Virologe: Deutsche Maßnahmen „auch für uns perfekt“

Norbert Nowotny, Virologe der Vetmeduni Wien, glaubt, dass die ab kommender Woche in Deutschland in Kraft tretenden Maßnahmen gegen die CoV-Pandemie „auch für uns perfekt passen“ würden. In „Wien heute“ sagte er gestern Abend: „Ich weiß, das ist restriktiv, aber notwendig.“ Ausgangsbeschränkungen, wie sie in Frankreich und Tschechien eingeführt werden, hielt der Experte vielleicht „noch nicht für notwendig“.

In Deutschland müssen ab dem 2. November für vier Wochen Theater, Opern, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks und Spielhallen schließen. Der Freizeitsport wird im November gestoppt, Sportanlagen und Schwimmbäder müssen ebenso dichtmachen wie Fitnessstudios. Friseure sollen weiter arbeiten dürfen, Nagel- und Tattoostudios dagegen nicht. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physiotherapien, bleiben weiter möglich. Reisen sollen auf ein Minimum reduziert werden.

Virologe Nowotny zur aktuellen Situation

Virologe Nowotny schätzt die aktuelle Situation ein.

Nowotny wies darauf hin, dass es das Kriterium sei, bei der Kapazität der Intensivbetten nicht an die Grenzen zu stoßen. Die derzeitige Entwicklung – gestern wurden österreichweit knapp 4.500 neue Fälle vermeldet – verheiße in zwei Wochen „nichts Gutes“: Man rechne damit, dass einer von 100 Neuinfizierten innerhalb von zweieinhalb bis drei Wochen auf einer Intensivstation behandelt werden muss.

Der Virologe plädierte dafür, ähnliche Maßnahmen wie in Deutschland so schnell wie möglich zu implementieren. Er hoffe, dass durch eine Befassung des Hauptausschusses keine großen Verzögerungen eintreten würden. Innerhalb von vier Wochen könnte die Zahl der Neuinfektionen auf unter 1.000 gedrückt werden, sagte Nowotny. „Deutlich darunter wäre besser“, sagte er.

Linzer Experte: Teil-Lockdown hätte große Wirkung

Die Intensivmedizin sei wegen der stark steigenden Covid-19-Erkrankungen „nicht mehr sehr weit“ von der Kapazitätsgrenze entfernt, sagte der Linzer CoV-Experte Bernd Lamprecht gestern in der ZIB2. Maßnahmen zur Dämpfung der Infektionsentwicklung seien geboten. Ein „modifizierter, differenzierter Lockdown“ – mit offenen Schulen und Arbeitsplätzen, aber Unterbindung von Freizeitkontakten durch Einschränkungen im Abend- und Nachtlebens – könnte „große Wirkung zeigen“.

Bernd Lamprecht und Kathrin Stainer-Hämmerle analysieren

Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde, Kepler Universität Linz, und Politikwissenschaftlerin

Das „beherzte Experiment mit der Eigenverantwortung“ könne in Österreich wie auch in anderen Teilen Europas wohl als beendet betrachtet werden, sagte der Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum Linz und stellte fest, dass man jetzt andere Maßnahmen ergreifen müsse. Der Lockdown im Frühjahr habe sich als „extrem wirksame Maßnahme“ erwiesen.

Lamprecht verwies darauf, dass die Intensivbettenkapazität – bei der es, weil sie teuer ist, nur einen „kleinen Spielraum für Spitzenbelastungen“ gebe – nicht beliebig nach Bedarf ausgebaut werden kann. Das dafür nötige qualifizierte Personal sei nicht einfach verfügbar. Und es bestehe auch nicht die Möglichkeit, andere Leistungen zurückzufahren, um genug Platz für die CoV-Patienten zu haben. Denn auf der Intensivstation würden nahezu nur nicht verschiebbare Leistungen erbracht, wie dringende Herzoperationen oder Versorgung nach schweren Verkehrsunfällen. Somit bleibe nur, den Zustrom zu regulieren, indem man den Zuwachs an Coronavirus-Infektionen bremst, konstatierte Lamprecht.