Der designierte US-Präsident Joe Biden
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Außenpolitik

Bidens große Brocken

In Sachen US-Außenpolitik warten auf den designierten demokratischen US-Präsidenten Joe Biden nach seiner Angelobung am 20. Jänner einige große Brocken. Von der angespannten Lage und dem Handelskrieg mit China bis hin zum Iran und auch Russland, wird erwartet, dass Biden und sein Außenminister Antony Blinken anders vorgehen als der republikanische Noch-US-Präsident Donald Trump. Doch „weicher“ soll die US-Außenpolitik damit in einigen Fällen nicht werden.

Biden will die USA in der Außenpolitik wieder groß machen und eine Abkehr vom Nationalismus Trumps – Stichwort „America First“ –, wie er bereits im Frühjahr in einem Beitrag für das Magazin „Foreign Policy“ skizzierte. Die USA sollen, geht es nach dem Willen Bidens, wieder die Führung in der Weltpolitik übernehmen. Dabei ist die internationale Zusammenarbeit mit Partnern von höchster Bedeutung. Dazu gehören auch internationale Abkommen und Verträge wie etwa das Pariser Klimaabkommen, aus dem die USA ausgetreten sind und dem Biden wieder beitreten will. Auch die Stützung von Organisationen wie etwa der UNO und ihrer weltweit tätigen Unterorganisationen fällt darunter.

Biden will auch ein neu geordnetes Verhältnis zur EU nach dem Brexit, den Trump gelobt hatte. Dem konservativen britischen Premierminister Boris Johnson hatte er gleich ein neues Handelsabkommen mit Großbritannien in Aussicht gestellt. Auch mit dem europäischen Schwergewicht Deutschland will Biden ein neues Verhältnis aufbauen. Doch die Interessen der beiden Staaten sind unterschiedlich, wie jüngst der „Spiegel“ schrieb.

Der designierte US-Außenminister Antony Blinken
Reuters/Joshua Roberts
Bidens designierter Außenminister Antony Blinken

Putin sah Obama-Biden-Regierung als schwach an

Als Beispiel dazu sei etwa die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ zwischen Russland und Deutschland genannt. Sie soll russisches Erdgas nach Westeuropa bringen. Die USA warnten bisher immer vor einer Gasabhängigkeit von Russland und Kreml-Chef Wladimir Putin. Hier gilt es etwa als wahrscheinlich, dass Biden die bisherige US-Linie fortführen wird. Auch zu Putin wird der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama sein Verhältnis aufbauen müssen. Die rechtswidrige Annektierung der Krim durch Russland 2014 ist Biden noch in guter Erinnerung.

Für Putin galt die Regierung Obama-Biden als schwach und unentschieden, neben der Krim etwa auch in ihrer Syrien-Politik. Ein Beispiel dabei ist Obamas „rote Linie“ gegenüber dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wegen dessen Chemiewaffeneinsatzes gegen Aufständische. Außer Verbalattacken hatte der Giftgaseinsatz dann schließlich doch keine Konsequenzen vonseiten der USA. Assad wird vom Kreml stark unterstützt. Das Verhältnis zwischen Washington und Moskau ist derzeit aber auch aus einem anderen Grund schwer angeschlagen. Zu sehr sind noch die russischen Einmischungen in die Präsidentschaftswahl vor vier Jahren und die daraufhin folgenden US-Untersuchungen bis hin zu Trump und seinem Umfeld in Erinnerung.

Harte Linie mit China erwartet

Auch mit China ist das US-Verhältnis alles andere als gut. Die USA befinden sich mit der immer größer werdenden Wirtschaftsmacht im Handelskrieg, in dem bisher kein Ende absehbar ist. Zusätzlich stößt den USA die antidemokratische Politik Pekings in Hongkong weiter sauer auf. Laut Insidern planen die USA noch während der Amtszeit Trumps weitere Sanktionen gegen China.

Joe Biden und Xi Jinping
Reuters
Joe Biden und Xi Jinping bei einem Treffen 2013, als Biden noch Vizepräsident war

Biden will die von Trump eingeführten Zusatzzölle auf Produkte aus China und andere Maßnahmen im Handelskonflikt vorerst beibehalten. Er werde seine Optionen nicht einschränken, sagte Biden der „New York Times“ („NYT“) Anfang Dezember. Für seine eigene China-Politik wolle er aber rasch eine breite internationale Koalition schmieden. „Die beste China-Strategie ist eine, die jeden unserer Verbündeten – oder zumindest solche, die es einmal waren – auf eine Linie bringt“, so Biden.

China will den Dialog suchen

„Ich werde keine Handelsabkommen mit irgendjemandem eingehen, bevor wir große Investitionen hier zu Hause und für unsere Arbeiter unternommen haben“, so Biden. Trump hatte im Handelskonflikt Strafzölle von 25 Prozent auf diverse Produktkategorien aus China verhängt. Mit dem Abschluss eines ersten Abkommens (Phase eins) im Jänner hatte China zugesagt, seine Einfuhren von Waren und Dienstleistungen aus den USA bis Ende 2021 um 200 Milliarden US-Dollar (167 Mrd. Euro) im Vergleich zu 2017 zu steigern. Bisher ist dieses Ziel noch weit entfernt. Biden sagte der „NYT“, er werde dieses Abkommen vorerst nicht antasten.

