie gewissermaßen in ein Dilemma, denn gleichzeitig treten die Grünen im Bund als Teil der Regierung deutlich gemäßigter auf. Diesen Spagat würden sie sich aber mit der SPÖ teilen, so Filzmaier, die in Wien selbst Regierung sind, aber auf Bundesebene den klassischen Oppositionskurs fahren.