Illustration eines Apollo-Command-Modules
NASA
USA vs. Sowjetunion

Kalter Krieg in den Weiten des Weltalls

Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion hat auch im All stattgefunden und wurde als Triumph der jeweiligen Technologie inszeniert. Die Sowjetunion brachte den ersten Satelliten, das erste Tier, den Hund Laika, und den ersten Menschen, Juri Gagarin, ins All. Die USA schafften es schließlich als Erste auf den Mond. Doch im Hintergrund tobte eine Schlacht um die Möglichkeiten der Zukunft in Form von Illustrationen und Grafiken. Denn die Zukunft der Menschheit lag, da waren sich beide Großmächte einig, im Weltraum.

Die Bilder von dem schönen neuen Leben im All griffen weit vor und zeigten Projekte, die schließlich so nie verwirklicht wurden. Die gemalten Utopien sollten die Öffentlichkeit für die Eroberung des Weltraums begeistern und für Unterstützung werben. In den USA war die NASA neben dem Weltraumprogramm auch für die breitenwirksame Mobilisierung durch fantastische Bilderwelten verantwortlich.

Auch in der Sowjetunion wollte die Weltraumbehörde Roskosmos – sie wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion unter demselben Namen wieder gegründet – auf die Macht der Bilder und den Reiz der Zukunft im All nicht verzichten. Einerseits ging es der Politik um das Feiern der realen Erfolge des Weltraumprogramms, andererseits um das Nachdenken über und die Gestaltung eines künftigen kommunistisch-paradiesischen Universums. Je nach Zielgruppen waren die Illustrationen mehr oder weniger plakativ und wurden in mehr oder weniger anspruchsvollen populärwissenschaftlichen oder gar wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert.

Technology for the Youth, issue 12, 1955 und Young Technician, issue 7, 1968, Illustration von R. Avotin
The Moscow Design Museum
Cover der Zeitschrift „Technologie für die Jugend“, Ausgabe 12, 1955, Illustrator unbekannt; Titelblatt von „Junger Techniker“, Ausgabe 7, 1968, Illustration von R. Awotin.

Auch Flucht aus dem Sowjetalltag

Die Magazine waren laut dem englischsprachigen Buch „Soviet Space Graphics“ voll von Artikeln, Kommentaren zu neuen sowjetischen Errungenschaften, Litaraturtipps und auch Science-Fiction-Storys. Dadurch wurde allerdings auch eine Flucht aus dem sowjetischen und damit politischen Alltag möglich, ohne dass der politisch-ideologische Auftrag und Inhalt der Zeitschriften aufgegeben wurde. Bis in alle Zukunft sollte es den Sowjetmenschen geben, der auch das All beherrschen werde, so der Tenor.

Buchcover „Soviet Space Graphics“
Phaidon
Detlef Mertins: Soviet Space Graphics. Phaidon, 240 Seiten, 29,95 Euro.

Von Kindern bis zu Erwachsenen, von Interessierten und Hobbyforschen bis zu engagierten Wissenschaftlern und Ingenieuren – alle sollten an dem von der Sowjetunion gestalteten Wunder des Alls und der Erhöhung des Sowjetmenschen teilhaben. Derartig breit war auch die Palette der Illustrationen: von bereits existierenden Sojus-Raketen über die Darstellung von Zukunftsstädten, Kontakte mit Außerirdischen bis zu detaillierten technischen Zeichnungen. Wenn man schon nicht selbst in die „unendlichen Weiten“ reisen konnte, dann konnte man zumindest in Bildern teilhaben – bis hin zu Alternativwelten außerhalb des Sonnensystems, wie es in „Soviet Space Graphics“ heißt.

Der Träger der Botschaft

Und das machten die Illustrationen mehr als jeder Text glaubhaft – die Bilder waren keine Beigabe oder den Texten unterworfen, sondern oft Hauptträger der Botschaft. Die visuellen Elemente der Magazine sollten Optimismus ausstrahlen, Neugierde und Entdeckerlust wecken und dem Leser und der Leserin dass Gefühl des Dabeiseins vermitteln – ein Propagandainstrument also. Diese Magazine sollten auf diese Art und Weise die Staatsideologie verbreiten. Sie hatten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Generationen von Sowjetbürgern und -bürgerinnen, heißt es in dem Buch weiter.

