Polizisten vor Notre Dame Kirche in Nizza
AP/Daniel Cole
Nizza

Dritte Festnahme nach Anschlag

Zwei Tage nach dem Messerangriff von Nizza mit drei Toten befinden sich mittlerweile drei Personen in polizeilichem Gewahrsam. Das teilte am Samstag die französische Justiz mit. Der mutmaßliche Täter wurde nach dem Angriff von Polizeikugeln getroffen und befindet sich derzeit in kritischem Zustand im Krankenhaus.

Der erste Verdächtige, 47, wurde am Donnerstag verhaftet, nachdem er am Tag vor dem Vorfall zusammen mit dem Angreifer, einem jungen Tunesier, der gerade in Europa angekommen war, auf Videoüberwachungsmaterial gesehen worden war. Er befand sich am Samstag noch immer in Polizeigewahrsam.

Die zweite Person, 35 Jahre alt, wurde am Freitagabend in Nizza verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen. Ein dritter Mann, offenbar ein Verwandter des 35-Jährigen, war anwesend, als die Polizei dessen Wohnung durchsuchte, da der Verdacht bestand, er sei in der Nacht zuvor mit dem Angreifer in Kontakt gestanden. „Wir versuchen, seine Rolle in all dem zu klären“, hieß es von der Polizei.

Drei Menschen getötet

Bei dem Anschlag am Donnerstag in der Basilika Notre-Dame wurden ein 54-jähriger Mann sowie eine 60-jährige Frau getötet. Eine zweite Frau konnte verletzt in eine Bar flüchten, die 44-jährige Brasilianerin erlag dort aber ihren Verletzungen. Laut der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft trennte der Angreifer dem Mann und der 60-Jährigen die Kehlen durch. Der Täter habe dafür ein 30 Zentimeter langes Messer mit einer 17 Zentimeter langen Klinge benutzt.

Menschen trauern vor der Notre Dame Kirche in Nizza
AP/Daniel Cole
Trauer und Bestürzung sind in ganz Frankreich groß

In seiner Tasche fanden die Ermittler zwei weitere Messer, zwei Handys sowie einen Koran. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angreifer noch viel mehr Menschen töten wollte. Sie ermittelt wegen Mordes im Zusammenhang „mit einer terroristischen Tat“.

Mutmaßlicher Täter reiste von Italien nach Frankreich

Der mutmaßliche Täter war erst vor Kurzem aus Italien nach Frankreich eingereist. Einer mit den Ermittlungen vertrauten Quelle zufolge gehen die Behörden davon aus, dass er nicht länger als 48 Stunden vor dem Anschlag in Nizza eintraf. Einer weiteren Quelle zufolge ist noch unklar, was den 21-Jährigen konkret zur der Tat verleitete.

Der mutmaßliche Täter stammt aus einer kinderreichen Familie in der tunesischen Küstenstadt Sfax. Seine Familie kann kaum glauben, dass er der Täter sein könnte. „Das ist nicht normal“, sagte sein Bruder. Andere Verwandte sagten dagegen, der 21-Jährige habe sich zuletzt zurückgezogen. Die Mutter berichtete: „Er betete, ging zur Arbeit, kam zurück. Mit anderen traf er sich nicht und verließ sonst auch nicht das Haus.“

Angreifer von Polizei angeschossen

Laut Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi rief der Angreifer mehrfach „Allahu Akbar“ (Gott ist groß), bevor ihn die Polizei mit Schüssen verletzte und festnahm. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen war er bis Freitagabend noch nicht wieder bei Bewusstsein. Auch die Behörden in Tunesien eröffneten eine Untersuchung und kündigten an, die französischen Behörden zu unterstützen.

Polizisten in Nizza
Reuters/Charles Platiau
Das Innenministerium erhöhte die Anzahl der Polizistinnen und Polizistinnen im ganzen Land

Laut Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin stand der mutmaßliche Täter „auf keiner unserer Überwachungslisten, weder auf der französischen noch auf der europäischen“. Der Minister wiederholte am Freitag, Frankreich befinde sich „im Krieg mit dem islamistischen Extremismus.“ In Frankreich wurde die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.

Starkes Polizeiaufgebot in Frankreich

Darmanin kündigte zudem an, Tausende zusätzliche Einsatzkräfte auf die Straße zu schicken, um die Sicherheit in Frankreich zu gewährleisten. 3.500 Reservepolizistinnen und -polizisten sollen mobilisiert werden, damit insgesamt 7.000 Sicherheitskräfte den lokalen Behörden zur Verfügung stehen. Insbesondere Schulen und Kirchen sollen besser geschützt werden.

Das französische Außenministerium warnte seine Bürgerinnen und Bürger vor weltweiten Anschlägen. „Die Bedrohung ist überall“, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Freitag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron. Dem Anschlag vorausgegangen waren massive Drohungen und Proteste gegen Frankreich in muslimischen Ländern.

Erst am Donnerstag hatte es der frühere malaysische Regierungschef Mahathir Mohamad als legitim bezeichnet, „Millionen von Franzosen zu töten“. Er begründete das mit französischen „Massakern“ der Kolonialzeit. Auf Druck der französischen Regierung löschte Twitter die Kurzbotschaften Mahathirs.

Paris und Berlin wollen EU-weite Antwort auf Attacken

Indes wollen Darmain und der deutsche Innenminister Horst Seehofer in der Terrorbekämpfung eng zusammenarbeiten. Neben der Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik solle auch darüber beraten werden, „wie wir die uns zur Verfügung stehenden Instrumente künftig besser nutzen können, um terroristische Gräueltaten zu verhindern“.

Personen, die als terroristische oder gewalttätige extremistische Bedrohung eingestuft werden, müssten „mit unermüdlicher Wachsamkeit beobachtet werden“, so die beiden Innenminister. Sie forderten einen zuverlässigen und schnellen Informationsaustausch, wenn diese Personen in andere EU-Staaten reisen oder Verbindungen zu anderen Einzelpersonen oder Netzwerken herstellen. „Dafür brauchen wir ein strenges Registrierungsverfahren an der Grenze und ein effizientes gemeinsames Informationssystem.“

Der Angriff in Nizza folgte auf rigorose Maßnahmen der französischen Regierung nach der brutalen Ermordung des Lehrers Samuel Paty, die im ganzen Land Entsetzen ausgelöst hatte. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Patys Leiche war enthauptet aufgefunden worden.