Ein älterer Mann wird geimpft
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Wer, wann, wie, wo

Schritte auf dem Weg zur CoV-Impfung

Bereits Anfang des kommenden Jahres könnte es in Österreich mit den ersten CoV-Impfungen losgehen. Bis dahin soll nicht nur geklärt sein, wer als Erstes die Möglichkeit zur Impfung bekommt. Auch die Frage, auf welchem Weg der Impfstoff zu den Menschen kommt und wie die Impfung registriert wird, muss beantwortet werden. Neben solch technischen Aspekten wird auch noch ein ganz anderer Punkt entscheidend sein.

Was viele als (zu) optimistisches Szenario angezweifelt hatten, scheint nun tatsächlich einzutreten. Noch in diesem Jahr könnten einer oder mehrere Impfstoffkandidaten in der EU zugelassen werden. Besonderes Augenmerk lag zuletzt auf den beiden RNA-Impfstoffen, die zum einen von Biontech und Pfizer, zum anderen von Moderna entwickelt werden. Für beide Vakzine wurden zuletzt entscheidende Studienergebnisse zur Wirksamkeit veröffentlicht.

Biontech und Pfizer beantragten in den USA noch am Freitag die Zulassung. Die EU soll bald folgen, die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bekam bereits laufend Teile der für einen Zulassungsantrag nötigen Daten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab sich am Donnerstag optimistisch, dass sowohl das Vakzin von Biontech und Pfizer als auch der Impfstoff von Moderna noch in der zweiten Dezember-Hälfte die Zulassungshürde in der EU überspringen könnte.

Österreich erwartet erste Dosen zu Beginn des Jahres

Er sei optimistisch, dass bereits im Jänner die ersten Impfdosen nach Österreich geliefert werden können, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Mittwoch im Nationalrat. Auch Herwig Kollaritsch, Facharzt für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin in Wien, rechnete im Gespräch mit ORF.at „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ damit, dass noch im ersten Quartal des kommenden Jahres in Österreich mit dem Impfen begonnen werde.

Kollaritsch ist auch Mitglied des nationalen Impfgremiums – und damit einer von derzeit 18 Expertinnen und Experten, die das Ministerium bei der Erstellung von Impfempfehlungen beraten. So ist die Expertenkommission auch in die Erarbeitung einer Strategie für eine künftige CoV-Impfung eingebunden. In der Impfstrategie wird unter anderem festgelegt, für welche Gruppen das Vakzin als Erstes zur Verfügung gestellt wird. Auch rechtliche Aspekte und Fragen zur Logistik und zur Dokumentation der Impfungen sollte eine solche Strategie am Ende beantworten.

Veröffentlichung der Impfstrategie in „nächsten Wochen“

Deutschland veröffentlichte bereits Ende Oktober einen ersten – sehr überblicksartigen – Fahrplan. In Österreich liegen die Pläne in schriftlicher Form noch nicht vor. Das entsprechende Dokument soll aber „in den nächsten Wochen veröffentlicht werden“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium auf Nachfrage von ORF.at. Bezüglich Kommunikation und Logistik will sich das Ministerium nach eigener Aussage dabei auch an die bereits Mitte Oktober veröffentlichten Empfehlungen der EU-Kommission halten. Eines steht laut Ministerium allerdings bereits fest: „Der Impfstoff wird gratis sein.“

Pflegerin und ältere Dame im Pflegeheim
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In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen soll mit dem Impfen begonnen werden

Sicher ist jedoch auch: Zu Beginn werden Impfstoffe nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen. So hat die EU zwar bereits mit mehreren Impfstoffherstellern Verträge über die fixe Lieferung von Hunderten Millionen Dosen ausgehandelt. Doch bis die Produktion auch bei einem zugelassenen Impfstoff voll anläuft, dauert es. Das gilt auch für das Vakzin von Biontech und Pfizer. Insgesamt 200 Mio. Dosen hat sich die EU davon gesichert. Sie sollen entsprechend der Bevölkerungszahl unter den Mitgliedsstaaten aufgeteilt werden. Österreich würden so vier Mio. Impfdosen zukommen. Da nach momentanem Stand jede Person zweimal hintereinander geimpft werden müsste, würde das für zwei Mio. Menschen reichen.

Bis zur Lieferung im ganz großen Stil wird es aber mit Sicherheit noch dauern. Bis Ende des Jahres werden Biontech und Pfizer gerade einmal 50 Mio. Impfdosen produziert haben – die Hälfte der Summe, die Biotech und Pfizer noch im Sommer als Möglichkeit angegeben hatten. Und die EU ist nicht der einzige Partner, mit dem die Unternehmen Lieferverträge für den Impstoff abgeschlossen haben.

