Grafik zeigt 7-Tage-Inzidenz unterschiedlicher Bundesländer
ORF.at
Neuinfektionen

Deutliche Unterschiede in Bundesländern

Die Zahl der registrierten Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Österreich ist weiter zu hoch. Recht deutlich sind allerdings die Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während im Oktober – hochgerechnet auf die Einwohnerzahl – die höchsten Zuwächse in Vorarlberg, Tirol und Salzburg zu verzeichnen waren, erlebt mittlerweile Oberösterreich relativ gesehen die höchsten Zuwächse. Indes wird weiter über neue Maßnahmen spekuliert – vor allem für Schulen.

Acht Tage in Folge wurden aus Oberösterreich zuletzt mehr als 1.000 registrierte Neuinfektionen pro Tag gemeldet, am Samstag sogar mehr als 2.000. Ab Dienstag werden Besuche in Alters- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern stark eingeschränkt, zudem kündigte das Land an, seine Teststrategie zu ändern: Kontaktpersonen der Kategorie 1 sollen nur noch getestet werden, wenn sie Symptome haben – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Aussagekräftiger als die tägliche Fallzahl ist allerdings die Anzahl der positiv diagnostizierten Fälle über die vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Diese 7-Tage-Inzidenz liegt in Oberösterreich mittlerweile laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bei 730 (Stand: Montag 14.00 Uhr). Das Land hat damit Vorarlberg (715) von der Spitze abgelöst. Tirol weist einen Wert von 642 auf, Salzburg liegt bei 588. Deutliche Zuwächse gab es zuletzt auch im Burgenland (449), in der Steiermark (447) und in Kärnten (362).

Wien unter 300

Österreichweit liegt der Wert derzeit bei 474. Noch wäre es viel zu früh, von einer Trendwende zu sprechen, aber immerhin schwächte sich das Wachstum zuletzt leicht ab – sowohl bundesweit also auch in einigen Bundesländern. Am deutlichsten ist diese Entwicklung in Wien, wo die 7-Tage-Inzidenz nun mehrere Tage stabil blieb und sogar leicht fiel. Bei einem aktuellen Wert von 267 ist Wien auch das einzige Bundesland, das unter 300 liegt.

Wie hoch die Werte sind, zeigt ein Vergleich zu Deutschland: Dort wurde als Ziel genannt, die 7-Tage-Inzidenz auf unter 50 zu senken. Bei der bayrischen Coronavirus-Ampel gilt der Wert 50 in einer Region als Faktor für die Farbe Rot, nachträglich wurde „Dunkelrot“ für einen Wert ab 100 eingeführt.

Spekulationen über verschärfte Maßnahmen

Angesichts des bisher weitgehend ausbleibenden Effekts des Teil-Lockdowns wird darüber spekuliert, ob die Maßnahmen demnächst noch verschärft werden. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte am Sonntag damit gedroht, sollten die täglichen Neuinfektionen nicht zurückgehen und die Zahl der Covid-19-Patienten mit intensivmedizinischem Betreuungsbedarf weiter steigen.

Unklar ist, welche Maßnahmen verschärft werden. Im Mittelpunkt der Debatte stehen seit einigen Tagen wieder Schulen, bei denen bisher nur die Oberstufen ins Distance-Learning geschickt wurden. Dem Vernehmen nach wollte die ÖVP, allen voran Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), schon mit dem Beginn des Teil-Lockdowns alle Schulen schließen, ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, Anschober und einige Bundesländer appellierten dafür, diese offen zu halten.

„Gegen Bildungslockdown“

An dieser Front scheint sich zuletzt auch wenig geändert zu haben: Die oberösterreichische Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer plädierte im Ö1-Mittagsjorunal, die Schulen auf jeden Fall geöffnet zu halten. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach sich gegenüber der „Kronen Zeitung“ „entschieden“ gegen einen „neuerlichen Bildungslockdown“ aus, ähnlich äußerte sich dort Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die Bildungsrefenten der Länder pochten ebenfalls auf offene Pflichtschulen.

Auch bei einem Gespräch von Anschober mit Vertretern der Parlamentsparteien am Montag waren Schulen eines der großen Themen. Die Opposition vermisste jedenfalls konkrete Kriterien für getroffene oder zukünftige Maßnahmen.

Entscheidung am Donnerstag?

