Passanten auf einer Einkaufsstraße
APA/Helmut Fohringer
Leichte Lockerung

„Haben nicht viel Spielraum“

Mit 6. Dezember endet der harte Lockdown und es treten wieder einige Lockerungen in Kraft. Schulen und Handel öffnen mit Einschränkungen, Gastronomie und Tourismus bleiben zu. Für einige sind die Lockerungen zu wenig, für andere angesichts der Infektions- und Todeszahlen zu viel und zu früh. Herwig Ostermann, Gesundheitsmanager der Public-Health-Einrichtung Gesundheit Österreich, hält es für eine maßvolle Entscheidung.

„Wir befinden uns aber nicht in einer Situation, wo wir viel Spielraum haben“, betonte Ostermann im Ö1-Morgenjournal. Es sei nicht zu früh gewesen zu öffnen – vor allem Schlüsselsegmente wie die Schulen. Zudem werde der harte Lockdown noch zehn bis 14 Tage nachwirken. „Aber wir müssen weiterhin die Tugenden, die wir erlernt haben, wie Distanz halten, auf individueller Ebene einhalten“, mahnte Ostermann zu Vorsicht. Jeder solle prüfen, wo Kontakte reduziert werden können.

„Spielentscheidend ist, dass wir vor Weihnachten auf eine maßvolle Zahl von Neuinfektionen kommen.“ Wenn es gelinge die Dunkelziffer zu drücken gemeinsam mit einem Rückgang der Infektionen, werde die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung reduziert. Eine der Maßnahmen dafür seien die Massentests. Damit könnten die Infektionszahlen auch reduziert werden, weil Ansteckungsketten unterbrochen werden könnten. Damit werde Contact-Tracing wieder besser möglich.

Kurz verteidigt Massentests

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Mittwoch in der ZIB2 einmal mehr die Massentests verteidigt, die in Annaberg in Salzburg bereits durchgeführt wurden und in Wien am Freitag starten sollen. Zuvor hatte es große Probleme bei der Anmeldung zu den Tests über die Website gegeben. Sie musste über mehrere Stunden sogar vom Netz genommen werden. „Die Anmeldung läuft jetzt wieder sehr gut“, sagte der Kanzler dann am Abend.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits- und Verteidigungsministerium haben auf Hochtouren gearbeitet“, so Kurz in der ZIB2, damit alles wieder funktioniere. Dass es Herausforderungen bei der Anmeldung gebe bei einem System, das gerade erst in kürzester Zeit programmiert worden sei, sei „vollkommen klar“. Die Expertinnen und Experten hätten aber rasch wieder alles im Griff gehabt, was ihn auch stolz mache. Er bat darum, „nicht überall das Haar in der Suppe“ zu suchen.

Als Grund nannte Kurz ein „technisches Problem“. Laut der vom Gesundheitsministerium beauftragten A1-Tochter World Direct sei vergessen worden, Testdaten zu löschen. Es habe keine Gefahr eines Datenlecks und auch keinen Hackerangriff gegeben, wurde seitens World Direct gegenüber der APA versichert. Die Plattform sei unter großem Zeitdruck erstellt worden. Dennoch sei sie natürlich auf Sicherheit getestet worden – mit Testdaten. Und im Zeitdruck sei dann offensichtlich vergessen worden, die Testkonfiguration zurückzustellen.

„Stehe zum Projekt“

Auch die Durchführung des Großprojekts der Massentests im ganzen Land verteidigte Kurz in der ZIB2 einmal mehr. Einfacher wäre es, das ganze Land zuzusperren, so der Kanzler, doch er habe sich für die Massentestungen entschieden. „Ich stehe zum Projekt der Massentests“, so der Kanzler.

Kanzler Kurz zu den Lockerungen

Die Regierung hat am Mittwoch Regeln für die Zeit nach dem Lockdown präsentiert. Der Handel sperrt wieder auf, die Unterstufen haben Präsenzunterricht, Hotels und Gastronomie bleiben aber zu. Zu den Lockerungen war Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Gast in der ZIB2.

Er rechne rund um den 6. Dezember mit etwa 3.000 Neuinfizierten am Tag und wolle auch durch die Massentests das „Infektionsniveau deutlich nach unten pressen“. Der Kanzler erwartet aber auch, dass um Weihnachten herum das Infektionsgeschehen wieder zunimmt. Deshalb appellierte er: „Je weniger Menschen unter dem Weihnachtsbaum sitzen, desto besser.“

Der Bundeskanzler kündigte anschließend „vielleicht rund um die Heiligen Drei Könige“, also am 6. Jänner, eine zweite Phase der Massentests an. Wie hoch die Zahlen am 7. Jänner sein könnten, damit der Lockdown beendet werden kann, wollte Kurz nicht genau sagen. Vielmehr wolle er, dass die Menschen jetzt die Maßnahmen mittragen und sich testen lassen würden, wenn auch der Test nur eine Momentaufnahme sei. „Bitte mitmachen“, appellierte der Kanzler.

