EU-Ratspräsident Charles Michel und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Hans Punz
Michel und Kurz

Ruf nach akkordierter Politik gegen Terror

Angesichts des Terroranschlags hat EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag Wien einen Kondolenzbesuch abgestattet. Dabei berieten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Michel auch über europäische Maßnahmen gegen islamistischen Terrorismus. Beide forderten ein akkordiertes Vorgehen in Europa – etwa bei Kriegsrückkehrern, im Bereich der Radikalisierung und beim Schutz der Außengrenzen.

Kurz nannte drei Bereiche, allen voran den Umgang mit Kriegsrückkehrern („foreign terrorist fighters“) – also Menschen, die beispielsweise aus Syrien oder dem Irak aufseiten von Dschihadisten gekämpft hätten und zurückgekehrt seien oder versucht hätten, dorthin zu reisen. Sie seien „tickende Zeitbomben“, bei denen es ein „robusteres Vorgehen“ brauche. Auch der Attentäter von Wien war verurteilt worden, weil er versuchte hatte, sich aufseiten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) den Kämpfen in Syrien anzuschließen. Er wurde aber in der Türkei abgefangen.

Weiters brauche es ein gemeinsames Vorgehen gegen den „politischen Islam“ und Radikalisierung, etwa durch Hassprediger. Als dritten Punkt nannte Kurz den Schutz der Außengrenzen: „Nur wenn wir die Kontrolle haben, wer einreisen kann und wer nicht, werden wir Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums gewährleisten können“.

Michel fordert europäisches Institut für Imame

Kurz verwies darauf, dass es in vielen europäischen Ländern ähnliche oder noch dramatischere Anschläge gegeben hatte – etwa in Belgien, wo Michel während des verheerenden Terroranschlages auf den Flughafen und eine U-Bahn in Brüssel als Premierminister amtiert hatte. Michel nannte Terroranschläge "eine grundlegende und schwere Bedrohung unserer europäischen Werte. Man müsse „resolut reagieren“.

EU-Ratspräsident Charles Michel und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zünden Kerzen an
Reuters/Leonhard Foeger
Michel und Kurz bei einer der Gedenkstellen in der Inneren Stadt

Michel schlug unter anderem die Schaffung eines europäischen Instituts für die Ausbildung von Imamen vor. Diese könnten dann Werte wie „Offenheit und Toleranz weitergeben“. Weiters verwies er darauf, dass die Finanzierung von islamistischen Organisationen aus dem Ausland unterbunden werden müsse. Weiters brauche es eine bessere Handhabe bei Onlineplattformen und der Entfernung extremistischer Inhalte und Hassbotschaften.

Einig war man sich weiters, dass die Sicherheitsbehörden Informationen flüssig austauschen müssten. In diesem Zusammenhang ging Kurz auf Rückfrage nicht auf die Verständigungsprobleme zwischen deutschen und slowakischen Behörden im Fall Wien ein. Grundsätzlich müsse man „vor der Tat beginnen“. Das gelte auch für Menschen, die in Europa geboren seien und bei denen oft ein schneller Radikalisierungsprozess einsetze.

Radikalisierung auf europäischem Boden

Hier wies Michel darauf hin, dass auch bei dem Anschlag in Brüssel junge Leute beteiligt gewesen seien, die in Europa aufgewachsen und radikalisiert worden seien. Das sei auch eine Frage der „Schulbildung“, etwa des Wissens um „Bürgerrechte“, das vermittelt werden müsse. Er führte zudem große Probleme mit der Radikalisierung in Gefängnissen ins Feld.

Kondolenzbesuch des EU-Ratspräsidenten

EU-Ratspräsident Charles Michel kam am Montag nach Wien, um der Opfer des Terrorattentats von letzter Woche zu gedenken. Ursprünglich wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Wien kommen. Wegen der Coronavirus-Pandemie wurde der Besuch aber verschoben.

Kurz ergänzte, dass „immer ein Täter im Hintergrund“ existiere, beispielsweise Prediger, Personen im privaten Umfeld oder im Internet. Laut Michel müsse man die Probleme an der Wurzel packen: Es gebe nicht „eine magische Lösung, sondern eine Reihe von Maßnahmen“.

Kurz wird am Dienstag in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron das Thema weiter erörtern. Zudem ist eine gemeinsame Videokonferenz mit Ratspräsident Michel, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel geplant.

Raab verweist auf Dokumentationsstelle

Bereits zuvor hatte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) bei einem informellen Austausch der EU-Integrationsminister für ein entschlosseneres Vorgehen auf EU-Ebene gegen extremistische Kräfte plädiert. „Gerade vor dem Hintergrund des Terrorattentats in Wien und steigender Radikalisierungstendenzen in ganz Europa bedarf es auf europäischer Ebene einer verstärkten Zusammenarbeit und eines Schulterschlusses gegen Radikalisierung und den politischen Islam“, so Raab heute in einer Aussendung.

„Eine Ablehnung unseres gemeinsamen europäischen Wertefundaments kann im schlimmsten Fall zu Radikalisierung führen“, sagte Raab. Mit der gleichnamigen Dokumentationsstelle sei Österreich ein Vorreiter im Kampf gegen den politischen Islam. Erstmals gebe es „eine Stelle, die sich unabhängig und wissenschaftlich mit dieser gefährlichen Ideologie auseinandersetzt und Vereine und Netzwerke analysieren und aufdecken wird“. Die finanziellen Mittel für die Dokumentationsstelle Politischer Islam würden im kommenden Jahr mehr als verdoppelt.