Eine Entscheidung dazu könnte am Donnerstag in der Coronavirus-Ampelkommission fallen, wo man sich schon zu Beginn der Maßnahmen dazu entschieden hat, nach zwei Wochen die Auswirkungen einer Prüfung zu unterziehen und auch insbesondere die Schulfrage neu zu bewerten. Beobachter gehen davon aus, dass der Regierung, wenn es zu schärferen Maßnahmen kommen soll, wenige Handlungsmöglichkeiten für „große“ Schritte bleiben. Schulschließungen gelten daher als fast logischer Schritt, auch wenn wissenschaftlich zumindest umstritten ist, was sie epidemiologisch bringen. Forscher des Complexity Science Hub Vienna (CSH) hatte bei einer Metastudie im Juli sehr wohl eine Wirkung bestätigt, vor allem aber, weil Eltern damit auch zu Hause bleiben müssen.

In den meisten Studien hatte sich in den vergangenen Monaten herausgestellt, dass Kinder bis zehn Jahren zwar ebenfalls eine hohe Viruslast aufweisen, bei der Verbreitung aber eine eher untergeordnete Rolle spielen. Weniger klar scheint die Rolle der Zehn – bis 14-Jährigen, auch hier deuten Studien an, dass ihre Bedeutung für die Verbreitung des Virus deutlich geringer ist als bei ab 15-Jährigen. Wien vermeldete am Wochenende, dass der Anteil der Kinder am Infektionsgeschehen laut den vorliegenden Daten gesunken sei – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ähnlich wie Österreich haben auch fast alle anderen europäischen Ländern im Zuge der verschärften Maßnahmen die Schulen – zumindest für unter 14-Jährige – offen gelassen. Nur Tschechien, Slowenien und Polen schlossen alle Schulen.

Appell zur Schulschließung sorgt für Aufsehen

Genau das forderten vier heimische Wissenschaftler rund um das Wolfgang Pauli Institut in Wien – ein Mathematiker, ein Informatiker und zwei Physiker – in einer Aussendung und sorgten damit für einiges Aufsehen. Studien, die „beweisen wollen“, dass Schulen keine „Treiber von respiratorischen Viren" seien, seien „methodisch falsch bzw. überholt“, heißt es darin, allerdings ohne weitere Erläuterungen – mehr dazu in science.ORF.at.

Aufgelistet werden Links auf eine Studie aus Israel und eine aus Indien sowie auf die Beschreibung eines Cluster-Falls in Polen und auf eine Antikörpertest-Studie in Bayern. Aus dem Wolfgang Pauli Institut waren schon im Frühjahr Rufe nach harten Maßnahmen gekommen. Gleichzeitig war aus der wissenschaftlichen Community zu hören, dass es Meinungsverschiedenheiten unter Mathematikern bei Berechnungen zu den „Modellierungen“ des Pandemieverlaufs gebe.

WIFO: Schulschließungen ziehen hohe Kosten nach sich

Ebenfalls zum Thema veröffentlichte das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) am Montag einen „Research Brief“: Schulschließungen ziehen aus ökonomischer Sicht „hohe individuelle und gesellschaftliche Kosten nach sich“, heißt es darin. Diese Kosten könnten sowohl direkt über Einkommenseinbußen entstehen oder indirekt etwa über steigende Gesundheitskosten wegen fehlender Bewegung, psychischer Belastung etc. Besonders betroffen dürften jüngere Kinder sein, die noch umfassende Unterstützung beim „Erlernen von Lernen“ benötigen. Die Autorinnen Julia Bock-Schappelwein und Ulrike Famira-Mühlberger vom WIFO fassten einerseits Studien zu historischen Beispielen zusammen, analysierten aber auch die aktuelle Lage in Österreich.

„Unmittelbare Effekte auf Arbeitsangebot negativ“

Folgen haben Schulschließungen aber auch auf das Arbeitsangebot der Eltern: In Österreich haben rund 31 Prozent der Beschäftigten Kinder unter 15 Jahren in ihrem Haushalt und rund 25 Prozent keine potenzielle Betreuungsperson, also keine erwachsene Person ohne Beschäftigung, im gleichen Haushalt. Insgesamt 12,5 Prozent der Beschäftigten kommt im Falle von Schul- oder Kindergartenschließungen eine Versorgungsverpflichtung gegenüber Kindern zu, wobei von diesen Personen neun Prozent aller Arbeitsstunden in Österreich geleistet werden. „Auch wenn diese betroffenen Personen kreative Wege des Verbindens von Beschäftigung außer Haus bzw. Homeoffice und Homeschooling finden, sind die unmittelbaren Effekte auf das Arbeitsangebot negativ“, heißt es in der Untersuchung.