SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Herbert Neubauer
Coronavirus

SPÖ sieht ernste Lage, FPÖ mit Kritik

Nach medialen Spekulationen über mögliche Lockdown-Pläne hat die Opposition am Donnerstag die Regierung in die Pflicht genommen. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte ÖVP und Grüne zu sofortigem Handeln angesichts der hohen CoV-Zahlen auf. Die FPÖ warf der Koalition vor, monatelang untätig geblieben zu sein.

Rendi-Wagner wandte sich mit einem eindringlichen Appell an die Bevölkerung und die Regierung. Die Menschen in Österreich rief sie auf, die CoV-Maßnahmen einzuhalten und soziale Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Von der türkis-grünen Regierung forderte sie, „jetzt, jetzt, jetzt zu handeln“ und nicht weitere Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen, denn aus heutiger Sicht müsste in spätestens zehn Tagen ein Lockdown kommen.

„Die Situation ist ernst, die Entwicklung dramatisch. Die Zahl der Neuinfektionen steigt schnell, und noch schneller steigt die Zahl der Intensivpatienten“, warnte die frühere Gesundheitsministerin und Medizinerin.

Aktuell würde sich die Zahl der Intensivpatienten innerhalb von zehn Tagen verdoppelt. Wenn die Maßnahmen der Regierung nicht greifen, werden in zehn Tagen 50 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet sein. Nach weiteren zehn Tagen werden alle freien Ressourcen belegt und der Lockdown unvermeidlich sein. Das lasse sich ganz einfach mathematisch errechnen, warnte Rendi-Wagner. Daher sei die Regierung aufgefordert, jetzt zu handeln und nicht „in einem Blindflug in den zweiten Lockdown zu gehen“.

„Die Lage ist ernst“

Die Regierung ist nach Ansicht der SPÖ-Chefin spät dran, wenn sie erst am Donnerstag mit Experten über die intensivmedizinischen Kapazitäten berate. Auch das Parlament sei bisher in keiner Weise in die Beratungen eingebunden worden, kritisierte Rendi-Wagner. „Ich appelliere an die Bevölkerung, soziale Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, Sicherheitsabstände einzuhalten und Masken zu tragen. Die Lage ist ernst. Ich appelliere auch an die Regierung, besser heute als morgen Vorbereitung zu treffen.“

Forderungen der Opposition

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ haben am Donnerstag ihre Forderungen für die nächsten Wochen ausgesprochen. Die FPÖ ist gegen einen Lockdown und fordert Entschädigungen für die Unternehmer. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kann sich einen Lockdown unter bestimmten Bedingungen vorstellen.

Konkret forderte Rendi-Wagner, Arbeitslose verstärkt für das Contact-Tracing einzusetzen. Dieses sei entscheidend in der Pandemiebekämpfung und dürfe nicht aufgegeben werden. Zudem sollen die Spitäler koordiniert und zentral gesteuert auf Krisenmodus gestellt werden. Dort brauche es etwa Umschulungsmaßnahmen in Richtung intensivmedizinischer Betreuung. Weiters brauche es einen speziellen Schutz der Risikogruppen.

Die Schulen müssten dagegen offen bleiben. Besonders wichtig sei die Vermeidung von Massenkündigungen, wie es sie im Frühjahr gegeben habe, so Rendi-Wagner. Generell müssten „jegliche Maßnahmen treffsicher und zielsicher gesetzt werden und nicht über den Kamm geschoren“. Es brauche Daten und Transparenz über das genaue Infektionsgeschehen, und das sei derzeit nicht der Fall, kritisierte die SPÖ-Chefin.

Kickl wirft Regierung monatelange Untätigkeit vor

Scharfe Kritik an den kolportierten Lockdown-Plänen übte am Donnerstag die FPÖ. „Seit Monaten warnen die schwarz-grüne Regierung und insbesondere Kanzler (Sebastian, ÖVP, Anm.) Kurz so intensiv vor einer ‚zweiten Welle‘ der Corona-Verbreitung, dass man meinen möchte, diese Welle werde geradezu heraufbeschworen. Ansonsten waren sie aber offenbar völlig untätig“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung.

„Kurz hat vor drei Tagen den Lockdown als ‚Ultima-Maßnahme‘ bezeichnet. Lange hat er nicht gezögert, um zum Äußersten greifen und die Bevölkerung ein weiteres Mal in gesundheitspolitische Schutzhaft nehmen zu wollen – wohl exakt so lang, wie das Telefonat mit Deutschlands Kanzlerin (Angela, Anm.) Merkel gedauert hat“, meinte er mit Blick auf das am Mittwoch von Kurz mit Merkel geführte Gespräch über das weitere Vorgehen.

FPÖ fordert Sozialstaatssekretär

Zudem will die FPÖ Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) einen eigenen Staatssekretär zur Seite stellen. Anschober sei wegen der Krise „völlig überfordert“, sagte die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Sie forderte angesichts eines weiteren drohenden Lockdowns auch eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes, vorzugsweise in Bereichen mit vielen nicht österreichischen EU-Bürgern.

Dass ein sektorales Arbeitsverbot rein europarechtlich nicht möglich ist, glaubt Belakowitsch nicht. Gebe es den politischen Willen dazu, eröffneten sich auch Verhandlungsmöglichkeiten, meinte sie. In diesem Zusammenhang kritisierte die FPÖ-Abgeordnete auch das vorgelegte Budget für den Arbeitsmarkt. Dabei handle es sich lediglich um alte Ziele aus der Zeit vor der CoV-Krise. Es bleibe nicht viel über, um aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.