Gary Oldman auf dem Set von Mank
Netflix/Nikolai Loveikis
„Mank“

David Fincher und das „böse“ Hollywood

Elegantes Schwarz-Weiß, nostalgische Studiokulissen und scharfe Kommentare zur Unterhaltungsindustrie: David Finchers bisher ambitioniertestes Projekt „Mank“ zelebriert das Hollywood der 30er Jahre. Selber muss der Regisseur von „Sieben“, „Fight Club“ und „The Social Network“ jedoch auf die große Leinwand verzichten: „Mank“ feiert seine Premiere auf der Streamingplattform Netflix.

Irgendwann Mitte der 30er Jahre lernte der Journalist und Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz, genannt Mank, den einflussreichen Medientycoon und Filmproduzenten William Randolph Hearst und dessen Partnerin, das Starlet Marion Davies, kennen. Die Filmindustrie steckte wieder einmal in der Krise, die Wirtschaft stotterte, und es waren selbstverständlich die Studiomitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die den Kopf hinhalten mussten, wenn Hearst-Intimus und MGM-Produzent Louis B. Mayer in finanziellen Schwierigkeiten steckte.

Die damals gewonnenen Einblicke hinter die Kulissen des Show- und Medienbusiness und seine Nähe zur Politik war später Grundlage für das Drehbuch zu „Citizen Kane“, das Mank gemeinsam mit Orson Welles 1942 einen Oscar bescherte und dessen umstrittene Autorenschaft zu einem der legendären Konflikte Hollywoods gehört. Diese Geschichte steht im Mittelpunkt von David Finchers „Mank“, der als beißende Kritik an der Käuflichkeit der Traumfabrik und ihrem ständigen Flirt mit den Mächtigen gelesen werden kann, und der nun auf Netflix startet.

Film und Fake News

„Mank“ beginnt mit Gary Oldman als lädiertem Titelhelden, der zum Schreiben in die kalifornische Wüste geschickt wurde. Wunderkind Orson Welles, gerade erst 24 Jahre alt, hat sich Mank für das Drehbuch seines nächsten Films gewünscht. Dafür darf Mank nun allerdings keinen Alkohol trinken – und er hat nur 60 Tage, um das Skript drehfertig abzuliefern. Für diese Herkulesaufgabe hat er immerhin die Unterstützung der Sekretärin Rita Alexander (Lily Collins) und, da Mank nach einem Autounfall bettlägrig ist, auch seiner deutschen Krankenschwester Fräulein Frieda (Monika Gossmann).

Silhoutte von Gary Oldman als Herman Mankiewicz in dem Film Mank
Netflix/Gisele Schmidt
Fincher zeigt Herman J. Mankiewicz, genannt Mank, bei der Arbeit an seinem Erfolgsprojekt „Citizen Kane“

Für Mank ist es der Auftrag, der ihn vor dem Ruin bewahren könnte – und tatsächlich, das Drehbuch wird sein Meisterwerk. Doch obwohl das Skript klar auf dem beruht, was Mank über Hearst und dessen Machenschaften erfahren hat, überlässt Welles ihm nicht die alleinige Autorenschaft. „Mank“ erzählt diese Entstehungsgeschichte auf zwei Zeitebenen: das Leiden des ans Bett gebundenen Autors im Sommer 1940 und sein Entsetzen einige Jahre zuvor, als er die Verbandelungen zwischen Filmindustrie, Medien und Politik aus der Nähe erlebt. Die so produzierte Desinformation wirkt sich auf die Lage der Ärmsten aus.

Dass sich Fincher, der nach seinen Kultfilmen „Sieben“ und „Fight Club“ mit dem Facebook-Thriller „The Social Network“ und zuletzt „Gone Girl“ 2014 im Kino erfolgreich war, nun eines historischen Hollywood-Stoffs annimmt, ist nur vordergründig überraschend, erfüllt „Mank“ doch Finchers Interesse für Machtspiele, und lässt auch eine aktuelle Lesart zu. Außerdem ist da noch die Geschichte hinter dem Drehbuch von „Mank“: Autor ist Finchers 2003 verstorbener Vater Jack, der das Skript vor fast dreißig Jahren zu schreiben begonnen hatte.

