Eine gezeichnete Karikatur von Michael Pammesberger.
Michael Pammesberger
Michael Pammesberger

Mit spitzer Feder durchs Ausnahmejahr

Jährlich veröffentlicht „Kurier“-Karikaturist Michael Pammesberger einen Band mit ausgewählten Arbeiten. Der Jahrgang 2020 beschäftigt sich vornehmlich mit dem weltweiten Thema des Jahres und ist entsprechend mit „Coronabedingt“ betitelt. Lustvoll legt der Karikaturist darin politische und lebensweltliche Unstimmigkeiten offen.

Die Anordnung des Jahresrückblicks führt die Wirren des „pandemischen“ Jahres 2020 nachdrücklich vor Augen. Pammesberger hat in seine Auswahl „bewusst die alte Normalität“ integriert, wie er ORF.at erzählt. Allzu deutlich sieht man, „wie Corona über uns hereingebrochen ist“.

Dabei hat das Jahr für den politischen Karikaturisten sehr vielversprechend begonnen: Die neue Konstellation in der Bundespolitik übt auf Pammesberger einen großen Reiz aus, wie er sagt. Ihr sind mit Sujets zur Koalitionsverhandlung und den Machtkämpfen zwischen der ÖVP und den Grünen etliche Zeichnungen gewidmet. Im Feld der Politik liegt er seit 1997 für den Kurier „auf der Lauer“, wie er es nennt.

Karikaturist Pammesberger im ORF-Interview

Michael Pammesberger zeichnet und spricht über die Funktion von Humor und Satire in der Coronavirus-Krise.

Ein Stück des Weges gemeinsam gehen

Gerne übersetzt Pammesberger die kleinen und großen Ungereimtheiten der türkis-grünen Annäherung in Bildsatire, sei es, wenn Vizekanzler Werner Kogler gar zu rasch von seiner Einschätzung der „türkischen Schnöseltruppe“ zum Verehrer seines Gegenübers Sebastian Kurz mutiert, oder der Bundeskanzler den Koalitionspartner einlädt, „ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen“, woraufhin Kogler im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen verliert.

Karikatur von Michael Pammesberger
Michael Pammesberger
Eine Koalition mit ungleichen Voraussetzungen – zumindest aus Pammesbergers Sicht

Wie schnell und anhaltend sich das Thema der Coronaviruskrise in unseren gesellschaftlichen Alltag eingenistet hat, zeigt sich in rund zwei Dritteln der Arbeiten im Band. Wie sehr seine tägliche Arbeit vom ersten Lockdown im Frühjahr und jetzt vom Teil-Lockdown betroffen war und ist? Es habe ihn natürlich beschäftigt, sagt Pammesberger, aber lange „nicht so betroffen wie die Kollegen im Kabarett“.

Buchcover
Ueberreuter
Michael Pammesberger: Coronabedingt, Ueberreuter, 148 Seiten, 22,00 Euro.

„Gemeinsames Erleben“

Pammesbergers Kunst, die Karikatur, sei eben „die keimfreie, hygienische Variante“ der politischen Satire. Bei ihm blieb die Arbeitsweise im Ausnahmejahr grundsätzlich gleich: viel Nachrichtenlektüre und Durcharbeiten der Geschehnisse, bevor er sie aufs weiße Blatt bannt, das er als seine „Bühne“ bezeichnet.

Entscheidend ist für ihn, wie wir als Gesellschaft mit dem „gemeinsamen Erleben“ der Pandemie zurande kommen. Der Umgang mit der Krise sei eben nicht nur die Aufgabe der Politik, sondern werfe die Frage auf, wie wir kollektiv „mit diesem Umstand mehr oder weniger gut umgehen“, so Pammesberger. Bei den weniger gut gelungenen Bewältigungsversuchen hält er dem Volk seinen Spiegel vor. Wer sich etwa mit Pammesbergers Karikaturen an den dicht gedrängten Badespaß an so manchem heimischen See im Sommer zurückerinnert, wird ein wenig über sich selbst den Kopf schütteln – oder schmunzeln.

Karikatur von Michael Pammesberger
Michael Pammesberger
Kein Abstand im sommerlichen Seebad

Idee entsteht im Zeichnen

Gezeigt habe uns die Pandemie einiges über uns selbst, denn „kaum zwei Menschen haben dieselbe Meinung zum Virus“. Zuerst kauften alle wie wild Klopapier, dann kam eine lange Phase der Diskussion über Masken, Lockerungen, erneutes soziales Leben, dann wieder Einschränkungen. Irgendwo im Hintergrund begannen Verschwörungstheorien zu sprießen, es gebe eine Menge Leute, die auf der Straße „herausschreien, wie blöd sie sind“.

Wie er das alles in jeweils eine Bildidee verdichtet? Manchmal, so sagt er, kommt die Idee, wie die tägliche Karikatur aussehen soll, am Abend in der Badewanne. Oft entstehe sie erst im Zeichnen selbst: „Bildhaftes Denken entsteht im Bild, das macht die Karikaturen aus“, bringt es Pammesberger auf eine Formel.

Der Jahresrückblick, das ist dem Karikaturisten wichtig, soll jeweils sehr aktuell enden. Diesmal reicht er bis weit in den Oktober hinein. Die Wien-Wahl und Bürgermeister Michael Ludwigs breite Koalitionsoptionen sind, gemeinsam mit der Registrierungspflicht in der Gastronomie, die letzten Sujets in „Coronabedingt“.

„Präziser Geschichtenerzähler“

Pammesbergers Blick ist, bei aller Zuspitzung, heiter und versöhnlich. Das sieht auch einer so, der es wissen muss. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat das Vorwort für den Band verfasst. „Wenn du als Betroffener vom Michael Pammesberger auf die Schaufel, besser: auf die Feder genommen wirst, dann ist das nicht verletzend, sondern witzig“, schreibt Anschober. Pammesberger sei ein präziser Geschichtenerzähler, „der unsere Innenpolitik und viel mehr nacherzählt und auf den Punkt bringt“.

Karikatur von Michael Pammesberger
Michael Pammesberger
Mit dem Virus leben – aber wie?

Nicht nur als Gesundheitsminister fühlt man sich von Pammesberger getroffen, allerdings ist man als Normalbürger vor gravierenderen Provokationen gefeit. Die beherrscht Pammesberger gekonnt, sogar dann noch, wenn er sich für ein Vorwort bedankt: „Rudi Anschober hat ein Vorwort für mein Buch geschrieben! Hurra! (Hoffentlich hebt es der Verfassungsgerichtshof nicht auf!)“