Risikogruppen und medizinisches Personal

Es liegt damit an der Politik zu entscheiden, wer zuerst die Möglichkeit zur Impfung bekommen soll. Diese Entscheidung dürfte bereits gefallen sein: Anschober sprach am Mittwoch von einem „Vierphasenplan“. Man werde zuerst in die Alters- und Pflegeheime gehen und dann aktiv an die Wirtschaft, die Arbeiterkammern und Gewerkschaften herantreten, um Impfungen in den Betrieben zu ermöglichen, so der Gesundheitsminister vor dem Parlament.

Das Gesundheitsministerium sprach gegenüber ORF.at von Bereichen, wo „das größte systemische Risiko besteht“. Das betreffe zum einen Menschen mit einem erhöhten Risiko eines schweren oder tödlichen Krankheitsverlaufs, zum anderen „das Personal in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen“. Mit diesem Vorgehen steht Österreich nicht alleine da. Auch die deutsche Impfstrategie reserviert die allererste Phase der Impfung für „vulnerable Gruppen“. Dann sollen „exponierte und vulnerable Gruppen“ folgen. Eine solche Priorisierung entspricht auch der Empfehlung der EU-Kommission.

Gute Wirkung bei älteren Menschen

Eine Voraussetzung für eine solche Strategie ist, dass der Impfstoff einerseits von älteren Menschen gut vertragen wird und andererseits bei ihnen auch gut wirkt. Personen über 60 Jahren machen schließlich das Gros der Risikopatientinnen und -patienten aus. Genau eine solche Wirksamkeit scheine sich zumindest für die beiden RNA-Impfstoffkandidaten zu bestätigen, sagte Kollaritsch. In der Phase-III-Studie von Biontech und Pfizer seien über 40 Prozent der Probanden zwischen 56 und 85 Jahre alt gewesen. Und es habe sich bei ihnen die gleich hohe Wirksamkeit von über 90 Prozent gezeigt wie bei den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Senioren beim Spazieren
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Die gute Nachricht aus den Phase-III-Impfstoffstudien: Die Vakzine haben auch bei älteren Menschen eine hohe Wirkung

Die Impfung von Menschen, die entweder besonders gefährdet sind oder in Jobs arbeiten, wo eine Ansteckung besonders schwere Folgen haben könnte, gilt zurzeit als der Weg der Wahl. Es ist aber nicht das einzige Konzept. Im Raum standen bisweilen auch Überlegungen, vor allem jene Menschen zu impfen, die besonders viele soziale Kontakte haben – die also womöglich besonders stark zur Verbreitung des Virus beitragen.

Übertragung verhindern oder bremsen

Dagegen spricht allerdings, dass bis jetzt nicht klar ist, inwieweit die Impfstoffe nicht nur eine (schwere) Erkrankung verhindern, sondern zugleich die Übertragung unterbinden. Kollaritsch geht zurzeit etwa nicht davon aus, dass die Impfstoffe der ersten Generation die Übertragung vollkommen verhindern. Dass die – laut den jüngsten Studiendaten – hohe Wirksamkeit der Vakzine eine Übertragung „reduziert“, sei aber „wahrscheinlich“. Auch deshalb sei es sinnvoll, im weiteren Verlauf der Impfungen „nach und nach auch in die Masse zu gehen“. Nur eines sei nach jetzigem Wissensstand erst einmal auszuschließen: die Massenimpfung von Kindern. So werde für die ersten Impfstoffe in Europa die Zulassung auch nur für über 18-Jährige beantragt.

Die flächendeckende Impfung der Gesellschaft ist aber ohnehin noch Zukunftsmusik. Auch die Impfung der nun priorisierten Gruppe stellt bereits eine gewaltige logistische Herausfoderung dar: 120.000 Menschen arbeiteten im stationären Gesundheitsbereich, also in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Kuranstalten. Dazu kämen noch einmal rund 170.000 Angehörige von Gesundheitsberufen im niedergelassenen Bereich, zitierte Kollaritsch Daten des Gesundheitsministeriums. Nimmt man die Bevölkerung über 60 Jahren dazu, sind das noch einmal zwei Millionen Menschen. Etwa 110.000 von ihnen leben laut Sozialministerium in Alters- oder Pflegeheimen.

Tiefe Temperaturen als logistische Herausforderung

Eine besondere logistische Herausforderung stellt gerade der wohl als Erstes verfügbare Impfstoff dar. Das Vakzin von Biontech und Pfizer lässt sich für längere Zeit nur bei sehr tiefen Temperaturen lagern. Um die minus 70 Grad Celsius müssen die Tiefkühlschränke erreichen, um zu verhindern, dass die Boten-RNA, auf welcher der Impfstoff beruht, zerfällt. Die deutsche Post DHL, die in Europa stark in der Pharmalogistik aktiv ist, überlegt deshalb etwa für ihr Lagernetzwerk mehrere hundert besonders kalte Tiefkühlschränke (Ultralow-Freezer) zu kaufen.

