Zwei Frauen mit Mund-Nasen-Gesichtsmaske beim Einkaufen in Peking
Reuters/Tingshu Wang
Asien

Lichtblicke bei wirtschaftlicher Erholung

Länder wie China machen es vor: Wenn örtlich das Infektionsgeschehen in Schach gehalten wird, kann die Wirtschaft wieder anspringen. Deutlich ist der Aufschwung heute, wo die Pandemie zuerst ausbrach und einen zeitlichen Vorsprung hat. China wird 2020 wohl als einzige Wirtschaftsnation Wachstum verzeichnen. In Japan und auch in europäischen Ländern gibt es vorsichtige positive Anzeichen, doch schlagen sich hier neue Infektionswellen nieder.

Rund um Neujahr waren die ersten Berichte über eine „mysteriöse Lungenseuche“ in China bekanntgeworden. Am 7. Jänner 2020 wird das neuartige Coronavirus identifiziert, vier Tage später meldete China bereits offiziell ein erstes Todesopfer. Was in China folgte, gab es mit Zeitverzögerung fast überall auf der Welt: ein Blindflug durch die Pandemie, Ausbreitung, Abriegelung, Lockdown, Rezession. Langsam befreien sich erste Staaten zumindest aus der wirtschaftlichen Abwärtsspirale, China ist darunter.

Ab Ende Jänner hatte China hart gegen die Pandemie durchgegriffen, strenge Quarantänemaßnahmen verhängt, Massentests angeordnet, Kontakte verfolgt und scharfe Einreisebeschränkungen erlassen. Das Virus wurde unter Kontrolle gebracht: Seit dem Sommer gab es in China nur noch vereinzelt kleinere lokale Ausbrüche, die sofort wieder mit strengen Maßnahmen eingedämmt wurden.

Auch auf der wirtschafts- und fiskalpolitischen Seite wurde gehandelt. Geld wurde in die Prävention und Stabilisierung der Gesellschaft gepumpt, etwa durch Gebührensenkungen, Steuererleichterungen oder die beschleunigte Auszahlung der Arbeitslosenversicherung und die Ausweitung auf Chinas zahllose Wanderarbeiter. Unternehmen erhielten Kredite, das Bankensystem wurde gestützt.

Abhängig vom Ausland

Die Einschnitte waren hart, das ohnehin strenge Kontrollsystem der kommunistischen Führung griff durch. Die Maßnahmen zeigten Wirkung, auch unter der Prämisse, dass die Bevölkerung Eingriffe in ihre Privatsphäre hinnehmen musste.

Sowohl Alltag als auch Wirtschaft normalisierten sich weitgehend. Die Industrie freut sich über wachsende Nachfrage, die Produktion kletterte laut Pekinger Statistikamt etwas schneller als erwartet um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch die Preise sind stabil. Der Konsum stieg wieder an, im Oktober wuchsen die Ausgaben im Einzelhandel für Verbrauchsgüter wieder um über vier Prozent. China wird – als einzige große Wirtschaftsnation der Welt – in diesem Jahr wieder Wachstum verzeichnen. Im dritten Quartal waren es schon 4,9 Prozent.

Bau eines Krankenhauses in Wuhan
Reuters/China Daily Cdic
Strenge Maßnahmen in Wuhan im Jänner. Heute hat sich die Wirtschaft erholt.

Der Wermutstropfen liegt im Ausland: China leidet als große Exportnation unter der Pandemie, die noch in den USA und Europa wütet. Die zweite Welle ließ die Nachfrage nach chinesischen Produkten außerhalb Asiens weiter nur langsam wachsen, aber zumindest nicht einbrechen. Im Oktober legten die Aufträge aus dem Ausland den dritten Monat in Folge zu. Nun will sich das Land vom Ausland unabhängiger machen. Im kommenden März soll der chinesische Volkskongress einen neuen Fünfjahresplan unter dem Motto „zwei Kreisläufe“ verabschieden: Die Strategie von Staats- und Parteichef Xi Jinping soll die „innere Zirkulation“ fördern, also heimische Nachfrage und eigene Innovation. Der „äußere Kreislauf“ – Handel und ausländische Investitionen – soll unterstützend wirken.

Vom Abschwung direkt in die Krise

Angesprungen ist der Konjunkturmotor auch in Japan vorerst wieder. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt zog im dritten Quartal – auf das Jahr hochgerechnet – um 21,4 Prozent an, wie die Regierung in Tokio am Montag auf vorläufiger Basis bekannt gab. Der Anstieg ist der stärkste seit vier Jahrzehnten und es ist das erste Mal nach drei Quartalen, dass Japans Wirtschaft wieder wächst. Japan war bereits vor dem Ausbruch der Pandemie infolge des Handelskonflikts zwischen den USA und China stark geschwächt gewesen. Hinzu kamen die Folgen einer Mehrwertsteueranhebung im vergangenen Jahr.

