Gesichtsmasken im Schaufenster
Reuters/Leonhard Foeger
Wirtschaftsprognose

Neuer Lockdown erschwert Aufschwung

Die Coronavirus-Pandemie lässt Österreichs Wirtschaft heuer um rund siebeneinhalb Prozent einbrechen. Für kommendes Jahr rechnen die Experten und Expertinnen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) mit drei bis viereinhalb Prozent Wachstum. Durch einen neuen Lockdown könnte das Plus aber auf 2,5 Prozent statt 4,5 Prozent gebremst werden.

Die Arbeitslosigkeit erreicht heuer eine Rekordhöhe und sinkt danach nur langsam, eher erst im Jahr 2022 – und das Budgetdefizit dürfte heuer mit mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bisher nicht gekannte Höhen erreichen, geht aus den neuen Konjunkturprognosen von Freitag hervor.

Laut WIFO wird die Wirtschaftsleistung heuer bis zum Jahresende um 7,3 Prozent geschrumpft sein. Das IHS rechnet sogar mit einem Minus von 7,5 Prozent, für 2021 liegen die Erwartungen bei einem Anstieg von 4,5 (WIFO) bzw. 3,1 Prozent (IHS). Für 2022 sind WIFO und IHS verhalten optimistisch, das BIP-Plus soll 3,5 bzw. 3,8 Prozent betragen.

Grafik zeigt Daten zur WIFO/IHS-Konjunkturprognose
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO/IHS

Hohe Arbeitslosigkeit, sattes Defizit

Die Arbeitslosenrate, die 2019 nach nationaler Rechnung 7,4 Prozent betrug, dürfte heuer nach Einschätzung beider Institute auf 9,9 Prozent klettern und 2021 mit 9,3 (WIFO) bzw. 9,7 (IHS) Prozent sehr hoch bleiben. Nach 0,7 Prozent Budgetüberschuss gemessen am BIP im Vorjahr dürften heuer 10,1 bzw. 10,7 Prozent Abgang ins Haus stehen, 2021 dürfte das Minus 5,5 bzw. 6,4 Prozent betragen, übernächstes Jahr 3,0 Prozent.

Das Infektionsgeschehen und die Schutzmaßnahmen dagegen bestimmen weiterhin die Konjunkturentwicklung in Österreich und vielen anderen Ländern. Nach einem kräftigen Einbruch im ersten Halbjahr und einer deutlichen Erholung im dritten Quartal dürfte das heimische BIP wegen des jüngsten zweiten Lockdowns im Schlussquartal wieder sinken, erklärte das IHS am Freitag.

Dritter Lockdown würde Erholung 2021 stark beeinträchtigen

Der Wirtschaftseinbruch in Österreich durch die Pandemie wird heuer mit rund siebeneinhalb Prozent BIP-Rückgang stark sein. Für kommendes Jahr rechnen die Experten von WIFO und IHS mit drei bis viereinhalb Prozent Wachstum, sollte es nicht zu einem dritten Lockdown kommen.

Zweiter Lockdown bremste weniger

Ein positives Zeichen inmitten der Krise: Die Bremswirkung durch den seit November verhängten zweiten Lockdown ist aus Sicht des IHS merklich geringer als im Frühjahr. Ende März bis Anfang Mai lagen die wöchentlichen Werte der Wirtschaftsleistung um 20 bis 25 Prozent unter den Vorjahresniveaus, in der letzten November-Woche betrug die BIP-Lücke laut Nationalbank (OeNB) nur 13 Prozent. Als stabilisierend wirken vor allem Außenhandel und Bausektor.

Insbesondere der Wintertourismus werde wegen der anhaltenden Reisewarnungen empfindlich eingeschränkt bzw. falle ganz aus, so das WIFO. Erst in der wärmeren Jahreszeit und mit der erwarteten Durchimpfung der Bevölkerung könnten sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten wieder normalisieren. Sollte es im ersten Quartal 2021 einen neuerlichen Lockdown geben, würde ein konjunktureller Aufschwung erst im zweiten Quartal einsetzen, ansonsten wäre eine Erholung aus dem aktuellen, bisherigen Lockdown schon im ersten Vierteljahr möglich.