Der Schmerz des Autors

Im Kern des Drehbuchs steckt der Schmerz des missverstandenen Autors Mank, der um Anerkennung ringt – ein Aspekt, den Jack Fincher, Journalist und mehrfach gescheiterter Drehbuchautor, im ersten Entwurf offenbar noch mehr betont hatte, wie sein Sohn David in Interviews zu Protokoll gibt: „Die erste Version hat sich nach Rache angefühlt.“ Im fertigen Film ist dieser Schmerz immer noch vorhanden, zuvorderst ist „Mank“ aber eine etwas streberhafte Hommage an das goldene Hollywood-Kino geworden.

In brillant digital gefilmtem Schwarz-Weiß, dem David Fincher künstliche Schädigungen zufügen ließ, um dem Aussehen von Filmmaterial näher zu kommen, spielt „Mank“ mit dem Filmlook der 30er und 40er Jahre. Das funktioniert nur teilweise: In dreckiger Schreibmaschinschrift eingefügte Drehbuchanweisungen und Anschlussmarkierungen wirken etwa so authentisch wie ein Instagram-Filter, tatsächlich fabelhaft hingegen sind die Lichtsetzung und die Kostüme von Trish Sommerville.

Hollywood von innen

Ohne filmhistorische Grundkenntnisse um die personellen Verhältnisse in der Filmindustrie der 30er Jahre ist die Handlung kaum zu entschlüsseln, vom Fädenenzieher Louis B. Mayer über die gefürchteten Klatschkolumnistinnen Hedda Hopper und Louella Parsons bis zur Etablierung der damals neu gegründeten „Writers Guild“, der bis heute mächtigen Vereinigung der Drehbuchautorinnen und -autoren.

Dabei beziehen sich die meisten Figuren in „Mank“ nicht so sehr auf ihre historischen Vorbilder, sondern auf die Anekdoten, die über diese Personen erzählt werden, wie etwa Manks Frau, die von allen „Poor Sara“ (Arme Sara) genannt wird, weil sie ihn, den Spieler und Säufer, ertragen muss. Die Nebenfiguren sind allesamt emotionale Klischees – vom Mann, der manipulative Wahlwerbespots dreht und nach der Wahl daran zerbricht, bis zur Sekretärin, die in Mank den versoffenen Egoisten zu erkennen glaubt, bis sie von seinen Wohltaten gegenüber deutschen Juden erfährt.

Vielschichtig auf Papier

Es tut fast weh, wie sich die fantastische Amanda Seyfried in der Rolle der Hearst-Geliebten und Schauspielerin Marion Davis abmüht, zwischen den Zeilen ihrer erschütternd dümmlichen Dialoge so etwas wie glaubwürdige Motivation zu erzeugen. „Mank“ versucht, der ganz große Film über Hollywood zu sein, ist aber mehr Pflichtübung – und funktioniert nicht einmal als Sprungbrett in die Filmgeschichte, denn spezielle Lust auf das Kino der 30er und 40er Jahre weckt dieser Film keine, zu gewollt sind die langwierigen Dialoge von Jack Fincher.

Szene aus dem Film zeigt Amanda Seyfried als Marion Davies
Netflix
Perfekt ausgeleuchtet, fantastisch gespielt, doch dünne Dialoge: Amanda Seyfried hat zu wenig Spielraum

Lediglich „Citizen Kane“, den 2016 Donald Trump als seinen Lieblingsfilm bezeichnete, dürfte im Vorfeld des Netflix-Starts wieder einmal neues Publikum gefunden haben. Für Fincher ist der Netflix-Ausflug in jedem Fall noch nicht zu Ende: Wie in der Branchenzeitschrift „The Verge“ im November berichtete wurde, hat er einen exklusiven Vierjahresdeal mit der Plattform abgeschlossen – wie sehr Fincher dabei jedoch kreative Freiheit hat, wird auch vom Erfolg von „Mank“ abhängen. Dass Hollywood Filme über sich selbst liebt, ist eine Binsenweisheit, deren Stichhaltigkeit anhand des Erfolges von „Mank“ bei den Oscars zu überprüfen sein wird.