Joe Biden
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Noch vor Endergebnis

Biden kündigt erste Maßnahmen an

Das Endergebnis der US-Präsidentschaftswahl lässt weiter auf sich warten. Ungeachtet der laufenden Auszählung scheint der demokratische Herausforderer Joe Biden so fest an seinen Sieg zu glauben, dass er Mittwochnacht bereits eine erste Maßnahme als Präsident ankündigte: Er will die Vereinigten Staaten zurück ins Pariser Klimaabkommen führen.

Der Rekord an abgegebenen Briefwahlstimmen beschert den Behörden in einigen US-Bundesstaaten enorme Arbeit. In einigen wahlentscheidenden Staaten werden die Stimmen mit Hochdruck ausgezählt, darunter Pennsylvania, Georgia, Arizona und Nevada. Dank der Briefwahlstimmen liegt Biden in einigen dieser Staaten vor Trump bzw. kann auf ein Mehr an Stimmen hoffen – gelaufen ist das Rennen aber noch nicht.

Dennoch schlug Biden erste politische Pflöcke ein. Nach seinem Amtsantritt am 20. Jänner werde er die Vereinigten Staaten zurück ins Pariser Klimaabkommen führen, twitterte Biden in der Nacht. Stunden zuvor waren die USA noch offiziell aus dem Vertrag ausgetreten.

„Heute hat die Trump-Regierung offiziell das Pariser Klimaabkommen verlassen. Und in genau 77 Tagen wird eine Biden-Regierung ihm wieder beitreten“, schrieb Biden am Mittwochabend (Ortszeit) auf Twitter mit Blick auf den 20. Jänner, an dem der künftige US-Präsident sein Amt antritt. Der amtierende Präsident Donald Trump hatte mit dem Austritt ein Wahlkampfversprechen aus dem Jahr 2016 erfüllt. Verkündet hatte er den Austritt bereits im Mai 2017, wegen der im Vertrag vorgesehenen Fristen dauerte es bis zum 4. November 2020, dass der Austritt formalisiert wurde.

Offene Rennen

Biden selbst sah sich am Mittwoch vor Trump. „Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens, ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen“, sagte er in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware.

Die umkämpften Bundesstaaten Michigan und Wisconsin konnte Biden für sich entscheiden. Offen ist das Rennen noch in Arizona, Pennsylvania, North Carolina, Georgia und Nevada. In Pennsylvania und Georgia führte zunächst Trump, Biden holte aber auf, je mehr Briefwahlstimmen ausgezählt wurden. In Nevada, das sechs Stimmen von Wahlleuten bringt, hielt Biden Mittwochnacht eine knappe Führung.

Bei den absoluten Stimmen übertraf Biden indes den bisherigen Höchstwert, den der Demokrat Barack Obama bei der Wahl 2008 aufgestellt hatte. Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur AP, der „New York Times“ und weiterer Medien kam Obamas ehemaliger Vizepräsident auf mehr als 70 Millionen Stimmen. Für Obama hatten bei seiner ersten Wahl 2008 rund 69,5 Millionen Amerikaner gestimmt.

Briefwahl nutzt Demokraten

Anhänger der Demokraten neigten inmitten der CoV-Pandemie eher dazu, ihre Stimmzettel per Post zu verschicken als die Republikaner. Da es bei der US-Post Verzögerungen gab, sollen in Pennsylvania noch Briefwahlstimmen gezählt werden, die bis Freitagnachmittag ankommen. Trump und die Republikaner ziehen erneut dagegen vor Gericht. Vor der Wahl hatte das oberste Gericht der USA die Regelung zwar zugelassen. Drei Konservative unter den insgesamt neun Richtern zeigten sich aber offen dafür, das Thema nach der Wahl noch einmal aufzugreifen.

Trump klagte auch in anderen Bundesstaaten. In Michigan will Trump die Auszählung aussetzen lassen, bis seine Beobachter näher an die auswertenden Mitarbeiter heran dürfen – bisher sind 99 Prozent aller Stimmen ausgezählt. In Wisconsin verlangt Trump eine Neuauszählung angesichts eines knappen Rennens.

Flugverbotszone als möglicher Vorbote

Biden betonte, dass er den Sieg noch nicht offiziell für sich reklamieren wolle. Doch wenn die Auszählung beendet sei, „glauben wir, dass wir die Gewinner sein werden“. Er sagte, dass Amerika die tiefe Spaltung überwinden müsse. „Um Fortschritte zu machen, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln“, sagte Biden: „Wir sind keine Feinde.“

Vorbote für einen möglichen Wahlsieg Bidens könnte indes eine Maßnahme der US-Luftstreitkräfte und der US-Luftsicherheitsbehörde (FAA) sein. Sie haben eine temporäre Flugverbotszone über Bidens Heimatstadt Wilmington im Bundesstaat Delaware eingerichtet. Laut Elizabeth Neumann, einer ehemaligen hochrangigen Beamtin im US-Heimatschutzministerium, folgen sie damit dem Protokoll zum Schutz des gewählten Präsidenten – was darauf hindeutet, dass Militär und FAA mit einem Sieg Bidens rechnen.

Präsident schimpft über Stimmauszählung

Trump dagegen blieb der Öffentlichkeit bisher fern. Im Laufe des Tages setzte er allerdings mehrere Tweets ab, in denen er über die Stimmauszählung schimpfte. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen „auf magische Weise verschwunden“, schrieb er etwa. Im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde „hart daran gearbeitet“, schnell eine halbe Million Stimmen „verschwinden zu lassen“, schrieb er an anderer Stelle. Twitter versah mehrere Nachrichten mit Warnhinweisen wegen „möglicherweise irreführender“ Aussagen. Biden bekräftigte: „Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist.“

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel an der Rechtmäßigkeit geschürt – obwohl die Abstimmung per Post eine etablierte Form der Stimmabgabe ist. Er warnte ohne Beleg vor Fälschungen. Hinweise auf nennenswerten Wahlbetrug gab es nicht. In Georgia zog Trump am Mittwoch vor Gericht, weil laut einem seiner Beobachter unrechtmäßig 53 zu spät per Post eingetroffene Stimmzettel berücksichtigt worden seien. In Georgia ist der Unterschied zwischen beiden Kandidaten inzwischen auf ein Minimum geschmolzen – Biden konnte hier etwas aufholen.

Trump trotzt den Umfragen

Trump schnitt bei der Wahl insgesamt deutlich besser ab als nach Umfragen erwartet. Der drei Jahre ältere Biden verfehlte den von den Demokraten erhofften klaren Sieg und musste sich unter anderem in Florida und Texas dem republikanischen Präsidenten geschlagen geben. Vor der Wahl hatte das Statistikportal FiveThirtyEight nur eine Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.

Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen gehen mit Ausnahme der beiden Staaten Nebraska und Maine vollständig an den Sieger in dem jeweiligen Bundesstaat. Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen nötig. 2016 hatte Trump zwar landesweit weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton geholt, aber mehr Wahlleute für sich gewonnen.