Ultra-low Temperature Freezer
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Der Impfstoff von Biontech und Pfizer muss bei sehr tiefen Temperaturen gelagert werden

Das Gesundheitsministerium verwies gegenüber ORF.at darauf, dass man auf europäischer Ebene eng mit Biontech und Pfizer zusammenarbeite. „Diese Zusammenarbeit wird sich auf den nationalen Ebenen weiter fortsetzen“, so das Ministerium. Auch Kollarittsch sprach davon, dass Pfizer bereits im Hintergrund die Logistik vorbereite. „Das kriegen die schon hin“, so der Mediziner.

So entwickelte das Pharmaunternehmen etwa spezielle Kühlkoffer, um den Impfstoff zu transportieren und eine Zeit lang auch abseits eines speziellen Tiefkühlschrankes aufzubewahren. Das seien kleine Transporteinheiten, bei denen Trockeneis für die tiefen Temperaturen sorge, so Kollaritsch. Auch die heimische Pharmalogistikbranche gab sich zuletzt gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ zuversichtlich, mit den Herausforderungen in Bezug auf die Impfstoffverteilung umgehen zu können.

Einsatz für E-Impfpass?

Eine weitere – zumindest kleine – Herausforderung wartet dann auch noch direkt beim Impfen selbst. Anfangs wird der Impfstoff wohl in „Mehrdosenbehältnissen“ geliefert werden, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Das bedeutet, dass der Impfstoff nicht, wie man das von gängigen Impfungen kennt, bereits einzeln dosiert in einer Spritze, sondern in Glasfläschchen mit Durchstechdeckel geliefert wird. Für jede Impfung müsste dann erst eine Spritze aufgezogen werden – was zumindest einen Mehraufwand bedeutet.

Impfstoff
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Anfangs werden die Impfstoffe wohl in Mehrdosenbehältnissen geliefert

Dann stellt sich noch die Frage, wie eine erfolgte Impfung dokumentiert wird. Vom Gesundheitsministerium hieß es dazu nur, „eine entsprechende Impfdodumentation wird essenzieller Bestandteil einer Covid-19-Impfung sein. Aktuell arbeitet man an Plänen zur konkrekten Umsetzung.“ Wie diese im Detail aussehen könnte, ließ das Ministerium offen. Laut Kollaritsch spricht vieles dafür, hier auf den elektronischen Impfpass zu setzen. Dessen Einführung sei ja bereits vor der Pandemie in Planung gewesen.

Akzeptanz als „große Unbekannte“

Die rechtlichen und logistischen Herausforderungen lassen sich wohl durch gute Planung überwinden. Ein anderer – wenngleich für den Erfolg nicht minder wichtiger – Faktor ist deutlich schwerer, vielleicht auch gar nicht planbar: wie viele Menschen überhaupt bereit sind, sich impfen zu lassen. „Die Akzeptanz ist die große Unbekannte, die wir kaum abschätzen können“, sagte Kollaritsch. Laut aktuellen Umfragen sind etwas mehr als 50 Prozent der Bevölkerung bereit, sich impfen zu lassen. Durch eine emotional aufgeheizte Debatte könne sich das aber auch schnell ändern, so der Mediziner.

Er wies darauf hin, dass hier vor allem ein „hohes Maß an Transparenz“ entscheidend sein werde. Das bedeute etwa, klar zu vermitteln, wie die Impfstoffe funktionieren. So kursiert etwa das Gerücht, dass RNA-Impfstoffe das Erbgut verändern. Da müsse man klar kommunizieren, dass das nicht der Fall ist. Die in den Impfstoffen eingesetzte RNA gelange zwar in die Zelle, aber nicht in den Zellkern mit der DNA.

Daten der Hersteller

Transparenz beinhaltet laut Kollaritsch auch, mögliche Nebenwirkungen und Risiken zu kommunizieren. Impfungen erfüllten auch deshalb so hohe Sicherheitsstandards, „weil sie am Gesunden verabreicht werden, der keinen Leidensdruck hat“. Das müsse man vermitteln, so Kollaritsch. Dazu gehöre auch, dass die Impfstoffhersteller ihre Daten weitgehend offenlegen. Dazu seien sie seines Wissens nach auch bereit, sagte der Mediziner.

In einem anderen Punkt geben sich die Unternehmen freilich deutlich verschlossener. Auf die Frage, wie viel Österreich pro Impfdosis zahlen müsse, hieß es vom Ministerium: „Die Preise sind Bestandteil der Verträge. Aber über den Inhalt der Verträge musste die Kommission mit den Pharmaunternehmen Geheimhaltung vereinbaren.“ Dieser „Verschwiegenheitsklausel“ unterliege auch Österreich.