Bundeskanzler Sebastian Kurz und Frankreichs Staatschef Emanuel Macron
APA/Georg Hochmuth
Anti-Terror-Kampf

„Schutz der Außengrenze“ der EU im Fokus

Nach den Anschlägen in Wien und Nizza hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über ein gemeinsames Vorgehen gegen den islamistischen Terrorismus beraten. Einigkeit bestand darüber, dass der „Schutz“ der Schengen-Außengrenzen verstärkt werden müsse. Kurz forderte zudem Freiheitsbeschränkungen für aus dem Ausland zurückgekehrte radikale Islamisten.

Nach einem Gespräch der beiden Regierungschefs im Elysee-Palast waren per Videokonferenz die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel zugeschaltet. Letzterer hatte nach dem Anschlag vor gut einer Woche am Vortag Wien besucht. Kurz war am Dienstag nach Paris gereist.

„Ich glaube ganz fest an die Europäische Freizügigkeit, aber angesichts der Bedrohungen werden wir die Freiheit nur aufrechterhalten können, wenn wir die Außengrenzen schützen“, so Macron in der gemeinsamen Pressekonferenz. „Wir können nicht darauf verzichten zu wissen, wer die EU betritt und verlässt“, sagte Kurz. Hier brauche es neben regulären Grenzkontrollen eine bessere Kooperation von Geheimdiensten und Sicherheitskräften wie Europol oder der Grenzschutzagentur Frontex.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sprechen  via Videokonferenz auf Screens mit  Charles Michel, An gela Merkel und Ursula von der Leyen
AP/Olivier Hoslet
Kurz bei Macron im Elysee-Palast – per Video zugeschaltet waren Rutte, Merkel, von der Leyen und Michel (v. l. n. r.)

Es gehe vor allem „um den Schutz der Außengrenze“ der Europäischen Union, betonte auch die deutsche Kanzlerin Merkel. Bürgerinnen und Bürger im Schengen-Raum müssten sich allerdings vorerst „nicht auf mehr Kontrollen einstellen“, präzisierte Merkel, deren Land bis Jahresende den rotierenden EU-Ratsvorsitz innehat.

Macron fordert „Neuordnung des Schengen-Raums“

Macron sprach von einem „Missbrauch“ des europäischen Asylrechts, mit dem sich Gefährder Zugang zur EU verschafften. Zugleich wiederholte der französische Staatschef seine Forderung nach einer „Neuordnung des Schengen-Raums“, der derzeit wegen zu laxer Kontrollen „kein Raum der Sicherheit“ sei. Der mutmaßliche Attentäter aus Tunesien, der vor knapp zwei Wochen in einer Kirche in Nizza drei Menschen getötet hatte, war ungehindert über Italien nach Frankreich eingereist.

Von der Leyen sagte, es müssten vor allem „Lücken im Schengener Informationssystem“ (SIS) beseitigt werden. Derzeit würden beim Eintritt in die EU „nur 80 Prozent aller Passagiere tatsächlich systematisch kontrolliert“.

Dabei gehe es um einfache Maßnahmen wie das Durchziehen eines Passes durch ein Lesegerät, unterstrich sie. Zugleich verwies von der Leyen auf „eine neue Schengen-Strategie“, welche die EU-Kommission im kommenden Mai vorlegen will. Damit werde unter anderem Europol mehr Zuständigkeiten erhalten.

Rutte über mögliche Änderungen „beunruhigt“

„Beunruhigt“ über mögliche Änderungen am Schengen-Abkommen äußerte sich dagegen der niederländische Regierungschef Rutte, der kurzfristig zu der Videokonferenz gestoßen war. „Es gehört zu den großen Errungenschaften, dass die Binnengrenzen offen sind“, betonte er. Merkel sagte mit Blick auf Macrons Reformvorstoß, schärfere Kontrollen im Schengen-Raum seien jetzt schon möglich, etwa über das Mittel der Schleierfahndung.

Kurz bei Macron in Paris

Eine Woche nach dem islamistischen Anschlag in Wien bildet sich eine europäische Allianz gegen den Terror. Frankreich Präsident Macron hat Bundeskanzler Kurz in Paris empfangen und die Spitzenvertretern der EU hinzugezogen. Als erste Antwort zeichnet sich eine Reform der Reisefreiheit innerhalb der EU ab.

Kurz: Islamistische Gefährder „tickende Zeitbomben“

Kurz sagte, dass es bereits viele tausend islamistische Gefährder in Europa gebe. Tausende „Foreign Terrorist Fighters“ in Europa hätten in Syrien oder dem Irak gekämpft oder die Ausreise dorthin versucht. „Viele von denen sind im Gefängnis, einige sind schon freigelassen, und die traurige Wahrheit ist, die Masse derer, die im Gefängnis ist, wird in den nächsten Jahren freigelassen werden“, sagte Kurz.

„Das sind tickende Zeitbomben und wenn wir unser aller Freiheit schützen wollen, dann müssen wir die Freiheit dieser Menschen einschränken“, so Kurz. Merkel betonte, es sei wichtig, mit anderen islamischen Ländern über einen Kampf gegen radikale Islamisten zu reden. Wichtig sei zudem eine Imam-Ausbildung in allen EU-Staaten, um eine Radikalisierung in Moscheen zu verhindern.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
APA/Georg Hochmuth
Kurz und Macron bei der Pressekonferenz

Schnellere Löschung von terroristischen Inhalten

Weiters gelte es zu erreichen, dass terroristische Inhalte künftig schneller aus dem Internet gelöscht werden könnten, waren sich die Teilnehmer der Videokonferenz einig. Prinzipiell müsse sich Europa einig zeigen, hieß es. Dabei dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass ein Kampf der Religionen im Gange sei. „Es geht nicht um Christentum gegen Islam“, formulierte etwa Rutte, „sondern um Zivilisation gegen Barbaren.“ Merkel fügte hinzu: „Es gibt nicht nur strafrechtliche, sondern auch gesellschaftliche Komponenten.“

Die Terrorbekämpfung soll auch bei der Videokonferenz der EU-Innenminister an diesem Freitag sowie beim EU-Gipfel im Dezember vorangetrieben werden.