Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Coronavirus

Bekanntgabe nächster Schritte am Samstag

Die Regierung könnte am Samstag neue Schritte gegen die Ausbreitung des Coronavirus bekanntgeben. Diesen Termin nannte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag nach einem Treffen mit medizinischen Experten im Bundeskanzleramt. Sollten die derzeit hohen Neuinfektionszahlen weiter steigen, drohe bereits „Mitte, Ende November“ die Überlastung der Intensivstationen, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Am Freitag wird es Kurz zufolge Gespräche mit den Sozialpartnern geben. Am Samstag stehen Treffen mit den Landeshauptleuten und der Opposition auf dem Programm, zudem wird der Bundespräsident informiert. Im Anschluss an die Gespräche am Samstag erfolgt laut Kurz die Information der Öffentlichkeit über die notwendigen Maßnahmen. „Wir sind nicht in einer Phase, wo es um Stunden geht“, sagte Kurz zur Frage, ab wann die neuen Maßnahmen gelten werden.

Wie die Maßnahmen inhaltlich aussehen könnten, dazu gab es seitens der Regierung vorerst keine Informationen. Die „Salzburger Nachrichten“ berichteten von „lockdownähnlichen“ Maßnahmen, die ergriffen werden könnten. Den „Oberösterreichischen Nachrichten“ zufolge ist auch eine nächtliche Ausgangssperre in Diskussion. Klar sei, dass Österreich derzeit in Richtung einer Phase gehe, „wo wir massiv gegensteuern müssen, weil es sonst zu einer Überforderung der Spitäler und der Intensivmedizin kommen würde“, sagte Kurz, ohne Details zu nennen.

Pressekonferenz zur CoV-Situation

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Herwig Ostermann (Gesundheit Österreich) und Intensivmediziner Klaus Markstaller informieren über den aktuellen Fahrplan im CoV-Krisenmanagement.

„Werden das nicht zulassen“

Man habe am Donnerstag mit den Experten die Frage erörtert, ab welcher Anzahl neuer Infektionen das heimische Gesundheitssystem überlastet wäre, sagte Kurz. Vor zwei Wochen habe er geschätzt, dass diese Zahl bei 6.000 neuen Fällen täglich über einen Zeitraum von einigen Wochen liege. „Das wurde uns so bestätigt“, sagte der Kanzler.

Am Donnerstag meldeten Gesundheits- und Innenministerium 4.453 neue Fälle im 24-Stunden-Vergleich. Das ist der bisher höchste registrierte Wert, allerdings sind darin rund 430 Nachmeldungen aus Niederösterreich enthalten. Viel relevanter als diese Zahl ist laut Kurz aber, dass sich die Zahl der Neuinfektionen derzeit im Schnitt innerhalb einer Woche verdopple.

Eine Überlastung des Gesundheitssystems würde nicht nur bedeuten, dass geplante Operationen verschoben werden müssten, sondern im Extremfall auch, dass Ärzte entscheiden müssten, wem geholfen wird und wem nicht. „Das ist eine Situation, die werden wir nicht zulassen“, sagte der Kanzler.

Die derzeitige Lage sei „drastischer“ als jene im Frühjahr, sagte Gesundheitsminister Anschober. Der Zuwachs der Fallzahlen in Österreich sei dramatisch. Aktuelle Prognosen, „die wir seit Dienstagabend auf dem Tisch haben“, würden eine Steigerung auf bis zu 5.800 Fälle täglich bis Ende nächster Woche zeigen. Hinzu kommt laut Anschober eine Veränderung in der Altersstruktur der Betroffenen. Die über 85-Jährigen seien nach den 15- bis 24-Jährigen bereits die am zweithäufigsten betroffene Altersgruppe.

Intensivpatienten werden „rasant mehr“

Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich (GÖG), sagte, dass im Schnitt momentan einer von 100 Neuerkrankten im Spital und in weiterer Folge auf der Intensivstation lande, wo er durchschnittlich 12,5 Tage behandelt werden müsse. Die Patienten werden „rasant mehr“. Mitte November würden laut Prognose 400 bis 500 Patienten auf Intensivstationen liegen, sagte Ostermann. Das Ministerium präzisierte nachher, dass die Prognose von Anfang bis Mitte November ausgehe.

Diese sind auch „versorgbar“. Im Schnitt gibt es 2.000 Intensivbetten in Österreich, belegt werden können sie laut Ostermann mit 1.800 Menschen. Ungefähr 60 Prozent davon benötigen die Betten akut, also nach Unfällen oder wegen nicht verschiebbarer Eingriffen. Somit gebe es ein Potenzial von 700 Betten, die in einem Notfall für Patienten zur Verfügung gestellt werden können.

Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), sagte, dass eine Erweiterung der Intensivkapazitäten kurzfristig nicht möglich sei. Werde die Intensivmedizin bei Neuinfektionszahlen über 6.000 an ihre Grenze gebracht, „dann wären wir nicht mehr in der Lage, bestmögliche Medizin bereitzustellen“, warnte Markstaller.

Appell für Allerheiligen-Wochenende

Für das Allerheiligen-Wochenende verwies Kurz auf die Empfehlungen, soziale Kontakte zu reduzieren und auf Familienzusammenkünfte zu verzichten. Er appellierte erneut an die Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen: „Die Schritte, die wir als Bundesregierung setzen können, sind ein Teil, das andere ist das Mitmachen der Bevölkerung.“

Expertenrunde mit der Regierungsspitze zu Spitalskapazitäten
APA/Herbert Neubauer
Die Regierung traf Donnerstagmittag mit medizinischen Expertinnen und Experten zusammen

Die Herausforderung sei, „dass es bei vielen Menschen eine gewisse Müdigkeit gibt, ein Nicht-mehr-Wollen“, sagte Kurz. Er mache diesbezüglich niemandem einen Vorwurf, „weil ich das persönlich sehr gut nachvollziehen kann“, es handle sich um Einschränkungen, die niemand möchte.

Gesundheitsminister Anschober untermauerte die Dringlichkeit weiterer Maßnahmen. Man habe ja schon am vergangenen Wochenende ein großes Paket an Maßnahmen vorgelegt, es sei aber angesichts der weiter stark steigenden Infektionszahlen klar, dass das nicht ausreichen werde. In Aussicht stellte Anschober eine Reaktivierung der telefonischen Krankschreibung. Dazu sei man aktuell in Gesprächen, sagte der Minister.

Opposition: „Tiefpunkt des Regierungsmarketings“

Die Opposition hat auf die Kommunikationspolitik der Bundesregierung zu den bevorstehenden Verschärfungen der CoV-Maßnahmen mit scharfer Kritik reagiert. Für die SPÖ ist es „völlig unverständlich“, warum die Regierung mit der Bekanntgabe bis zum Wochenende abwartet, die FPÖ sprach von einem „Tiefpunkt des Regierungsmarketings“. NEOS ortete ein „Versagen“ von Türkis-Grün.