Pool auf Mallorca
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Virus „außer Kontrolle“

Mallorca erlebt harten Winter

Auf der Ferieninsel sind die Infektionszahlen derzeit so hoch wie sonst fast nirgends in Spanien. Hinzu kommt die wirtschaftliche Not: Die Reisebeschränkungen verwandelten die liebste Insel der Deutschen in touristisches Ödland. Auch die Armut breitet sich aus, die Nachfrage nach Hilfsleistungen wächst.

Von Lockerungen auf Mallorca ist wohl länger keine Rede. Die Bewohner der Balearen werden wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen auch in den nächsten Wochen, zunächst wohl bis mindestens Februar, strikte Einschränkungen erdulden müssen. Eine neue offizielle Einschätzung der Lage und der Restriktionen soll es am 11. Jänner geben. Im Gespräch waren vergangene Woche sogar noch Verschärfungen. Auf der Hauptinsel sei die Pandemie „außer Kontrolle“, titelte die Zeitung „Diario de Mallorca“ am Dienstag in der Onlineausgabe.

Seit Dezember führten die Balearen die Listen der spanischen Infektionszahlen an. Zuletzt betrug die 14-Tage-Inzidenz auf den Inseln 529 pro 100.000 Einwohner, so die Gesundheitsbehörden am Dienstag. Zeitweise war sie über 600 geklettert. Die Intensivstationen sind ähnlich ausgelastet wie in Österreich. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 1,2 Millionen brauchen fast hundert Personen Intensivbehandlung.

Touristenschwund macht Insel zu schaffen

„Wir erleben eine schreckliche Situation, die wir uns auch nicht in unseren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können“, sagte Regionalpräsidentin Francina Armengol am Höhepunkt der Inzidenz kurz vor Silvester.

Wirtschaftlich hat die Pandemie Mallorca schon einen desaströsen Sommer beschert. Die Folgen der Krise in Spanien ließen den langjährigen Aufwärtstrend auf dem Arbeitsmarkt jäh abstürzen. Die Zahl der Erwerbslosen erhöhte sich 2020 erstmals wieder um 22 Prozent, nachdem sie zuvor sieben Jahre in Folge zurückgegangen war. Derart stark legte die Arbeitslosigkeit seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nicht mehr zu, so das Arbeitsministerium am Dienstag. Der Schwund der ausländischen Urlauberinnen und Urlauber hielt freilich auch im Herbst an, im November allein gab es in Spanien um 90 Prozent weniger touristische Einreisen.

Armut greift Platz

Das vom Tourismus abhängige Mallorca spürt die Konsequenzen besonders stark, auch Armut greift deswegen Platz, und die soziale Not nimmt zu. Die Nachfrage nach Hilfsleistungen sei hier noch nie so groß gewesen, zitierte am Dienstag die dpa den „Diario de Mallorca“.

Freiwilliger Mitarbeiter auf Mallorca
APA/AFP/Jaime Reina
Bild aus dem Dezember: Die Lebensmittelbörse in Palma versorgt Bedürftige

Laut einer Studie der Universität der Balearen (UIB) über die Auswirkungen des Virus verdoppelte sich die Zahl der in der Region in extremer Armut lebenden Menschen in nur einem Jahr auf rund 34.000. Als arm gelten bereits 320.000, mehr als jeder Vierte.

Mittelschicht betroffen

Nicht mehr nur Obdachlose stellten sich vor Tafeln und Essensausgaben an, auch Studierende, ehemalige Gastronomen und Beherbergungsangestellte stellten die „nuevos pobres“, die „neuen Armen“. Es sind auch Menschen, die weder die Sozialhilfe noch das neue Mindesteinkommen in Spanien erreicht. Laut der Studie erhalten diese Hilfen nicht einmal die Hälfte der Personen, die auf den Balearen in extremer Armut leben. Auch jene in „relativer“ Armut, etwa weiter Erwerbstätige, sind mehr geworden. Laut der Studienautorin Maria Carbonero werde sich die Lage für beide Gruppen im Winter weiter verschärfen, so die deutschsprachige „Mallorca-Zeitung“.

Darüber hinaus sind weitere 320.000 Menschen von einer „relativen Armut“ betroffen und haben Schwierigkeiten, ihre materiellen Bedürfnisse zu decken. Viele davon seien berufstätig, so Carbonero, die damit rechnet, dass beide Gruppen in den kommenden Wintermonaten wachsen werden. In manchen Gemeinden auf Mallorca wurden bereits Rabattgutscheine an die Einwohner verteilt. Auf Mallorca können immer mehr Menschen ihre Lebensmittel nicht mehr zahlen, Lebensmittelausgaben des Roten Kreuzes und Hilfsorganisationen wurden eingerichtet, so das „Mallorca Magazin“ im Dezember.