„Ibiza“-Ausschuss: Parteien ziehen Bilanz zur Halbzeit

Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne sowie die Opposition mit SPÖ und NEOS haben heute Bilanz zu einem Halbjahr „Ibiza“-U-Ausschuss gezogen. Während sich die ÖVP über das bisherige Ergebnis ernüchtert zeigte, bezeichneten SPÖ und NEOS die Arbeit des „Ibiza“-U-Ausschusses bisher als sehr erfolgreich.

Nicht nur habe man die „Verfilzungen zwischen dem Glücksspiel und der Politik“ aufzeigen, sondern auch dem „System Kurz“ (Kanzler Sebastian Kurz, ÖVP, Anm.) nachgehen können, wie die beiden Fraktionsführer Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) heute zur Halbzeit bilanzierten.

Mehrere Stränge „torpediert“

Beide beklagten jedoch abermals die Torpedierung der Arbeit des U-Ausschusses sowie jene der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – vor allem – durch die ÖVP. „Es wurde noch nie ein U-Ausschuss so heftig bekämpft wie dieser“, sagte Krainer.

Dem pflichtete Krisper bei und merkte an, dass man anfänglich befürchtet habe, dass die FPÖ „alles tun“ werde, um den U-Ausschuss zu sabotieren, es habe sich aber anders herausgestellt, so Krisper: „Wir sehen ganz klar, dass vom Kanzler abwärts zwei Stränge torpediert werden sollen.“ Zum einen soll die Arbeit der Justiz, zum anderen die parlamentarische Aufklärungsarbeit behindert werden.

Krisper: Arbeit der WKStA gestört

Die Arbeit der WKStA sei von Beginn an gestört worden, so Krisper, die diesbezüglich auf „schikanöse Dienstaufsichtsverfahren“, hemmende Weisungen und auf die umfassende Berichterstattung verwies, die der WKStA auferlegt worden sei, um ihr die Arbeit zu erschweren.

Das sei so weit gegangen, dass eine „erfolgreiche Ermittlerin“ das Handtuch geworfen habe. Staatsanwältin Christine Jilek, die für Teile der Ermittlungen in der „Ibiza-Affäre“ wie etwa die Schredderaffäre zuständig war, ist nicht mehr bei der WKStA aktiv. Krisper sagte, sie habe kein Verständnis dafür, dass Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hier nicht durchgreife.

Noch immer kein „Ibiza-Video“ im Ausschuss

Zudem sei das „Ibiza-Video“ nach wie vor nicht im U-Ausschuss angekommen, so Krisper, die an die Aussage von Zadic erinnerte, wonach das Filmmaterial ehestmöglich bzw. noch vor den Feiertagen übermittelt werden soll: „Es wird wohl unser Weihnachtsfernsehen werden.“

Freilich werde man den Privatdetektiv Julian H., der die heimliche Aufnahme des „Ibiza-Videos“ initiiert haben soll und der vor Kurzem in Deutschland festgenommen wurde, ebenfalls in den U-Ausschuss laden und zu seinem Motiv bzw. etwaigen Hintermännern befragen.

Auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Kurz sollen noch einmal geladen werden, um diese noch einmal mit der Aktenlage zu konfrontieren, so Kripser: „Wir haben momentan eine sehr lange Ladungsliste.“

Anwalt: Julian H. nicht wegen Videos verhaftet

Das Berliner Kammergericht hält die Beteiliung H.s an der Herstellung und Verbreitung des „Ibiza“-Videos seinem Anwalt zufolge nicht für strafbar. Das Kammergericht halte eine Auslieferung von H. „wegen dieser Taten nicht für zulässig“.

Dem Privatdetektiv H. dürfte nach einer eventuellen Auslieferung nach Österreich dementsprechend wegen der Herstellung und Verbreitung des Videos nicht der Prozess gemacht werden, erklärte der Anwalt weiter. Verhaftet wurde H. ausschließlich wegen des Vorwurfs des Verkaufs von Betäubungsmitteln und der versuchten Erpressung von Heinz-Christian Strache, dem ehemaligen FPÖ-Vorsitzenden und Vizekanzler von Österreich.

Halbzeitbilanz für ÖVP ernüchternd

Für die ÖVP fiel die Halbzeitbilanz des U-Ausschusses ernüchternd aus. „Der Ausschuss mag zwar für jede Menge Aufregung, überhitzte Schlagzeilen und Aufgeregtheit gesorgt haben, sein eigentliches Ziel der konstruktiven Aufklärung hat er jedoch meilenweit verfehlt“, so Fraktionsführer Wolfgang Gerstl in einer Aussendung.

Gerstls Kritik galt vor allem dem bisherigen Ladungsverlauf. Auch wenn der U-Ausschuss ein „Instrument der Minderheit“ sei, brauche es doch eine „ausgewogene Gesamtstrategie“ in den Befragungen. Diese geht Gerstl jedoch ab. Von den 55 Auskunftspersonen der bis dato 24 Befragungstagen wurden 46 von SPÖ und NEOS geladen, dem stünden lediglich fünf von der Mehrheit und vier von der ÖVP geladene gegenüber, so Gerstl: „Allein daran erkennt man, dass der Ausschuss eine massiv parteipolitische Schlagseite hat, was den Ausschuss von Tag zu Tag unnachvollziehbarer gemacht hat.“

Grüne sehen Belege für „spendergeleitete Politik“

Anders bewertete der Regierungspartner den Ausschuss. Durch den U-Ausschuss hätten die Österreicher einen „tiefen Einblick in ein türkis-blaues System erhalten, das versucht hat, die Republik still und heimlich umzubauen“, sagte die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Für sie zeugten im U-Ausschuss „zahlreiche Belege“ für diese „spendergeleitete Politik“.

„Auffällig“ oft sei dabei das von der ÖVP geführte Finanzministerium „Drehscheibe für den heimlichen Republiksumbau“ gewesen. Zudem wisse man aufgrund der gefundenen Chats von Strache, dass der mutmaßliche Gesetzeskauf unter Türkis-Blau „sogar per SMS und ganz direkt abgehandelt wurde“, so Tomaselli.