Poetry-Slam-Szene bleibt offline

Allerorts sprießen erneut Onlineangebote aus dem Netz – aber nicht alle Kunstformen lassen sich einfach in den virtuellen Raum transferieren. Besonders betroffen ist die heimische Poetry-Slam-Szene, wie die Pioniere Mieze Medusa und Markus Köhle erzählen. Das Format lebe von der Interaktion mit dem Publikum, besonders die Nachwuchsförderung sei aufgrund des Lockdowns gefährdet, erzählen die beiden im APA-Gespräch.

„Allen Szenen, die nicht in geförderten Häusern zu Hause sind, geht es schlecht“, fasst die Wiener Slammerin und Autorin Mieze Medusa die aktuelle Lage zusammen. Bei Poetry-Slams, bei denen Autorinnen und Autoren gegeneinander antreten und das Publikum am Ende einen Sieger wählt, habe eine Verlagerung ins Netz wenig Sinn. „Was der Slam will – nämlich den Kontakt zum Publikum –, ist virtuell nicht möglich“, so Medusa.

Ähnlich sieht es ihr Kollege Köhle, der allerdings während des ersten Lockdowns mit seinen auf Video aufgezeichneten „Montagsdepechen“ begonnen hat. Das sei vor allem ein Zeitdokument, in dem auch die jeweils herrschende Sprache dokumentiert werde.

Einen Onlineslam würde er sich selbst nicht anschauen wollen, gestreamte Lesungen verfolgt er allerdings schon. Gewundert hat ihn bei den Slam-Veranstaltungen im Sommer, dass die Coronavirus-Pandemie in den Texten kaum ein Thema war: „Man kann gerade in diesem Genre tagesaktuell reagieren. Aber vielleicht haben alle die Schnauze voll von Corona.“

Mieze Medusa kritisiert Regierung

Was Mieze Medusa stört, ist der Umgang der Regierung mit der Kulturszene. Vor allem im Frühjahr habe sie sich gewundert, „wie überrascht die Regierung war, wie viele Menschen im Kulturbereich atypisch beschäftigt sind“.

Es sei „schlicht und einfach sehr schlecht kommuniziert worden“, was zu sehr viel Organisationsarbeit geführt habe, auch bei der Absage von Veranstaltungen. In der Szene habe man sich so gut wie möglich vernetzt, um jedem Einzelnen Zusatzarbeit zu ersparen.

Im Sommer habe sie das „Aufflackern“ der Veranstaltungen sehr genossen. Da Slam-Texte aber oft extra für Auftritte geschrieben werden, hat sie die Befürchtung, dass derzeit nicht besonders viele neue Texte entstehen. „Ohne Anlass, auf die Bühne zu gehen, gibt es für viele Slammer wenig Gründe zu schreiben“.

Sorgen um Nachwuchskünstler

Besonders verweisen möchte sie auf die Rolle der Literaturveranstalter, die im vergangenen Jahr sehr viel für die Autoren getan hätten, seien es Ausfallhonorare oder bezahlte Onlineauftritte. Auch die Literar Mechana habe schnell und unbürokratisch geholfen. Sorgen macht sie sich allerdings um eine ganze Generation des Nachwuchses, der sich bei Veranstaltungen wie etwa dem „Textstrom“ in der Brunnenpassage zum ersten Mal auf die Bühne traut.

Das sei online nicht machbar: „Da kommen sehr viele junge Leute, die will ich treffen, die will ich motivieren können und nicht allein im Zimmer zurücklassen.“ Auch Köhle meint: „Die nächsten Monate sind wichtig. Wenn es mehr als ein Jahr dauert, kann die Szene schon Schaden nehmen. Aber um das abschließend zu beurteilen, ist es noch zu früh.“