Rumäniens Präsident Klaus Werner Iohannis
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Wahl in Rumänien

Hoffnung auf Ende von Korruption

Nach Jahren des Chaos, der Korruption und der Proteste dagegen könnte die Parlamentswahl am Sonntag richtungsweisend für Rumänien werden. Laut Umfragen wird die liberalkonservative PNL als stärkste Kraft aus dem Rennen gehen. Die meisten Hoffnungen ruhen aber auf ihrem potenziellen Koalitionspartner, dem jungen Reformbündnis USR-Plus. Abgestraft werden wohl die postkommunistischen Sozialdemokraten (PSD), die die Wahl 2016 noch haushoch gewonnen hatten.

Knapp 19 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, die 136 Senatorinnen und Senatoren sowie 329 Abgeordneten der neuen Legislative in Bukarest zu wählen. Es gibt rund 19.000 Wahllokale im Land. Am Vormittag hatten nur knapp 13 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die etwa vier Millionen Auslandsrumäninnen und -rumänen können, wie schon bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr, an zwei Tagen bzw. bereits seit Samstag abstimmen, damit sollen insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie Warteschlangen möglichst vermieden werden.

Rumäniens Auswärtiges Amt ließ diesmal insgesamt 748 Wahllokale im Ausland einrichten, darunter 17 in Österreich – sechs in Wien, jeweils zwei in Salzburg, Linz und Graz sowie jeweils eines in Klagenfurt, Bregenz, Innsbruck, Sankt Pölten und Eisenstadt.

Junge Partei als Hoffnungsträger

Ministerpräsident Ludovic Orban führt mit seiner PNL seit rund einem Jahr eine Minderheitsregierung, nachdem die Sozialdemokraten per Misstrauensvotum gestürzt wurden. Nun dürfen die Konservativen auf rund ein Drittel der Stimmen und damit den Wahlsieg hoffen. Als Partner einer künftigen Regierung kommt vor allem die USR-Plus infrage. Erst vor vier Jahren wurde die Partei gegründet. Sie positionierte sich als junge, proeuropäische Partei, die vor allem nicht im Verdacht steht, korrupt zu sein. In Umfragen kommt sie zumeist auf knapp über 20 Prozent.

Rumäniens Premierminister Ludovic Orban
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Ludovic Orban führt eine Minderheitsregierung an

Bei der Kommunalwahl im September zeigte sich bereits, wo das aus der Zivilgesellschaft entstandene Reformbündnis besonders stark ist: in den Städten und bei der jungen, besser gebildeten Bevölkerung. In mehreren Städten, so auch in der Hauptstadt Bukarest, eroberte man aus dem Stand das Bürgermeisteramt. Viel Rückhalt hat die Partei auch bei den im Ausland lebenden Rumäninnen und Rumänen – eine große und einflussreiche Gruppe im Land.

Rumänische Politikbeobachter hoffen jedenfalls auf eine Regierungsbeteiligung von USR-Plus, dem Bündnis traut man die Rolle als Reformmotor zu, während Orban in den vergangen Monaten kaum nennenswerte Schritte gesetzt hat. Die regierenden Konservativen etwa hätten, so Beobachter, in den letzten zwölf Monaten noch keine einzige der hochumstrittenen Gegenreformen der PSD, etwa im Justizbereich, zurückgenommen, obwohl es ihnen per Eilverordnung durchaus möglich gewesen wäre.

Präsident hofft auf Ende des „Alptraums“

Einen prominenten Fürsprecher für eine Regierungsbeteiligung haben die jungen Reformer: Staatschef Klaus Johannis, selbst ehemals PNL-Chef. Aus seiner ehemaligen Partei kommen aber widersprüchliche Signale. So etwa zeigte der liberale Fraktionschef Daniel Fenechiu jüngst auf, dass das Bündnis USR-Plus für seine Partei „keineswegs die erste Option“ als Koalitionspartner darstelle – „Vorrang“ hätten „Schwesterparteien“ aus der gleichen europäischen Familie (EVP) bzw. die Kleinpartei PMP und der Ungarn-Verband UDMR.

