CoV-Erbgutreste könnten in menschliches Erbgut gelangen

Eine mögliche Erklärung für wiederholt positive PCR-Tests auch nach überstandener CoV-Infektion liefert eine Untersuchung von US-Forschern. Der Studie zufolge könnten in sehr seltenen Fällen kleine Schnipsel des Coronavirus-Erbguts in das menschliche Erbgut eingebaut werden. Das könnte im PCR-Test eine Infektion vortäuschen – obwohl die Viren längst aus dem Körper verschwunden sind, berichteten die Wissenschaftler in ihrer Vorabveröffentlichung, die noch nicht von unabhängigen Forschern geprüft wurde. Ganze Viren, die eine neuerliche Erkrankung auslösen und andere Menschen anstecken, könnten infolge der Erbgutübernahme aber nicht gebildet werden, schrieben die Wissenschaftler.

Fachkollegen beurteilten die Arbeit als wissenschaftlich spannend und die dargelegten Prozesse als prinzipiell glaubhaft, sehen aber überwiegend keine biologische Bedeutung der gezeigten Abläufe. „Völlig ausgeschlossen wird jedoch sein, dass der RNA-Impfstoff in DNA umgeschrieben und integriert wird“, betonte etwa Joachim Denner vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Mit Blick auf den bevorstehenden Beginn der Impfungen wird diese Befürchtung gelegentlich geäußert.

Gemeinhin heißt es, dass eine Integration von Coronavirus-Erbgut in das menschliche Erbgut aus biologischen Gründen nicht möglich ist, weil die Erbinformationen in unterschiedlicher Form vorliegen: beim Virus in Form von RNA, beim Menschen in Form von DNA. Da die beiden Moleküle chemisch verschieden sind, können sie nicht ohne Weiteres miteinander verschmelzen, das Coronavirus kann also sein Erbgut nicht in das eines infizierten Menschen „einbauen“. „Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich“, schrieb etwa das Paul-Ehrlich-Institut.

Forscher: Unter extremen Umständen doch möglich

Die Arbeit der Forscher um Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge zeigte nun womöglich, dass das unter extremen Umständen doch möglich ist und in sehr seltenen Fällen vielleicht auch nach einer natürlichen Infektion passiert. Zum einen fanden die Wissenschaftler in Erbgutdaten von Zellen infizierter Menschen Bruchstücke von Viruserbgut in der menschlichen DNA. Zum anderen belegten sie in Zellkulturexperimenten, dass die Zellen in seltenen Fällen Viruserbgut aufnehmen können, wenn bestimmte Erbgutabschnitte des Menschen überaktiviert werden. Das kann etwa durch eine Infektion passieren. Durch diese Aktivierung wird die RNA des Virus in DNA umgeschrieben und kann dann ins menschliche Erbgut eingebaut werden.

„Sollte in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion behauptet werden, dass virale RNA wie aus dem SARS-CoV-2-Virus grundsätzlich nicht in die menschliche genomische DNA überschrieben werden kann, so ist dies tatsächlich falsch. Dies zeigt die vorliegende Studie“, sagte Oliver Weichenrieder vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Die in DNA umgewandelte und eingebaute RNA könne später wieder in RNA zurückverwandelt werden. Aber: „Solche RNA ist nicht infektiös und kann auch kein Virus mehr herstellen.“ Die Ergebnisse seien keineswegs überraschend. Dass die betreffenden überaktivierten Erbgutabschnitte RNA umschreiben und ins Genom integrieren können, sei lange bekannt.