Eine Israelin mit Mund-Nasen-Gesichtsmaske und einer Flagge
AP/Oded Balilty
Krise

Israel schlittert in Neuwahl und Lockdown

Die Impfkampagnen laufen in Israel zwar bereits auf Hochtouren, die Infektionszahlen steigen aber weiter. Das Land schottet sich nun gegenüber Einreisenden ab, weitere harte Maßnahmen sind im Gespräch. Zusätzlich zur Pandemie steht Israel vor der vierten Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren. Damit könnte Premier Benjamin Netanjahu verhindern, dass sein Amt turnusgemäß an Juniorpartner Benni Ganz übergeht.

Israels Kurs in Richtung Neuwahl war am Dienstag kaum noch umzudrehen. Ein Streit in der Regierung über eine Frist für die Verabschiedung eines Budgets war zuvor eskaliert. Der letzte Versuch, eine Einigung zwischen Netanjahus rechtskonservativem Likud und dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß von Verteidigungsminister Ganz herbeizuführen, scheiterte in der Nacht im Parlament. Das bedeutet, dass es zur Neuwahl kommt – sollte nicht doch noch eine außerordentliche Lösung gefunden werden. Zeit ist dafür aber nur noch bis Mitternacht. Ansonsten wird am 23. März wieder gewählt.

Die Einheitsregierung wurde nach drei aufeinanderfolgenden Wahlen ohne Koalitionseinigung im Mai 2019 eingesetzt. Seither gab es auch immer wieder Spannungen zwischen den politischen Rivalen Netanjahu und Ganz. Nun kam es wegen des Budgets zum Bruch. Kritiker werfen Netanjahu vor, dass er mit einer Neuwahl verhindern will, dass Ganz im Herbst 2021 vereinbarungsgemäß das Amt des Regierungschefs übernimmt. Und Juniorpartner Ganz warf Netanjahu vor, alles zu unternehmen, um einer Verurteilung zu entgehen.

Risiko für Netanjahu

Denn gegen Netanjahu läuft ein Korruptionsprozess, bei dem er alle Vorwürfe abstreitet. Zudem ist der längstdienende Premier Israels mit einer hartnäckigen Protestwelle konfrontiert. An den schon Monate andauernden Demos gegen die Regierung beteiligen sich auch viele Menschen, die Netanjahus Krisenmanagement in der Pandemie kritisieren.

Für Netanjahu wäre eine Wahl im März nicht ohne Risiko. Er kann sich zwar auf gute Umfragewerte stützen, doch das rechte Lager ist auch stark zersplittert und in Parteien zerteilt, die alle den Likud als Regierungspartei beerben wollen. Netanjahu muss damit rechnen, dass ein erheblicher Teil der Likud-Wähler an den neuen, rechtsgerichteten Herausforderer Gideon Saar verloren geht. Blau-Weiß muss die Wahl fürchten. Es ist nicht einmal sicher, dass es dieses Mal die Hürde von 3,25 Prozent für den Einzug in die Knesset schaffen würde.

Einreise ins „CoV-Hotel“

Die Pattsituation in Sachen Budget bringt dem Land noch mehr wirtschaftliche Unsicherheit. Es wird bereits durch die Pandemie Wachstumseinbußen von geschätzten 4,5 Prozent geben. Zuletzt stiegen die Infektionszahlen wieder stark. Am Dienstag lagen sie in dem Neun-Millionen-Einwohner-Land erstmals seit Oktober wieder bei über 3.500. In Israel hatten die Infektionszahlen nach einem vergleichsweise milden Pandemiebeginn im Sommer stark zugenommen, ähnlich wie in Österreich. Mitte September verhängte die Regierung einen zweiten Lockdown, der die Zahlen deutlich sinken ließ. Seit Mitte Oktober setzt die Regierung schrittweise Lockerungen um, seither nehmen die Zahlen wieder zu.

Israel vor Neuwahl

Die vierte Wahl innerhalb von zwei Jahren in Israel zeichnet sich ab. Die Regierungskoalition zwischen dem rechtskonservativen Likud von Ministerpräsident Netanjahu und dem Mitte-Bündnis von Verteidigungsminister Ganz ist tief gespalten.

Angesichts der CoV-Mutation, die sich bisher in Großbritannien ausbreitete, verschärfte Israel nun seine Einreisebeschränkungen deutlich. Einreisen sind nur noch im Ausnahmefall gestattet, etwa von Diplomatinnen und Diplomaten. Im Regelfall müssen Einreisende aber ab Mittwoch um 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MEZ) nach ihrer Einreise in Quarantäne in „CoV-Hotels“, wie die Regierung am Montagabend entschied. Dort müssen sie mindestens zehn Tage bleiben, wenn zwei Tests negativ ausfallen. Ohne Tests sind es gar 14 Tage.

Bis Mittwoch müssen sich Einreisende sofort in Heimquarantäne begeben. Passagiere aus Großbritannien, Südafrika und Dänemark müssen nach der Entscheidung schon vorher in „CoV-Hotels“ gebracht werden. Am Sonntag wurde von Passagieren aus London berichtet, die nach ihrer Ankunft in Israel in Polizeibegleitung mit Bussen zur Quarantäne gebracht wurden. Die neuen Vorschriften gelten zunächst für zehn Tage, können aber verlängert werden.

Lockdown in Sicht

Auch ein neuer Lockdown in Israel ist im Gespräch. Laut Zeitungsberichten strebt Netanjahu einen solchen in den kommenden Tagen an. Nachman Asch, Israels nationaler Coronavirus-Koordinator, sagte laut „Times of Israel“, dass eine schnelle Entscheidung nötig sei. Entweder man verschärfe die Maßnahmen oder sperre das Land zu. Ein vollständiger Lockdown würde eine kürzere Dauer haben, aber einschneidender sein. Dann könnten etwa auch Schulen betroffen sein.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wird geimpft
AP/Amir Cohen
Medienwirksam inszeniert: Netanjahu ließ sich als Erster impfen

Seit Samstagabend wird in Israel gegen Covid-19 geimpft. Netanjahu hatte sich medienwirksam als Erster impfen lassen und damit auch die großangelegte Impfkampagne eingeläutet. Er habe darum gebeten, als Erster geimpft zu werden, um ein gutes Beispiel abzugeben, so der 71-Jährige. Seit Montag können Personen ab 60 Jahren den Impfschutz über die Krankenkassen erhalten.

Die Nachfrage ist so groß, dass die Anmeldungswebsites vorübergehend überlastet waren. Geimpfte sollten in Israel mit einem „grünen Pass“ Vorteile erhalten. Sie können etwa eine Quarantänepflicht umgehen sowie öffentliche Veranstaltungen und Restaurants besuchen. Der Ausweis soll vermutlich zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis erhältlich sein. Das Ziel ist es laut Behörden, ein sicheres Pessachfest Ende März feiern zu können.