Hafen von Dover
APA/AFP/Ben Stansall
Brexit-Einigung

Hemmnisse für Handel und Personen

1.246 Seiten hat der Brexit-Handelspakt, den London und Brüssel ausgehandelt haben. Ein Blick auf den Inhalt zeigt, wie weit Großbritannien und die EU sich voneinander entfernen werden. Auf den Handel kommen deutliche Hemmnisse zu, die Personenfreizügigkeit fällt. Das Studieren an britischen Universitäten wird für junge Menschen aus der EU künftig teurer und komplizierter.

Mit dem in letzter Minute geschlossenen Abkommen bleibt der britischen Wirtschaft das große Chaos erspart. Von einem „weichen“ Brexit kann man aber nicht sprechen. Im Gegenteil: Der Handel zwischen Großbritannien und den 27 EU-Mitgliedsstaaten wird komplizierter.

Zwar fallen für britische Waren durch den Handelspakt künftig keine Zölle an, doch britische Exporteure in die EU müssen vom Jahreswechsel an aufwendig nachweisen, dass ihre Produkte tatsächlich überwiegend im eigenen Land hergestellt wurden. Auch Nachweise für die Einhaltung der EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit und zur Einhaltung von Produktstandards müssen künftig erbracht werden.

Die britische Regierung kündigte an, vorerst einmal alles durchzuwinken, was aus der EU kommt. Erst nach und nach sollen Papiere vorgelegt werden müssen und Kontrollen stattfinden. Doch auf EU-Seite sieht das anders aus. Die französische Regierung kündigte am Freitag an, britische Waren vom Jahreswechsel an „massiv“ zu überprüfen. Auch für die Dienstleistungsbranche, die rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung ausmacht, wird der Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember erheblich schwerer.

Personenfreizügigkeit endet mit 31. Dezember

Die Personenfreizügigkeit zwischen der EU und Großbritannien endet mit dem 31. Dezember. Das bedeutet, wer künftig in Großbritannien arbeiten und leben will, muss ein Visum beantragen. Das soll durch ein punktebasiertes System geregelt werden, bei dem Faktoren wie die Höhe des Einkommens und die Branche eine Rolle spielen.

Die automatische Anerkennung von Berufsabschlüssen fällt weg. Beispielsweise Ärzte, Ingenieure und Architekten und viele weitere Berufsgruppen müssen ihre Qualifikation künftig nach den Regeln der einzelnen Länder, in denen sie arbeiten wollen, nachweisen.

Damit Großbritannien weiter freien Zugang zum EU-Markt mit 450 Millionen Verbraucher erhält, forderte die EU von London kein Unterlaufen ihrer Standards. Laut EU-Kommission gewährleistet das Abkommen nun „ein robustes, gleiches Wettbewerbsumfeld“ mit einem „hohen Schutzniveau“ in Bereichen wie Umweltschutz, Sozial- und Arbeitnehmerrechte sowie bei staatliche Beihilfen. Die EU musste aber ihre ursprüngliche Forderung aufgeben, dass Großbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpassen muss.

Briten steigen aus Erasmus aus

Im Zuge des Post-Brexit-Abkommens steigt Großbritannien auch aus dem europäischen Erasmus-Programm für Studierende aus. Es habe sich dabei um eine „schwierige Entscheidung“ gehandelt, sagte der britische Premier Boris Johnson. Das Programm sei für sein Land jedoch „extrem teuer“. Johnson kündigte ein Ersatzprogramm an.

Damit wolle er es britischen Studierenden ermöglichen, an den „besten Universitäten“ der Welt und nicht nur in Europa zu lernen. Für die derzeit knapp 150.000 an britischen Hochschulen eingeschriebenen Studierenden aus EU-Staaten dürfte der Auslandsaufenthalt an Universitäten im Vereinigten Königreich dagegen teurer und schwieriger werden.

Details des Brexit-Handelspaktes

Pünktlich zu Weihnachten haben die EU und Großbritannien ihr Brexit-Paket geschnürt. 1.246 Seiten ist der Handelspakt dick – und stellt sicher, dass die Waren weiterhin zollfrei über die Grenzen rollen werden. Hemmnisse für den Handel wird es aber sehr wohl geben.

Für Touristinnen und Touristen wird es bei kürzeren Reisen keine Visapflicht geben. Eine gute Nachricht ist, dass die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) unter dem Deal erst einmal gültig bleibt, solange sie nicht abgelaufen ist. Auch in der Zukunft sollen Reisende im Notfall von ihrem Krankenversicherungsschutz im Heimatland Gebrauch machen können. Nicht im Abkommen geregelt, aber dennoch wichtig für Großbritannien-Reisende dürfte sein, dass die großen Telefonanbieter weiterhin keine Roaminggebühren erheben wollen.

Sonderstatus für Nordirland

Die Gefahr, dass zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitgliedsstaat Irland Grenzkontrollen eingeführt werden müssen, wurde eigentlich bereits im Austrittsabkommen gebannt. Für den Fall wurde mit einem Wiederaufflammen des Konflikts zwischen mehrheitlich katholischen Befürwortern einer Vereinigung der beiden Teile Irlands und überwiegend protestantischen Anhängern der Union mit Großbritannien in Nordirland gerechnet.

Nachdem London die Regelung des Austrittsvertrags mit einem Gesetzesvorhaben zunächst infrage gestellt hatte, lenkte sie inzwischen ein. Nordirland erhält damit einen Sonderstatus und bleibt enger an die EU gebunden als der Rest des Königreichs.

Souveränität, aber hoher wirtschaftlicher Schaden

Der Austritt aus der Zollunion erlaubt Großbritannien, auf eigene Faust Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA, Indien und China zu schließen. Premier Johnson will das Land zudem zum global führenden Standort für Zukunftstechnologie machen. Das Vereinigte Königreich solle ein „Saudi-Arabien der Windkraft“ und eine „Supermacht für Wissenschaft und Forschung“ werden, kündigte er an.

Elektromobilität und künstliche Intelligenz sind Bereiche, die London kräftig subventionieren will. Deswegen wohl hat sich die britische Regierung standhaft dagegen gewehrt, sich weiterhin den EU-Regeln zu staatlichen Wirtschaftshilfen zu unterwerfen. Einen gemeinsamen Rahmen müssen die Briten jedoch trotzdem einhalten.

Unterm Strich ist der ökonomische Schaden, der durch den Brexit angerichtet wird, laut Fachleuten durch nichts wiedergutzumachen. Der Brexit gilt daher vor allem als politisches Projekt, das von einer Sehnsucht zu den goldenen Zeiten des britischen Empires angetrieben wurde. Londons politischer Fokus auf Souveränität zeigte sich auch bei der Fischerei, die bis zuletzt Gegenstand harter Verhandlungen war.