Bild zeigt eine Sitzung des deutschen Bundestag.
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Nach Bundestagseklat

Erste Rufe nach AfD-Verbot

Nach der Belästigung von Abgeordneten im deutschen Bundestag durch Besucher der Alternative für Deutschland (AfD) wird nun vom Chef der deutschen Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), ein Verbot der Rechtsaußen-Partei ins Gespräch gebracht. „Die gesamte Partei entwickelt sich in eine rechtsextremistische Richtung“, sagte der sozialdemokratische Thüringer Ressortchef dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Samstag. Auch ein Verbotsverfahren sei nicht mehr auszuschließen, so Maier weiter.

Derweil sagte der Chef der CSU-Landesgruppe im deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, er sehe die AfD auf dem „direkten Weg zur neuen NPD“. Die NPD ist eine rechtsextreme Partei, gegen die zwei Verbotsverfahren geführt wurden – allerdings ohne Erfolg. Über AfD-Abgeordnete waren am Mittwoch bei der Abstimmung über das deutsche Infektionsschutzgesetz Besucher ins Reichstagsgebäude in Berlin gelangt, die dort anschließend Gesetzesbefürworter unter den Politikern belästigten, filmten und teils beleidigten.

Besucher drangen auch in Abgeordnetenbüros ein. Politiker berichteten von Pöbeleien und Bedrängung. Rund um das Regierungsviertel hatten Tausende Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Am Freitag stellten sich dann die anderen Fraktionen im Bundestag in einer Aktuellen Stunde geschlossen gegen die AfD und bezeichneten sie als „Demokratiefeinde“.

Bild zeigt Politiker der AfD, während einer Rededes deutschen Gesundheitsministers Jens Spahn im Bundestag am 18. November 2020.
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AfD-Politiker mit Schildern während der Rede des deutschen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) am Mittwoch

Maier: Antidemokratische Kraft zurückdrängen

Maier sagte dem RND mit Blick auf die Störungen im Bundestag durch die Gäste von AfD-Abgeordneten: „Es wird immer offensichtlicher, wie sehr die AfD als parlamentarischer Arm der Rechtsextremisten fungiert und versucht, die parlamentarische Demokratie von innen auszuhöhlen.“ Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, gerichtsfestes Material zu sammeln, um geeignete Mittel für den Umgang mit der AfD zu finden.

„Ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht ist dabei das allerletzte Mittel. Aber auch das ist nicht mehr auszuschließen, wenn die Partei sich weiter radikalisiert.“ Es bleibe aber vor allem eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, mit dieser antidemokratischen Kraft umzugehen und sie zurückzudrängen, erklärte Maier.

Der deutsche Politiker Alexander Dobrindt (CSU).
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CSU-Fraktionschef Alexander Dobrindt kritisiert die AfD scharf

Dobrindt: „Brandstiftern das Feld überlassen“

CSU-Fraktionschef Dobrindt kritisierte die AfD in der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag-Ausgabe) ebenfalls scharf. „Die Biedermänner in der AfD haben den Brandstiftern längst das Feld überlassen“, sagte er der Zeitung. Sowohl der Missbrauch der Geschichte, die Verächtlichmachung des Parlaments und der politischen Institutionen, die Geschichtsfälschung und -vergessenheit sowie der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 zeigten, „dass die AfD mit der Fackel durchs Heu gehen will, um Emotionen zu entzünden und Aggressionen zu schüren“. Damit sei die AfD auf dem direkten Weg, zur neuen NPD zu werden.

Dass von der AfD in den Bundestag eingeschleuste Störer Abgeordnete bedrängt haben, ist für Dobrindt kein Zufall, sondern eine „offensichtlich konzertierte Aktion“. Er fügte hinzu: „Die gesamte Aktion hat gezeigt, dass es eine enge Vernetzung gibt zwischen den Demonstranten auf der Straße, den AfD-Abgeordneten im Plenarsaal und den Störern im Reichstag.“

„Gezielt versucht, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen“

Der CSU-Politiker sieht eine „neue Qualität der Auseinandersetzung im Deutschen Bundestag, mit dem Ziel der Zersetzung des demokratischen Betriebes von innen heraus“. Mit ihrem Verhalten zeige die AfD, dass sie einen weiteren Schritt in Richtung Rechtsextremismus gegangen sei. „Die radikalen Elemente in dieser Partei setzen sich immer stärker durch. Auch die Spitzen der Partei und Fraktion unterstützen diesen radikalen Weg.“

Proteste in der Nähe des Reichstagsgebäudes in Berlin.
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Proteste gegen die CoV-Maßnahmen in der Nähe des Reichstagsgebäudes am Mittwoch

In Zeiten der CoV-Pandemie werde gezielt versucht, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen, sagte Dobrindt zu den Demonstrationen am Mittwoch in Berlin. „Dort kamen viele Menschen zusammen, deren Bedenken von den Rädelsführern mit falschen Argumenten politisch missbraucht werden. Die Organisatoren versuchen, mit Lügen ein Schreckensbild vom Ende der Demokratie und dem Einstieg in eine Diktatur zu zeichnen.“

AfD sieht Versuch der Diskreditierung

Die AfD vermutet hinter Überlegungen zu einem möglichen Verbot ihrer Partei ein taktisches Manöver. „Der Vorstoß des SPD-Ministers Maier ist der verzweifelte Versuch, die letzte wahre Oppositionspartei zu diskreditieren“, sagte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla am Samstag der dpa. Maier wolle damit wohl „von den wirklichen Sorgen und Nöten der Bürger“ in der Coronavirus-Pandemie ablenken, fügte der sächsische Bundestagsabgeordnete hinzu.

