US-Präsident Donald Trump streckt eine Hand aus
Reuters/Carlos Barria
Republikaner

Niederlage zeigt Trumps Macht über Partei

Joe Biden ist der künftige US-Präsident, Klagen des Verlierers und amtierenden US-Präsidenten Donald Trump gelten generell als kaum aussichtsreich – doch die Republikaner stellen sich nach tagelangem Zögern nun immer klarer hinter Trump. Das könnte zahlreiche, langandauernde Folgen für die Partei und das gesamte Land haben.

Vor allem die Unterstützung durch den Senatsführer Mitch McConnell und der ungewöhnliche Schritt von Justizminister William Barr, behauptete Unregelmäßigkeiten bei der Wahl von Bundesstaatsanwälten prüfen zu lassen, senden ein klares Signal an die gesamte Partei: Diese soll weiter treu zu Trump und dessen Weigerung, die eigene Niederlage anzuerkennen, stehen.

Dabei hatten die Parteispitzen – nach Bidens Ausrufung durch die TV-Sender zum Sieger (das offizielle Endergebnis gibt es erst nach Beilegung aller Einsprüche durch Trump, Annm.) lange zugewartet mit einer Reaktion. Möglicherweise hatten sie gehofft, Trump werde, wie es Tradition ist, Biden anrufen, und ihm zum Sieg gratulieren.

Biden startet „Transition“ auf eigene Faust

Das verweigert Trump freilich. Und während Biden nun versucht, sich auf die Machtübernahme vorzubereiten, wird dieser traditionelle Schritt, der gesetzlich geregelt ist, von Trumps Regierung behindert. Die zuständige Behörde verweigert bisher, wohl in Abstimmung mit dem Weißen Haus, Biden das formal nötige Schreiben, das ihn als „president-elect“ („Gewählter Präsident“) anerkennt. Damit soll ein auch nur indirektes Eingeständnis der Niederlage durch die Regierung vermieden werden.

Nur damit erlangt Biden aber die dem „president-elect“ zustehenden Finanzmittel für Personal und Zugang zu Räumlichkeiten in den Ministerien, um einen möglichst glatten Übergang zu gewährleisten. Damit muss Biden die „Transition“ vorerst auf eigene Faust und mit eigenen Mitteln bestreiten.

US-Justizminister William Barr und Donald Trump
APA/AFP/Mandel Ngan
Barr ist ein enger Alliierter Trumps

Barr gibt Weg für Ermittlungen frei

Justizminister Barr erteilte Medienberichten zufolge unterdessen Staatsanwälten die Erlaubnis, Vorwürfe des Wahlbetrugs – anders als normal üblich – noch vor Bekanntgabe der Endergebnisse zu untersuchen.

Solche Verfahren dürften aufgenommen werden, wenn es „klare und offenbar glaubwürdige Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten“ gebe, die den Wahlausgang in einem Bundesstaat beeinflusst haben könnten, hieß es in dem Schreiben des Ministers an Staatsanwälte. Das ist allerdings Zuständigkeitsbereich der Bundesstaaten. Erst nach Vorliegen der offiziellen Ergebnisse in einem Bundesstaat kann das Justizministerium weitere Untersuchungen veranlassen. Die Bundesstaaten müssen ihre beglaubigten Endergebnisse bis spätestens 8. Dezember nach Washington gemeldet haben.

Aus Protest gegen die Anweisung Barrs trat ein hochrangiger Mitarbeiter im Justizministerium zurück. Richard Pilger, der für solche Untersuchungen verantwortlich gewesen wäre, sagte in einem E-Mail an Mitarbeiter, wegen der angeordneten Vorgehensweise und ihren Folgen „muss ich leider von meiner Funktion zurücktreten“.

McConnell: Trump kann Rechtsweg ausschöpfen

„Präsident Trump hat hundertprozentig das Recht, Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und seine rechtlichen Optionen zu prüfen“, sprang seinerseits der einflussreiche Mehrheitsführer der US-Republikaner im Senat, McConnell, Trump zur Seite. Dabei hatte es montags noch so ausgesehen, als könnten die Republikaner nun den in einer Demokratie ebenso üblichen wie wichtigen Schritt machen, den Sieg der Gegenseite anzuerkennen: Ex-Präsident George W. Bush hatte in einer Erklärung Biden zum Sieg gratuliert.

Bushs Stellungnahme wurde schon im Vorfeld vielfach als möglicher Wendepunkt, ab dem die Republikaner beginnen könnten, ihr Verhältnis zu Trump neu zu ordnen und sich von seinen bisher völlig substanzlosen Behauptungen von Wahlbetrug zu distanzieren. Umso bemerkenswerter ist es, dass McConnell diese Möglichkeit nicht ergriff.

Aufregung um Rede von Trump-Pressesprecherin

Die Pressesprecherin von Noch-US-Präsident Donald Trump sprach erneut von massivem Wahlbetrug – ohne Beweise zu liefern. Das war selbst dem Trump-freundlichen TV-Sender Fox News zu viel und er brach die Liveübertragung ab.

Dankbarkeit und Angst

Über die Motive der Republikanischen Partei kann nur gemutmaßt werden. Es mag einerseits eine Art von Dankbarkeit sein. Dankbarkeit dafür, dass der Milliardär (und frühere Demokrat, Anm.) Trump vier Jahre lang sehr erfolgreich als eine Art Trägerrakete für republikanische Vorhaben agierte: Die Nominierung konservativer Richter auf allen Ebenen, eine tendenziell isolationistische Wirtschafts- und Außenpolitik, eine Steuerreform, die die Reichen bevorzugte, die zahlreichen Versuche, Obamacare abzuschaffen oder zumindest teilweise auszuhebeln. Dazu kamen die harte Immigrationspolitik und das weitgehende Zurückdrehen von Klima- und Umweltschutzregeln.

Ebenso wichtig dürfte aber die Angst republikanischer Amtsinhaber und Mandatare vor Wut und Rache Trumps sein: 2022 oder spätestens 2024 müssen sie sich der Wiederwahl stellen und wenn sie Trump nicht die Stange halten, fürchten wohl viele, dass Trump via Twitter seine Anhängerschaft gegen sie mobilisiert. Diesbezüglich gab es von Trumps Söhnen bereits am Wochenende recht eindeutige Drohungen.

Und Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany legte am Montag nach und unterstellte den Demokraten in einer Pressekonferenz, dass diese Betrug gutheißen würden. Der TV-Sender Fox News, der in den vergangenen Jahren auf der Seite des Präsidenten stand, beendete daraufhin seine Liveübertragung mit der Begründung, die Vorwürfe seien nicht belegt.

Joe Biden in der Videokonferenz mit seinem „Transition“-Team
Reuters/Jonathan Ernst
Biden inszeniert sich seinerseits bereits wie der nächste Präsident

Abkühlende Kompromisse

Ob die Republikaner sich mit ihrer Haltung selbst einen Dienst erweisen, zeigt sich spätestens bei den Midterm-Wahlen 2022. Das Land ist tief gespalten, bei Trumps Anhängerschaft können sie damit sicher punkten. Das politische Klima würde es allerdings weiter aufheizen. Dabei wäre eine gewisse Abkühlung nach vier Jahren Trump eher angesagt. Beide Seiten, Demokraten wie Republikaner, müssen zum Wohl des Landes wieder mehr kooperieren und Kompromisse finden. Das legt schließlich auch das – in einzelnen Bundesstaaten knappe – Wahlergebnis nahe.