Erst dann kam auch noch die Coronavirus-Krise. Japan verhängte jedoch keinen harten Lockdown, sondern eine Vielzahl anderer strenger Maßnahmen. Darunter war die Ausrufung des Notstands im April. Damit wurden Behörden ermächtigt, die Bürger anzuweisen, in ihren Häusern zu bleiben und Schulen geschlossen zu lassen – ein bis dahin beispielloser Schritt in Japan. Die Einschnitte trafen letztlich die schwächelnde Wirtschaft schwer und stürzten sie in eine Rezession. Besonders stark war der Einbruch im zweiten Quartal dieses Jahres, das BIP ging um 8,2 Prozent zurück. Der nun erstmals wieder beginnende Aufschwung kam erneut mit dem Wachstum beim privaten Konsum. Er legte um 4,7 Prozent zu, die Exporte sogar um sieben Prozent.

Gemischte Perspektiven

Anders als für China ist der Ausblick für Japan aber getrübt. Viele rechnen zwar mit einer weiteren Erholung der Wirtschaft im Schlussquartal, allerdings viel langsamer. Ein erneuter Anstieg der Infektionsfälle sowohl in Übersee wie auch im eigenen Land trübt die Geschäftsaussichten. Am Mittwoch meldete Japan eine Rekordzahl von mehr als 2.000 Neuinfektionen, steht aber bei einer Bevölkerungszahl von rund 126,2 Millionen Einwohnern noch relativ gut da. Experten sehen hinter den erneut steigenden Fallzahlen in Japan bereits die dritte Infektionswelle.

Ähnliche Perspektiven gibt es auch in Europa: Hier legten etliche Länder im Quartalsvergleich zu. Das verwundert nicht, denn besonders das zweite Quartal 2020 hatte ja starke negative Auswirkungen, die sich dann wieder abflachten. Ein Beispiel ist Norwegen, das sich aus seiner CoV-Rezession befreite. Hier wurde das Virus erstmals Ende Februar registriert, nachdem einige Norweger, die sich in Tirol aufgehalten hatten, positiv getestet worden waren. Mitte März verfügte die Regierung – wie in Österreich – die Schließung von Schulen, Bars sowie anderer öffentlicher Orte. Wegen der Beschränkungen brach die Wirtschaft im Frühjahr mit sechs Prozent so stark ein wie nie vorher. Inzwischen zog die Konjunktur wieder an, das BIP wuchs um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.

Europa stehen Einbußen noch bevor

Die Prognose ist derzeit allerdings ebenso ambivalent wie in Japan. Die Wirtschaft ist noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau gelangt. Zudem gibt es auch in Norwegen, so wie im Rest Europas, wieder höhere Infektionszahlen. Ende Oktober begann die Regierung in Oslo auch erneut, Bewegungen einzuschränken, wenn auch weniger als in vielen anderen europäischen Ländern.

Grafik zur Wirtschaftsentwicklung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OeNB

Auch an Österreich sieht man, dass die Wirtschaftsleistung derzeit noch völlig vom Infektionsgeschehen abhängt. Die heimische Wirtschaft konnte sich ebenfalls im dritten Quartal vom Einbruch davor erholen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) schätzte im Oktober ein Plus von 11,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Auch hier gingen die Lockerungen schnell mit dem Anstieg beim privaten Konsum einher, die Menschen holten nach, was sie verpasst hatten. Industriekonjunktur und Exportnachfrage erholten sich ebenso vorübergehend.

Doch auch Österreichs Wirtschaft wird die zweite Welle noch einmal hart treffen. Der zweite Lockdown wird sich stark auswirken. Bereits die erste Welle hatte Österreichs Wirtschaft im zweiten Quartal um 12,1 Prozent im Vergleich zum Quartal davor einbrechen lassen. Das Jahr 2020 dürfte Österreich insgesamt ein Minus von 6,7 oder 6,8 Prozent kosten, so WIFO und das Institut für Höhere Studien (IHS). Neuere Zahlen kommen erst, Ende November wird die Statistik Austria die Quartalsrechnung für das BIP veröffentlichen. Ihre nächsten vierteljährlichen Prognosen wollen WIFO und das IHS am 18. Dezember vorlegen.