EU zu Brexit-Verhandlungen „bis zur letzten Sekunde“ bereit

Die EU ist laut ihrem Chefunterhändler Michel Barnier bereit, die Verhandlungen mit London über ein Handelsabkommen „bis zur letzten Sekunde“ fortzuführen. „Unsere Tür bleibt bis zum Jahresende und darüber hinaus offen“, sagte Barnier nach Angaben aus übereinstimmenden Quellen gestern bei einem Treffen mit Vertretern der Mitgliedsstaaten in Brüssel. Zuvor hätte ein neues Angebot der Briten beim Thema Fischerei keinen Verhandlungsdurchbruch gebracht.

„Wirklich entscheidender Moment“

Zuvor hatte Barnier gesagt, er wolle den festgefahrenen Verhandlungen „einen letzten Schub“ geben. Am Vorabend hatte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einem Telefonat mit Großbritanniens Premierminister Boris Johnson in die Gespräche eingeklinkt. „Wir sind wirklich am entscheidenden Moment“, sagte Barnier vor dem Treffen mit den Mitgliedsstaaten gestern. Er werde weiter „in voller Transparenz“ gemeinsam mit dem EU-Parlament und den EU-Staaten an einer Einigung arbeiten. Die Zeit dafür ist mittlerweile äußerst knapp.

Großbritannien war mit 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Die Zeit für die fristgerechte Ratifizierung des Handelsabkommens ist nach Angaben des EU-Parlaments bereits abgelaufen. Denkbar wäre noch eine vorläufige Anwendung einer möglichen Einigung innerhalb der kommenden Tage, um die gravierenden wirtschaftlichen Folgen eines Chaos-Brexits zu verhindern.

Aus EU-Kreisen hieß es allerdings, dass man auch für eine vorläufige Anwendung mit nachgeschobener Ratifizierung eine Einigung bis Weihnachten bräuchte. Der 23. Dezember sei dabei aber keine harte Deadline, sagte ein EU-Diplomat. Sollte ein Verhandlungserfolg am 24. oder 25. Dezember in Reichweite erscheinen, würden die Verhandlungen sicherlich fortgeführt.

Umstrittene Fischerei

Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen sind seit Monaten faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und der Zugang zu britischen Gewässern für EU-Fischer. „Die meisten Fragen sind vorläufig geklärt oder stehen kurz vor einer Einigung“, sagte dazu ein EU-Diplomat. „Die Differenzen bei der Fischerei bleiben jedoch schwer zu überbrücken.“

Im Detail geht es um Kürzungen der erlaubten Fangmengen in Großbritanniens Gewässern für EU-Fischer und die Länge einer Übergangszeit für deren Einführung. Zuletzt hieß es in Medienberichten, dass Großbritannien der EU mit einem Angebot für eine längere Übergangszeit entgegengekommen sei. Nach AFP-Informationen ging das insbesondere Frankreich aber noch nicht weit genug. Großbritannien habe sich hier noch nicht ausreichend in Richtung einer „fairen Lösung“ bewegt, sagte der Diplomat.