Mediziner wertet einen Covid-19-Test aus
APA/Erwin Scheriau
Opposition winkt ab

Kritik an Gesetz zum „Freitesten“ wächst

Der Gesetzesentwurf zum „Freitesten“ hat laut Opposition zu einer „Welle des Bürgerprotests“ geführt. Am Sonntag, der letzten Chance der nur drei Tage dauernden Begutachtungsfrist, kamen offenbar Tausende Stellungnahmen zusammen, die Parlamentswebsite knickte ein. Die Opposition kann die Novelle im Bundesrat auf die lange Bank schieben – und lehnt sie auch geschlossen ab.

„Freitesten“ aus dem Lockdown – diese von der Bundesregierung geplante Option sorgte zuletzt für scharfe Kritik. Nicht nur die Frage, wer für die notwendigen Kontrollen sorgen würde, löste Streit aus. Auch die Begutachtungsfrist von nur drei Tagen wurde bemängelt. Die Novelle sieht vor, dass Personen mit einem negativen Test und all jene, die in den vergangenen drei Monaten eine Coronavirus-Erkrankung durchgemacht haben, von Ausgangsbeschränkungen ausgenommen werden.

Das Gesetz soll vor Beginn der geplanten Öffnung ab 18. Jänner in Kraft treten. Das könnte nun scheitern: Nach der FPÖ machten am Sonntag auch SPÖ und NEOS klar, dass sie das Vorhaben im Bundesrat blockieren wollen. Ein rechtzeitiges Inkrafttreten wäre damit unmöglich, der Beharrungsbeschluss von ÖVP und Grünen käme zu spät. Am Montag ist dazu ein Treffen der Parlamentsklubs mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angesetzt, es soll einer Aussprache dienen. Wann genau das Gesetz – konkret handelt es sich um eine Novelle zum Epidemiegesetz und Covid-19-Maßnahmengesetz – im Nationalrat beschlossen wird, ist noch offen. Dem Vernehmen nach könnte das am Freitag geschehen. Das Verlangen auf die dafür notwendige Sondersitzung sei aber noch gar nicht eingebracht, so ein Sprecher auf APA-Anfrage.

SPÖ sieht „Blankoscheck“

„Wenn die Neuinfektionen bis Ende nächster Woche nicht stabil unter 1.000 sind, brauchen wir über Lockerungen erst gar nicht diskutieren“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz: „Genau aus diesem Grund braucht es auch das Epidemiegesetz mit der vorgelegten Änderung in dieser Form nicht.“ Stattdessen benötige man eine neue und kluge Teststrategie für Österreich. Nur so könne man einen vierten Lockdown mit Sicherheit vermeiden, bis eine schützende Durchimpfungsrate erreicht sei.

Regierung dürfte mit Freitesten scheitern

Nach der FPÖ haben auch NEOS und die SPÖ klargemacht, dass sie das „Freitest“-Vorhaben der Bundesregierung im Bundesrat blockieren wollen.

Die SPÖ kritisierte auch die Fokussierung auf die Woche 18. bis 24. Jänner. Die Regierung plant, dass Handel, Gastronomie und Hotels am 18. Jänner wieder aufsperren dürfen, der Zutritt aber bis 24. eben nur mit einem negativen Coronavirus-Test gestattet sein soll. Auch zwei Wochen alte Testergebnisse sollten herangezogen werden, außerdem wolle man über gezielte Zutrittstests etwa für Kultureinrichtungen oder Pflegeheime weit hinausgehen. „Daher wird die SPÖ diesem Abänderungsantrag in dieser Form nicht zustimmen.“ Das Gesetzesvorhaben stelle der Regierung einen „rechtlich bedenklichen Blankoscheck“ aus. Ähnlich sah das der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer. Er empfahl, sich klar gegen das vorgelegte Gesetz auszusprechen. „Die SPÖ wird bei diesem türkis-grünen Blindflug sicher nicht den Co-Piloten spielen“, so Dornauer am Samstag.

Rendi-Wagner sagte am Sonntag, man stelle sich allen Diskussionen, auch der für Montag angesetzten Gesprächsrunde mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Zustimmen will ihre Fraktion der Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen durch den Hauptausschuss, weil die Infektionszahlen weiter zu hoch seien.

NEOS fordert Änderungen

Zuvor hatte bereits NEOS Stellung bezogen und das Gesetz abgelehnt. „Wir wollen diesem Minister keine Verordnungsermächtigung mehr geben“, sagte Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einer Onlinepressekonferenz. Anschober überschreite regelmäßig die Grenzen, die ihm die Gesetze auferlegten. Was nun beschlossen werden solle, komme einer Selbstaufgabe des Parlaments gleich. Als „Frechheit und Schlag ins Gesicht“ wertete Loacker auch den Termin mit Anschober am Montag nach der kurzen Begutachtungsrist. „Das ist ein Scheingespräch“, sagte er. Werde das Gesetz nicht wesentlich verändert und der Verordnungsspielraum des Gesundheitsministers massiv beschränkt, könne NEOS nicht zustimmen.

