Kritik an deutscher Impfstrategie wächst

Rund eine Woche nach Beginn der Impfungen in Deutschland wächst die Kritik an der Strategie der deutschen Regierung. Ein Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina warf der Großen Koalition schwere Versäumnisse bei der Beschaffung des Impfstoffs vor. Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht deutliche Defizite.

Die Leopoldina-Neurologin Frauke Zipp sagte: „Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen.“ Es habe im Sommer Angebote für mehr Impfstoff gegeben, sagte sie der „Welt“. „Wir hätten sie jetzt zur Verfügung.“ So habe etwa Biontech im Spätsommer wesentlich mehr Impfdosen angeboten. Die Leopoldina gehört zu den wichtigsten Beratern der deutschen Regierung in der Pandemie.

Scharfe Kritik aus der SPD

SPD-Politiker Lauterbach erwartet vorerst keine Besserung der Coronavirus-Lage. „Wir werden jetzt die schlimmsten drei Monate der gesamten Pandemie mit hohen Infektions- und Todeszahlen vor uns haben“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ab April sei dann durch eine Kombination aus besserem Wetter und mehr verfügbarem Impfstoff ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese griff den deutschen Gesundheitsminister scharf an: „Ich bin derzeit schon entsetzt über Jens Spahn“, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online. „Er muss als zuständiger Minister endlich seinen Aufgaben nachkommen und die offensichtlichen Probleme unverzüglich in den Griff bekommen.“

Auch FDP und Linke kritisieren Spahn

Auch FDP-Fraktionsvize Michael Theurer griff Spahn wegen des knappen Impfstoffs an. Allerspätestens im Herbst hätte er auf die rasanten Entwicklungen bei Biontech reagieren müssen, sagte er dem „Handelsblatt“. „Er hat aber die Fehlentscheidung der Bundesregierung nicht korrigiert und versagt.“

Die Linksfraktion fordert eine Regierungserklärung des Gesundheitsministers im deutschen Bundestag. „Es muss aufgearbeitet werden, warum der Impfstoff zu knapp ist und wo geschlampt wurde“, sagte der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte der dpa. Spahn müsse auch erklären, wie die Kapazitäten schnellstens erhöht werden könnten.

Nach den aktuellsten Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden bis Neujahr rund 165.000 Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Allerdings hinken die Meldungen an das RKI teilweise der Zahl realer Impfungen in den Bundesländern hinterher.