LGBT-Demonstration in Budapest
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„Vater Mann, Mutter Frau“

Ungarn schränkt LGBT-Rechte weiter ein

Das ungarische Parlament hat am Dienstag mit Regierungsmehrheit für eine Modifizierung des Grundgesetzes gestimmt. Die Rechte der LGBT-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmenschen) werden damit weiter eingeschränkt – so wird festgeschrieben, dass Elternschaft nur aus Frau und Mann bestehen kann. Homosexuelle werden vom Recht auf Adoption ausgeschlossen.

„Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“, heißt es in dem Beschluss, der auf der Website des Parlaments veröffentlicht wurde. Ausnahmen von der Beschränkung des Adoptionsrechts bedürfen der Genehmigung durch das Familienministerium. Zudem wird mit der Novelle festgelegt, dass das Geschlecht eines Menschen allein als jenes zum Zeitpunkt seiner Geburt zu bestimmen ist. Bereits seit Mai kann in Ungarn keine Änderung des Geschlechts mehr in die amtlichen Register eingetragen werden.

Die Verfassungsänderung war seitens der Regierung mit dem stärkeren Schutz der Familien und der Sicherheit der Kinder, die einen Anspruch auf die geschlechtliche Identität zum Zeitpunkt der Geburt haben sollen, begründet worden. Eine weitere neue Passage könnte das Recht auf freie Bildung und Erziehung beschneiden. In Schulen und Kindergärten könnten künftig Lehrinhalte, die konfessionsneutral sind oder sexuelle Minderheiten in positiver Weise darstellen, verboten sein.

Berufung auf „christliche Kultur Ungarns“

„Ungarn schützt das Recht der Kinder auf ihre bei der Geburt erhaltene geschlechtliche Identität und garantiert eine Erziehung entsprechend der Werteordnung, auf der die verfassungsmäßige Identität und christliche Kultur Ungarns beruhen“, heißt es in der Passage der Novelle. Die Beschneidung der Rechte von Homosexuellen und Transgender-Personen hatte bereits im Vorfeld zu scharfer Kritik seitens der EU und der ungarischen Opposition geführt.

Der ungarische Premier Viktor Orban
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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in den Reihen der Abgeordneten seiner rechtspopulistischen FIDESZ

Amnesty Ungarn: „Dunkler Tag“

Scharfe Kritik kam umgehend nach dem Beschluss von Menschenrechts-NGOs. David Vig, Direktor von Amnesty Ungarn, sprach von einem „dunklen Tag“ für Ungarns LGBT-Community und die Menschenrechte. Es handle sich um „diskriminierende, homophobe und transphobe“ Gesetzen. Er sei selbst homosexuell und überlege genau, ob er in der Öffentlichkeit „die Hand meines Freundes halte“, fügte Vig hinzu. Er erhalte „immer mehr diskriminierende Nachrichten – auch Hassbotschaften und Morddrohungen“.

Die NGO Transgender Europe (TGEU) forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, dem Thema Aufmerksamkeit zu schenken. „Wir sind zutiefst besorgt um die Gesundheit und Sicherheit von Trans-Kindern und -Erwachsenen in Ungarn in einem solch feindseligen Klima“, sagte TGEU-Chef Masen Davis. Vom Dachverband der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexorganisationen ILGA hieß es, dass LGBT-Kinder gezwungen würden, „in einer Umgebung aufzuwachsen, die sie daran hindert, ihre Identitäten auszudrücken“.

Ernst-Dziedzic sieht „europäischen Dammbruch“

Aus Österreich kam umgehend eine politische Reaktion: Ewa Ernst-Dziedzic, Sprecherin der Grünen für LGBT und Außenpolitik, sprach in einer Aussendung von einem „europäischen Dammbruch“. Der Druck auf die Community in Ungarn nehme immer mehr zu – „öffentliche Hetze“ stehe an der Tagesordnung. „Uns erreichen Anrufe (…), die von einem regelrechten Kampf gegen beispielsweise Trans-Personen in Ungarn sprechen.“ Sie forderte einen sofortigen europäischen Schulterschluss.

Ungarisches Transgender-Paar bei Hochzeit
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Ein Transgender-Paar bei einer Hochzeit im ungarischen Polgardi im November. Das Klima für die LGBT-Community wird rauer.

Auch Wahlgesetz modifiziert

Mit 134 Ja- zu 60 Nein-Stimmen entschied das Parlament weiters über die Änderungen des Wahlgesetzes. Um eine Landesliste aufstellen zu können, muss eine Partei in Zukunft in mindestens 14 Komitaten und in der Hauptstadt 71 Kandidaten aufstellen. Bisher waren es 27 Kandidaten. Damit wird kleineren, allein antretenden Parteien die Listenaufstellung enorm erschwert.

Die Regierung hatte die Modifizierung mit dem Auftritt gegen „Fake-Parteien“ begründet. Es sollten nur Parteien mit tatsächlicher Unterstützung aus der Bevölkerung eine Landesliste aufstellen können. Bei den jüngsten Wahlen sei es mehreren solcher Parteien gelungen, Kandidaten aufzustellen, um sich so staatliche Finanzierung zu sichern.

Laut Opposition ist das wahre Ziel der Gesetzesmodifizierung nicht das Auftreten gegen Wahlbetrug, sondern die Verhinderung der koordinierten Aufstellung von Oppositionskandidaten und der landesweiten Bündelung ihrer Kräfte bei den Parlamentswahlen 2022.

Regelmäßiger Vorwurf der Verletzung von EU-Recht

Internationale Organisationen wie die UNO, der Europarat, die OSZE und die EU werfen dem rechtspopulistischen Regierungschef Viktor Orban immer wieder vor, die in Europa garantierten Rechte zu verletzen. Orban kündigte in der vergangenen Woche an, er werde Widerspruch gegen den Rechtsstaatsmechanismus einlegen, mit dem Zahlungen der EU an Ungarn mit der Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien verknüpft werden.