Im Szenario „Dritter Lockdown“ nimmt das WIFO ein vollständiges Herunterfahren für vier Wochen ab Ende Jänner 2021 an und danach einen Teil-Lockdown bis Ende März mit weiter geschlossenen Gaststätten und Beherbergungsbetrieben. Dieses Szenario könnte bewirken, dass das BIP 2021 nur um 2,5 statt um 4,5 Prozent wächst wie im Basisszenario erwartet.

Lockdown-drei-Szenario wird Realität

Nun dürfte aber gleich nach Weihnachten bis 18. Jänner heruntergefahren werden, offiziell wird die Politik das wohl Freitagabend verkünden. Für WIFO-Chef Christoph Badelt ändert das wenig: „Es sieht so aus, als ob unser Lockdown-drei-Szenario jetzt Realität wird. Ich rechne damit, dass dieses Szenario hält.“

Ökonomisch gesehen sei es unerheblich, ob der Lockdown etwas früher oder später komme. Ob es ab Mitte 2021 keiner wirtschaftlichen Einschränkungen mehr bedürfe, könne er nicht beantworten, sagte Badelt. Das sei „eine epidemiologische Aussage“. Die Frage, wie lang man sich die Krise leisten könne, stelle sich nicht: „Solange wir nur so die Zahl der Krankheiten herunterbringen, müssen wir die ökonomischen Kosten tragen.“

„Nachschärfen, aber weiter expansiv bleiben“

Notwendig sei nun eine sorgfältige Planung des Auswegs aus der Krise, sagten die führenden heimischen Wirtschaftsforscher. Nötig seien Strukturreformen, um wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückkehren zu können, sagte IHS-Chef und Fiskalratspräsident Martin Kocher. Momentan stehe die „Feuerwehr-Konjunkturpolitik im Vordergrund“, sagte auch Badelt. Man sollte jedoch „in eine Langfristorientierung hinübergleiten“, auch bei der Budgetpolitik.

Der WIFO-Chef warnte zudem davor, zu rasch auf einen Sparkurs einzuschwenken. Derzeit sei die expansive Politik weiter nötig, auch wenn man bei den einzelnen Unterstützungen stärker differenzieren sollte. Das gelte für den Fixkostenzuschuss und den Umsatzersatz, aber ganz besonders für „das teuerste“ der Programme, die Kurzarbeitshilfen. „Ja, nachschärfen, aber weiter expansiv bleiben.“ Die Pandemieeindämmung sei weiterhin das Wichtigste. Man dürfe nicht zu früh damit aufhören, Geld in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Spätere Sparmaßnahmen müsse man „sehr vorsichtig“, „nicht zu rasch“ vornehmen.

In der Arbeitsmarktpolitik würden die Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitsstiftungen angesichts der krisenbedingt hohen Arbeitslosigkeit an ihre Grenzen stoßen, daher sollten spezielle Programme für Ältere und andere auf dem Arbeitsmarkt besonders gefährdete Personen geschaffen werden, forderte Badelt. Vor der Krise habe es 300.000 Arbeitslose gegeben, „jetzt werden wir im Jahresschnitt 350.000 bis 380.000 haben – das ist eine unhaltbare Situation“. Es sei besser, ältere Menschen in ein Beschäftigungsprogramm hineinzunehmen, als sie via Arbeitslosengeld mit einer ähnlich hohen Geldsumme zu betreuen. Ob man das „Aktion 20.000“ nenne oder anders, sei egal.

Hoffen auf Normalität durch Impfung

„Im Jahresverlauf 2021 dürften zuerst die steigenden Außentemperaturen und spätestens in der zweiten Jahreshälfte auch die Durchimpfung der Bevölkerung wieder mehr gesellschaftliche und damit wirtschaftliche Aktivitäten zulassen, die Rückkehr zu einem normalen Sozialverhalten ermöglichen und damit die Konjunkturerholung stützen“, hofft das WIFO.

Auch das IHS geht davon aus, dass mit der Impfung breiter Gesellschaftsschichten die Gesundheitskrise ab Ende des Sommers überwunden wird, danach sollte die Wirtschaft auf einen moderaten Wachstumspfad zurückkehren, heißt es.