Der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke nannte die Äußerung Maiers „dämlich“. Er sagte bei einem Landesparteitag in Pfiffelbach: „Anscheinend ist dieser Mann nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.“ Er empfehle Maier eine Therapie. Höcke wurde am Samstag im Amt bestätigt. Er steht seit mehreren Jahren an der Spitze der Thüringer AfD. Höcke gilt als Mitgründer des vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Flügels in der AfD, der sich inzwischen offiziell aufgelöst hat. Er ist auch Vorsitzender der zweitgrößten Fraktion im Thüringer Landtag, die die AfD seit 2019 stellt.

SPD: Passt in das System der AfD

Nach den Störaktionen von Gästen der AfD-Fraktion machten Abgeordnete der anderen Fraktionen der AfD schwere Vorwürfe. Es handle es sich um einen „Angriff auf das freie Mandat“, der sich in die generelle Strategie der AfD einreihe, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU). Politiker seien „massiv bedrängt, aggressiv gefilmt und, so legen es die Aufnahmen nahe, übelst beleidigt“ worden, sagte Grosse-Brömer am Freitag in einer Aktuellen Stunde des Bundestags zu den Vorfällen. Er warf der AfD vor, die Störer „eingeschleust“ zu haben.

„Was wir diese Woche erlebt haben, war kein Einzelfall, der zufällig passiert ist“, betonte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Vielmehr passe es „in das System, wie die AfD hier im Bundestag auftritt“. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte, die „Unruhestifter“ hätten „ein Klima der Bedrängung und Bedrohung“ erzeugen wollen. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die AfD vorab wusste, was die Störer vorhatten. „Glauben Sie ja nicht, dass wir uns das gefallen lassen“, rief Buschmann Richtung AfD.

„Die demokratische Gesellschaft muss unser Land vor der AfD schützen“, sagte Linke-Abgeordnete Petra Pau. Sie erneuerte die von vielen Abgeordneten geäußerte Kritik an der Nutzung des Begriffs „Ermächtigungsgesetz“ für das neue Infektionsschutzgesetz, unter anderem durch die AfD. Diese Rhetorik „verharmlost den Faschismus und verhöhnt seine Opfer“.

Bild zeigt Politiker der Afd während einer Sitzung im Bundestag.
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Der Fraktionschef der AfD, Alexander Gauland (ganz unten), verteidigt seine Partei

Gauland: „Infam“

Seine Grünen-Kollegin Britta Haßelmann sprach von einem „Tabubruch“. „Die Abgeordneten der AfD wussten ganz genau, wen sie einladen, und sie wussten, was deren Absicht ist“, sagte Haßelmann. „Diese Personen waren nicht zum ersten Mal eingeladen.“ Dass die Störer die Abgeordneten an der Ausübung ihres freien Mandats hätten hindern wollen, sei ein „gravierender Vorfall“ und ein „Tabubruch“.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wies alle Vorwürfe zurück. Das Verhalten der Störer sei „unzivilisiert“ gewesen „und gehört sich nicht. Dafür entschuldige ich mich.“ Die AfD-Fraktion hätte „diese Besucher beaufsichtigen sollen“. Jedoch sei die Unterstellung, seine Fraktion habe im Vorhinein Bescheid gewusst, „infam“.

Schäuble kündigt Konsequenzen an

Der Präsident des deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble (CDU), prüft „alle rechtlichen Möglichkeiten“ – gegen die Störer und gegen ihre Einlader. Er kündigte Konsequenzen an. Er habe die Verwaltung gebeten, „alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, gegen die Täter und diejenigen vorzugehen, die ihnen Zugang zu den Liegenschaften des Bundestags verschafft haben“, hieß es in einem Schreiben an alle Abgeordneten.

Der Präsident des deutschen Bundestages Wolfgang Schäuble.
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Der Präsident des deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble (Mitte)

Dem Brief war ein Bericht der Bundestagspolizei zu den Vorfällen am Mittwoch beigefügt. Darin wird beschrieben, wie insgesamt vier von AfD-Abgeordneten eingeladene Gäste unter anderem unerlaubt Videoaufnahmen machten und diese teils live im Internet übertrugen. Abgeordnete seien bedrängt worden. Zudem sei versucht worden, „in Büroräumen von Fraktionsvorsitzenden unangemeldet Unterschriften und Petitionen“ zu übergeben.

Einer der vier AfD-Gäste war laut dem Polizeibericht ein alter Bekannter: Er sei „aufgrund von anlässlich früherer Besuche festgestellter Verstöße gegen die Hausordnung bereits am Vortag im Rahmen einer polizeilichen Ansprache auf die Pflicht zur Beachtung der Regeln der Hausordnung hingewiesen worden“.