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak forderte am Samstag in einer Aussendung eine längere Begutachtungsfrist. „Seit gestern früh erreichen uns Nachrichten von Bürgerinnen und Bürgern, die gegen das Gesetz und die lächerlich kurze Begutachtung protestieren. Diese Welle des Bürgerprotestes zeigt, dass der Gesundheitsminister das Gesetz grundlegend überarbeiten und eine ordentliche Begutachtung sicherstellen muss.“

FPÖ empört

Die FPÖ hatte im Vorfeld schon stark gegen die Novelle mobilisiert. Klubobmann-Stellvertreterin Susanne Fürst bezeichnete den Entwurf in einer Aussendung als „aus mehreren Gründen klar verfassungswidrig“. Sie nannte die kurze Begutachtungsfrist, vor allem aber auch den Umstand, dass damit die Möglichkeit, Personen zum Mitführen eines negativen Tests zu zwingen, ins Dauerrecht übergehe.

Klubobmann Herbert Kickl freute sich über die Vielzahl ablehnender Stellungnahmen trotz kurzer Begutachtungsfrist und technischer Probleme. Kickl sprach in einer Aussendung von „sinnloser Zwangstesterei“ und einem „schwarz-grünen Hausarrest-Gesetz“.

Eine Schmierenkomödie ortete er angesichts der kurzfristig einberufenen Besprechung mit den Parlamentsklubs am Montagvormittag nach der Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrats. „Damit will man sich offensichtlich das Mäntelchen einer Scheineinbindung der Opposition in diesen höchst brisanten Gesetzwerdungsprozess umhängen.“ Er wertete es als Erfolg des Protests vieler Bürger, dass auch SPÖ und NEOS das Gesetz ablehnten. Entscheidend sei nun ein abgestimmtes Vorgehen, um einen Beharrungsbeschluss des Nationalrats zu verhindern und so zu gewährleisten, dass von 18. bis 24. Jänner geplante Schikanen für die Bürger, die sich nicht „freitesten“ wollen, gänzlich verhindert würden.

Ministerium bearbeitet Stellungnahmen

Die ÖVP wies die Kritik von sich. Generalsekretär Axel Melchior wertete sie als parteitaktisches Spiel auf dem Rücken der Gesundheit der Menschen, sprach von destruktiver Fundamentalopposition und ortete einen neuen Höhepunkt an Verantwortungslosigkeit. „Man muss sich schon fragen, warum die Oppositionsparteien den Menschen in Österreich die Möglichkeit, sich freizutesten, unbedingt nehmen möchten“, so Melchior in einer Aussendung: „Ich appelliere an die Oppositionsparteien, zur Vernunft zu kommen, ihre parteipolitischen Interessen zurückzustecken und gemeinsam zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten.“

Zurückhaltend fiel die Reaktion des grünen Parlamentsklubs aus. Es gebe am Montag eine Aussprache mit allen Parteien im Parlament, „bei der die eingelangten Stellungnahmen und etwaige Änderungen im Gesetzesentwurf besprochen werden. Danach wird über die weitere Vorgangsweise entschieden werden“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.

Auch im Gesundheitsministerium reagierte man. „Bis heute Mittag sind sehr viele Stellungnahmen zum Entwurf im Gesundheitsministerium eingelangt. Seit dem Nachmittag wird jede Stellungnahme bearbeitet und ernst genommen. Sehr viele davon sind wortident, viele davon aber auch mit wichtigen und wesentlichen Punkten und Überlegungen, die in die weitere Arbeit einfließen“, hieß es: „Mit den Fraktionen werden weiters auch die Inhalte der Vorschläge der Parlamentsfraktionen besprochen und anschließend über die weitere parlamentarische Vorgangsweise beraten.“

Server bezwungen

Kurz vor Ende der Begutachtungsfrist gingen angesichts der zahlreichen Stellungnahmen die Server des Parlaments in die Knie. In der Nacht auf Sonntag waren bereits mehr als 3.000 Begutachtungsstellungnahmen eingegangen und die betreffende Website teils nicht erreichbar. Im Parlament entschuldigte man sich und sprach in einer Stellungnahme von einer enormen Zahl an Zugriffen in kurzer Zeit. Man habe zusätzliche Hardware eingesetzt und auch softwaremäßig für Verstärkung gesorgt.

Auch das Wie, also die genaue Ausgestaltung des „Freitestens“, ist noch nicht klar. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte dazu am Samstag in der Ö1-Radioreihe „Im Journal zu Gast“, der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt prüfe derzeit. Ob es etwa bei den Kontrollen der Tests eine Ungleichbehandlung zwischen Kultur, Sport und Gastronomie geben werde, sei noch nicht klar, denn die entsprechenden Verordnungen gebe es ja noch nicht.