Illustration zeigt Yuri Gagarin
The Moscow Design Museum
Sowjetzeitschrift „Ausblick“, Ausgabe 4, 1976, mit der Illustration "Juri Gagarin: Lasst uns aufbrechen!’ von S. Alimow. Beigelegt war eine Flexidisk mit Tonaufnahmen von Gagarin.

NASA hält dagegen

Weniger von kreativ-fantastischer Science-Fiction geleitet, jedoch ebenfalls sehr von technoidem Heldentum getränkt sind die Grafiken und Illustrationen der US-Weltraumbehörde, wie das Buch „The Art of NASA – The Illustrations That Sold the Missions“ zeigt. Pflichtbewusste Astronauten stellen sich den Untiefen des Weltalls – das Mängelwesen Mensch wird vor den Gefahren der lebensfeindlichen Umgebung und dem sonst erwartbaren Tod durch modernste Technik geschützt.

Buchcover „The Art of NASA“
Motorbooks
Piers Bizony: The Art of NASA. Quarto Publishing Group, 192 Seiten, 39,99 Euro.

Oft erschienen die Grafiken quasi doppelt: So wurden sie bei den Pressekonferenzen für die diversen Missionen der NASA ausgeteilt, da dieselben Künstler und Grafiker auch für die Firmen, die etwa die Raketen bzw. Teile herstellten, arbeiteten.

Transparenz als politisches Programm

Zudem gaben Zeitschriften wie „Life“ und „National Geographic“ Aufträge an die Künstler und Grafiker im Umfeld der NASA. Ab Mitte der 1960er Jahre explodierte die Nachfrage nach derartigen Bildern. Die Presse-, Foto- und Grafikabteilungen der NASA begannen in einem industriellen Maßstab zu produzieren. Der US-Bürger und die US-Bürgerin sollten über jedes Detail und jeden Schritt im Weltraumprogramm und darüber hinaus gut informiert werden, denn in das NASA-Programm flossen riesige Summen an Steuergeldern.

Künstlerische Darstellung eines Space-Shuttle-Starts
NASA
Eine NASA-Illustration von 1973 zeigt den Start eines Spaceshuttle

Teils hatte die Informationsoffensive aber auch mit der politischen Unterstützung zu tun. 1961 hielt der damalige US-Präsident John F. Kennedy seine berühmte Rede, die den Startschuss für das Rennen zum Mond gab. Kennedy stellte dabei das „Ultimatum“, dass innerhalb von zehn Jahren der erste Amerikaner auf dem Erdtrabanten landen sollte. Die ganze Nation sollte daran mitarbeiten. 1969 war es schließlich so weit: Den USA gelang die erste Mondlandung.

Künstlerische Darstellung von verbundenen  Apollo- und Soyuz-Kapseln
NASA
Illustration des Andockens einer US-Apollo-Kapsel an ein sowjetisches Sojus-Raumschiff im Erdorbit (Davis Metzler 1975)

Die Grafiken und Illustrationen sollten auch zeigen, dass die USA anders mit ihrem Raumfahrtprogramm umgingen als das geheime Raketenprogramm der Sowjetunion – nämlich transparent. Die Sowjetunion veröffentlichte fast nur Bilder von den Kosmonauten, die wie für offizielle Porträts lächelten.

Künstlerische Darstellung einer NASA-Raumstation aus den 1970ern
NASA
So stellte man sich 1970 eine aus mehreren Modulen bestehende Basis im Weltall vor

Auch heute setzt die NASA bei ihren Missionen auf Transparenz. Die grafische Gestaltung hat sich jedoch der Zeit und Technologie angepasst. Zeigte man damals quasi Renderings der Missionen, setzt man heute angesichts des ausgelagerten bemannten Weltraumprogramms – Stichwort Shuttle zur ISS – auf wissenschaftlich eingefärbte Darstellungen von Objekten im All wie Galaxien, Sternensystemen und Planeten, wie auch das jüngste Beispiel der unbemannten Erforschung des Mars zeigt.