Johannis warnte, dass „Rumänien sich keinen weiteren Zyklus der Unterentwicklung leisten kann“. Der Urnengang sei bestimmend für die Zukunft des Landes, das eine reformwillige Parlamentsmehrheit brauche, um endlich den erhofften Aufbau in Angriff nehmen zu können. Es gelte, in seit Jahren vernachlässigten Schlüsselbereichen Investitionsprojekte anzustoßen, Reformen einzuleiten, die Justizreform der PSD zurückzunehmen, die Korruptionsbekämpfung wieder anzukurbeln – der von der PSD losgetretene „Alptraum der letzten Jahre“ müsse am 6. Dezember ein Ende nehmen, so der Präsident.

Rumäniens Präsident Klaus Werner Iohannis
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Johannis sprach sich offen für eine Koalition zwischen PNL und Reformbündnis aus

Strippenzieher im Gefängnis

Die PSD selbst ist in einer schweren Krise, Parteichef Marcel Ciolacu gilt als wenig beliebt. Das Chaos der vergangenen Jahre ist vor allem mit einem Namen verbunden: Liviu Dragnea. Als PSD-Chef ab 2015 galt er als mächtigster Mann des Landes, und das obwohl er kein Regierungsamt innehatte. Als sein zentrales politisches Ziel galt die Entkriminalisierung von Korruption, wohl auch um selbst nicht strafrechtlich verfolgt werden zu können. Binnen weniger Monate feuerte er zwei von seiner Partei gewählte Ministerpräsidenten, Sorin Grindeanu 2017 und Mihai Tudose 2018. Auch seinen Vorgänger Victor Ponta ließ er aus der Partei werfen. Ministerpräsidentin seiner Gnaden wurde seine Vertraute Viorica Dancila.

Ende Mai 2019 musste Dragnea wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre eine Haftstrafe für dreieinhalb Jahre antreten. Noch im Gefängnis versuchte er zu verhindern, dass ihm die ehemalige Vertraute Dancila den Posten des Parteichefs streitig macht.

Massenproteste über Jahre hinweg

Begleitet wurden die Ereignisse über Jahre durch Massenproteste auf den Straßen. Nachdem Dancila Anfang November des Vorjahrs zunächst per Misstrauensantrag die Regierungsverantwortung verloren hatte, unterlag sie wenig später auch bei der Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Johannis. Heuer im Sommer wurde der zuvor eher farblose Parteisoldat Ciolacu zum Parteichef, er will die PSD in eine „moderne europäische Linkspartei der Mittelschicht“ verwandeln.

Laut Beobachtern ist das ein weiter Weg: Denn bisher gilt die Partei als erzkonservativ, national-populistisch und tendenziell EU-skeptisch. Ihre Machtbasis hat sie in den ärmeren Bevölkerungsschichten am Land – unterstützt von der orthodoxen Kirche. Angesichts schwächelnder Umfragedaten versuchte man, die Wahl noch bis ins Frühjahr 2021 hinauszuzögern, und verwies auf die Coronavirus-Pandemie.

Das Vorhaben scheiterte, dennoch ist die Wahl eine Herausforderung in Pandemiezeiten. Im Land gab es bisher knapp 490.000 Coronavirus-Infektionen und rund 11.700 gemeldete Tote. Das entspricht einer Rate von 60 Toten pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Österreich liegt bei knapp 40, Schweden bei 68 und Italien bei 95.

Druck durch EU

Hoffnung auf Reformen hegt man nicht nur in Rumänien selbst, sondern auch in ganz Europa: Zwar ist der Druck vor allem durch die EU für Reformen vorhanden, doch genau jene Stellen, die zur Bekämpfung dienen sollen, Sicherheitsbehörden und Justiz, sind dabei oft eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

Im September 2002 wurde die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA) als unabhängige Behörde zur Bekämpfung der Korruption gegründet. Die Behörde gehörte zu jenen Reformen, die mit Blick auf den EU-Beitritt Rumäniens 2007 geplant wurden. Für die Leiterin Laura Kövesi entpuppte sich die Arbeit als Kampf gegen Windmühlen, 2018 wurde sie entlassen. In diesem Jahr lag Rumänien im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International immer noch auf Platz 63 von 180.

Gründe für die weit verbreitete Korruption in Rumänien sind laut EU-Studien die verbreitete Armut der Bevölkerung, die Unterbezahlung der öffentlich Bediensteten sowie die immer noch instabile Gesetzeslage und insbesondere die Selbstbereicherungsmentalität der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Laut Umfragen glauben 96 Prozent der Rumäninnen und Rumänen, dass Korruption zu den schwerwiegendsten Problemen im Land gehöre.