Protest in Frankreich
AP/Francois Mori
Hunderttausende Teilnehmer

Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich

Mehr als hunderttausend Menschen sind am Samstag in Frankreich aus Protest gegen ein umstrittenes Gesetz zum Schutz der Polizei auf die Straßen gegangen. Angefacht wurden sie von neuen Fällen von Polizeigewalt, die in dieser Woche durch Videoaufnahmen bekanntgeworden waren und landesweit für Empörung gesorgt hatten – nicht zuletzt auch bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

An den landesweiten Demonstrationen haben sich nach Angaben der Organisatoren 500.000 Menschen beteiligt. Alleine in Paris seien 200.000 Demonstranten auf die Straße gegangen, erklärte ein Bündnis von Journalistengewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen, das zu dem „Marsch der Freiheiten“ aufgerufen hatte.

Das französische Innenministerium sprach hingegen von landesweit 133.000 Demonstrierenden und 46.000 Teilnehmern in Paris. Zu Protesten kam es auch in Lille, Rennes, Straßburg und anderen Städten. In Paris und Rennes kam es am Rande der Proteste zudem zu Ausschreitungen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

Demonstranten in Paris
APA/AFP/Geoffroy van der Hasselt
Laut Organisatoren nahmen 500.000 Menschen an den Protesten teil – das Innenministerium sprach dagegen von 133.000

Ausschreitungen und Zusammenstöße

In Paris habe die Polizei Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstrierende eingesetzt, die Barrikaden errichteten und Steine sowie Feuerwerkskörper auf Polizisten warfen. Auf dem Bastille-Platz steckten Demonstranten einen Zeitungskiosk, den Eingang eines Gebäudes der französischen Zentralbank und eine benachbarte Brasserie in Brand. In der Umgebung brannten auch mehrere Autos.

Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin verurteilte die Ausschreitungen. Die Angriffe auf Polizisten bei den Kundgebungen in Paris und anderen Städten seien „inakzeptabel“, schrieb Darmanin am Samstagabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. 37 Beamte seien verletzt worden, 23 von ihnen in Paris. Die Pariser Polizei teilte mit, dass 46 Personen festgenommen und 23 Polizisten verletzt wurden.

Das Organisationsbündnis distanzierte sich von gewaltbereiten Teilnehmern der Proteste und verurteilte die Angriffe auf Polizisten. Es sei nicht hinnehmbar, dass „eine Handvoll Personen“ die friedlichen Kundgebungen Hunderttausender Demonstranten störe.

Neues Gesetz soll Polizei schützen

Die Proteste richteten sich gegen ein geplantes Sicherheitsgesetz, das laut Regierung die Polizei besser schützen und Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen einschränken soll. Ein Artikel des Gesetzes sieht vor, die Veröffentlichung von Bildern von Sicherheitsbeamten im Einsatz unter Strafe zu stellen, wenn diese mit dem Ziel erfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizistinnen und Polizisten zu verletzen. Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr oder eine Strafe von 45.000 Euro könnten die Konsequenz sein.

Protest in Frankreich
APA/AFP/Alain Jocard
Am Rande der Proteste kam es auch zu Ausschreitungen – Demonstrierende steckten Gebäude und Autos in Brand

Videos von Polizeigewalt öffentlich

Bereits am vergangenen Wochenende waren ungeachtet der Coronavirus-Ausgangsbeschränkungen rund 22.000 Menschen in Frankreich gegen das Filmverbot auf die Straße gegangen. Seitdem ist die Kritik an dem geplanten Gesetz noch schärfer geworden. Auslöser waren Aufnahmen von zwei brutalen Polizeieinsätzen, die bis an die Staatsspitze für Entsetzen sorgten: am Montag von einer aggressiven Räumung von Zelten von Geflüchteten, am Donnerstag von einem Übergriff auf einen schwarzen Musikproduzenten.

Darauf war zu sehen, wie der Mann von drei Polizisten minutenlang zusammengeschlagen und rassistisch beleidigt wurde. Vier Beamte wurden daraufhin suspendiert und in Gewahrsam genommen, sie müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Gegenüber den Ermittlern hatten die Polizisten angegeben, der Produzent habe auf der Straße keine Coronavirus-Schutzmaske getragen und sich ihnen widersetzt.

Macron: „Inakzeptable Aggression“

Macron zeigt sich am Freitag „schockiert“ über die Aufnahmen. Er sprach von einer „inakzeptablen Aggression“ und nannte die Bilder „beschämend“. Er forderte seine Regierung auf, Vorschläge für eine „effektivere“ Bekämpfung von Diskriminierung vorzulegen. „Frankreich darf niemals zulassen, dass Hass oder Rassismus gedeihen“, sagte Macron. Er forderte eine „vorbildliche Polizei“.

Viele sehen wegen des geplanten Gesetzes zudem die Pressefreiheit in Gefahr. Nachdem das Unterhaus dem Vorhaben am Dienstag zugestimmt hat, muss sich nun der Senat mit dem umstrittenen Gesetz auseinandersetzen. Demonstranten hielten am Samstag daher Plakate mit Aufschriften wie „Wer beschützt uns vor der Polizei?“ und „Stoppt Polizeigewalt“.