Aufruf von Landeshauptleuten

Als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz rief der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Donnerstag via Aussendung dazu auf, an den freiwilligen Massentests teilzunehmen: „Die anstehenden großflächigen Screenings sind ein wichtiges Instrument, um das Infektionsgeschehen in Österreich als Ganzes zu beurteilen und daraus die richtigen Maßnahmen zu ziehen. Deshalb unser dringender Appell an die Bevölkerung: Lassen Sie sich testen!“ Die Bundesländer seien sich darüber einig, dass die anstehenden Testungen ein wirkungsvolles Werkzeug gegen CoV seien. Man hoffe, damit zukünftige Lockdowns weitgehend verhindern zu können.

„Standard“: Behobene Cyberattacke am Vormittag

Laut „Standard“ ereignete sich die „Distributed Denial of Service“-Attacke, kurz DDoS, auf die Anmeldewebsite für die Massentests am Vormittag. Bei DDoS-Attacken werden in schneller Abfolge so viele Anfragen an einen Server gestellt, bis dieser unter der Last zusammenbricht. Dieses Problem schien man laut „Standard“ aber rasch in den Griff bekommen zu haben – nur um dann die Website wegen anderer Probleme wieder offline nehmen zu müssen.

Screenshot der Webseite österreich-testet.at zeigt Wartungsarbeiten
Screenshot österreich-testet.at
Der Hinweis auf der Anmeldewebsite, bevor wieder alles funktionierte

APA-Informationen zufolge war es dann nämlich nicht möglich, sich für einen Test in seiner Heimatgemeinde anzumelden. Dafür konnte eine Person eine Teststraße für einen ganzen Tag buchen und damit völlig lahmlegen. Auch E-Mail-Adressen der angemeldeten Personen seien verschwunden, hieß es. Damit wäre die Verständigung nach Vorliegen des Testergebnisses erschwert bis unmöglich. Zudem muss bei einem positiven Testergebnis die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde die Absonderung aussprechen. Wenn nun außerhalb des Heimatbezirks getestet wird, können die Behördenmitarbeiter nicht, wie geplant, das gleich erledigen.

Kärntner bekamen Wiener Daten

Berichte von Problemen mit dem Anmeldesystem kamen unter anderem aus Kärnten. So hätten Kärntner Pädagogen Testtermine und Daten von fremden Personen in Wien bekommen, wie Andreas Schäfermeier, Pressesprecher von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte.

„Wenn bis morgen keine Besserung eintritt“, dann werde Kärnten diesen Angaben zufolge auf ein „vorbereitetes analoges Anmeldesystem umstellen“. An dem IT-Anmeldesystem des Bundes nehmen sieben von neun Bundesländern teil. Vorarlberg und Tirol haben eigene Systeme. In Niederösterreich ist das Anmeldungsverfahren noch nicht angelaufen.

Auf Twitter berichteten einige Userinnen und User außerdem, ihnen würden keine Teststationen angezeigt, weder für den Bezirk noch für ihr Bundesland. Andere wiesen auch darauf hin, den Spam-Ordner nach Bestätigungsmails zu durchsuchen, da Gmail offenbar Mails der Website in den Spam-Ordner sortiere.

NEOS „fassungslos“, SPÖ ortete „Lachnummer“

„Fassungslos" reagierte NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos. „Diese Bundesregierung hantelt sich von einem Datenleck zum nächsten“, urteilte er. Er erwähnte unter anderem das Ergänzungsregister und die Cyberangriffe auf das Außenministerium. „Das neuerliche Datenleck ist nur ein Beispiel für den verantwortungslosen Umgang dieser Regierung mit Datenschutz“, so Hoyos. Die Regierung habe die Cybersicherheit nicht im Griff.

Harte Kritik kam auch von der SPÖ. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ortete eine „Lachnummer“. „Nach der gescheiterten Corona-Ampel und dem völlig verkorksten Launch der Plattform ‚Kaufhaus Österreich‘ offenbart die Regierung mit dem Datenleck auf der Anmeldeplattform zu den Massentests den nächsten peinlichen Dilettantismus“, so Deutsch. „Der Kanzler inszeniert sich gerne als Macher und kündigt einfach Maßnahmen an, ohne dafür die notwendigen Vorbereitungen zu treffen.“

Gesundheitsministerium: Telefonanmeldung Ländersache

Kritik an der an sich um Mitternacht angelaufenen Anmeldung war zuvor auch aus Wien gekommen. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bemängelte, dass keine telefonische Anmeldung möglich ist – mehr dazu in wien.ORF.at. Auch der aktuelle Stand der Anmeldungen bleibt offen. Das Abfragen der Anmeldezahlen sei offenbar noch nicht möglich, hieß es dazu am Nachmittag aus dem Büro von Hacker. Das Gesundheitsministerium verwies in puncto telefonischer Anmeldung wiederum auf die Länder, da das nicht Bundesangelegenheit sei.

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer kann es laut eigenen Angaben nicht fassen, wie er in einer Aussendung schrieb: „Nach dem veritablen Bauchfleck mit der Onlineplattform ‚Kaufhaus Österreich‘ liefert die Regierung innerhalb von wenigen Stunden die nächste Panne.“ „Die Regierung ist in der digitalen Gegenwart nicht angekommen“, so Hofer weiter. Er fürchte außerdem, dass bereits überlastete Behörden bei der Bescheiderstellung nicht hinterherkommen würden: „Weihnachten wird heuer im Coronavirus-Massentestchaos versinken.“