Chinesische Presse berichtet über Wahlsieg von Joe Biden
APA/AFP/Noel Celis
Chinesische Zeitungen spekulieren nach dem Sieg Bidens über das US-chinesische Verhältnis

Peking will nach der Amtseinführung Bidens wieder das Gespräch mit Washington suchen. „Wir müssen danach streben, den Dialog wiederaufzunehmen, auf den richtigen Pfad zurückzukehren und gegenseitiges Vertrauen wiederherzustellen“, sagte der chinesische Außenminister Wang Yi am Montag während einer Videoschaltung mit dem Vorstand des US-chinesischen Wirtschaftsrats USCBC. Wichtig sei, auch mit Blick auf „Probleme, die nicht sofort gelöst werden können, eine konstruktive Einstellung zu bewahren“, sagte Wang. Verhindert werden müsse eine „Intensivierung und Eskalation der Gesamtsituation“ in den Beziehungen zwischen China und den USA.

Iran: Biden für Verschärfung des Atomabkommens

Biden bekräftige Anfang Dezember in dem Interview mit der „NYT“ auch seinen Willen zu einer Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran als Startpunkt für neue Verhandlungen. „Es wird schwierig werden, aber ja“, sagte Biden. Nach einer Rückkehr zu dem 2015 vereinbarten Abkommen solle es Verhandlungen über Folgeabkommen geben, um die Atombeschränkungen gegen den Iran zu „verschärfen und zu verlängern“, sagte Biden. Dabei solle es dann auch um das iranische Raketenprogramm gehen. Unter Präsident Trump waren die USA im Mai 2018 einseitig aus dem Vertrag ausgetreten und hatten neue Sanktionen gegen den Iran verhängt. Teheran rückte in der Folge schrittweise von dem Abkommen ab und fuhr die Urananreicherung hoch.

US-Präsident Donald Trump
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Noch-US-Präsident Trump hat eine eigene Linie in der Außenpolitik gefahren

Biden sagte nun der „NYT“, es gebe zwar auch Probleme mit dem iranischen Raketenprogramm und weiteren Aktivitäten des Landes, „die die Region destabilisieren“. Der „beste Weg, um etwas Stabilität in der Region zu erreichen“, sei aber, sich zunächst mit dem Atomprogramm zu befassen. Sollte der Iran an Atomwaffen gelangen, würde das auch Saudi-Arabien, die Türkei und Ägypten unter Druck setzen, sich solche Waffen zu beschaffen, warnte der frühere Vizepräsident. „Und das verdammt noch mal Letzte, was wir in diesem Teil der Welt brauchen, ist ein Aufbau atomarer Fähigkeiten.“

Die europäischen Partner des Abkommens – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – setzen sich energisch für den Wiedereinstieg der USA in das Atomabkommen ein. Berlin, Paris und London begrüßten denn auch die Äußerungen Bidens zum Atomabkommen und zu „einem diplomatischen Weg, um weitere Anliegen im Hinblick auf den Iran zu behandeln“, ausdrücklich. „Dies ist in unser aller Interesse“, hieß es in der Erklärung.

Was tun mit Venezuela und Guaido?

Auch in Südamerika muss Biden nach der Politik der Trump-Regierung neues Profil zeigen. So schossen sich Trump und weitere republikanische Politiker auf den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro ein und wollten für dessen politischen Rückzug sorgen. Hoffnungsträger der USA war der selbst ernannte Interimspräsident, Parlamentspräsident Juan Guaido. Maduro und Guaido lieferten sich einen erbitterten Machtkampf. Erfolg war Guaido trotz US-Unterstützung und nach viel Hin und Her allerdings nicht beschieden.

Nach der umstrittenen Parlamentswahl in dem von zahlreichen Krisen geschüttelten Land am Wochenende, deren Ergebnis die EU nicht anerkennt, beanspruchte Maduro nun den Sieg für die Sozialisten. Große Teile der Opposition hatten die Wahl vom Sonntag boykottiert. Viele Bürger folgten den Aufrufen der Maduro-Gegner, keine Stimme abzugeben. Die Beteiligung lag bei nur 31 Prozent. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte bereits im Vorfeld erklärt, die Voraussetzungen für eine freie und faire Wahl seien nicht gegeben. Die Hoffnungen auf einen Systemwechsel wandern nun von Trump auf Biden.

Guaido hoffte bereits im Vorfeld der Wahl auf eine konsequente Rückendeckung Bidens. Die neue US-Regierung müsse in Absprache mit der EU und den lateinamerikanischen Ländern den Druck auf Maduro aufrechterhalten, sagte Guaido in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP vor der Wahl. Guaido warnte die neue US-Regierung davor, direkten Kontakt zu Maduro aufzunehmen. „Das wäre eine Tragödie“, sagte er. Der Druck auf Maduro, seine Macht abzugeben, würde schwinden, wenn er wüsste, dass er „anerkannt werde“. Bidens Berater hatten angekündigt, das Gespräch mit dem offiziellen Präsidenten Maduro zu suchen.