Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel
Reuters/Michel Kappeler
Deutschland

15-Kilometer-Regel und längerer Lockdown

Mit drastischen Maßnahmen verschärft Deutschland das Vorgehen im Kampf gegen anhaltend hohe CoV-Zahlen. In Abstimmung mit den 16 Ministerpräsidenten legte die deutsche Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel ein Bündel neuer Regeln vor – auch in Reaktion auf die Virusmutation: Der Lockdown wird bis Ende Jänner verlängert, private Treffen werden empfindlich eingeschränkt, und für Menschen in besonders stark betroffenen Gebieten treten drastische Einschränkungen in Kraft.

So haben sich Bund und Länder auf weitergehende Ausgangssperren verständigt: In Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern werden die Länder lokale Maßnahmen ergreifen – „zur Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort, sofern kein triftiger Grund vorliegt“, heißt es in dem Beschluss.

Tagestouristische Ausflüge seien diesbezüglich „explizit“ kein triftiger Grund – Arztbesuche oder die Anfahrt zu Arbeitsstätten sind es beispielsweise schon. Das Verhindern von Menschenaufläufen sei der Grund für die Maßnahme, sagte Merkel nach dem Beschluss. „Die Maßnahmen, die wir beschlossen haben sind einschneidend. (…) Sie sind härter“, führte die deutsche Kanzlerin auch in Bezug auf diese Kontaktbeschränkung aus.

„Treffen auf absolutes Minimum beschränken“

Betroffen sind nach derzeitigem Stand 67 Landkreise, viele davon in Sachsen und Thüringen – laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) wäre in diesen Fällen der Wert von 200 überschritten. Zudem sollen die privaten Kontakte generell weiter eingeschränkt werden. Treffen sollen „nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes gestattet“ sein, wie es hieß.

Treffen sollten „auf ein absolutes Minimum beschränkt“ werden, sagte Merkel nach den Verhandlungen. Unstrittig war zudem die weitere Schließung von Gastronomie, Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie des Einzelhandels bis Ende Jänner. Generell sollen die bereits bestehenden Einschränkungen bis zum 31. Jänner verlängert werden.

Schulen und Kitas bleiben weitgehend zu

Schulen und Kindertagesstätten (Kitas) sollen bis mindestens Ende Jänner weitestgehend geschlossen bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Wie es im Februar weitergeht, darüber soll erneut am 25. Jänner beraten werden. Einige Bundesländer, darunter Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern, ließen eine mögliche frühere Öffnung der Volksschulen offen.

Eltern sollen sich in diesem Jahr doppelt so lange für Kinder krankschreiben lassen dürfen wie üblich. Hintergrund sind die Betreuungsprobleme, die viele Eltern auch in diesem Jahr wieder bekommen, weil Schulen und Kitas schließen oder nur in eingeschränktem Betrieb sind.

Der Verband Bildung und Erziehung nannte die Verlängerung des Lockdowns „angesichts der aktuellen Inzidenzen und des Risikos des mutierten Virus aus Großbritannien“ nachvollziehbar. Der Verbandsvorsitzende Udo Beckmann forderte von den Kultusministern der Länder allerdings „klare und rechtssichere Regelungen“ für die Leistungsmessung und Abschlussprüfungen mit Blick auf die Besonderheiten eines „unnormal verlaufenden Schuljahres“.

Regeln für Einreise aus CoV-Risikogebieten verschärft

Auch werden die Regeln für Einreisende aus CoV-Risikogebieten im Ausland noch einmal verschärft. Ab dem 11. Jänner müssen sie nicht nur für zehn Tage in Quarantäne, sondern sich auch 48 Stunden vor oder unmittelbar nach Einreise zwingend auf das Virus testen lassen. Die Quarantäne kann auch künftig durch einen zweiten Test nach fünf Tagen verkürzt werden, falls dieser negativ ausfällt.

Lockdown in Deutschland wird verlängert

Seit Tagen wurde in Deutschland um eine Verlängerung der Coronavirus-Maßnahmen gerungen. Nun wollen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die Länder sogar eine Verschärfung der Regeln.

Debatte über langsames Impfen

Ähnlich wie in Österreich und auch anderen EU-Ländern gibt es eine Debatte über das langsame Anlaufen der Impfungen. Am Dienstag wies Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die von SPD und Ländern geübte Kritik an seiner Strategie entschieden zurück. Die derzeit in Deutschland verfügbaren Dosen seien genau die von ihm angekündigte Größenordnung, die im Kabinett auch besprochen worden sei, so Spahn im ARD-„Morgenmagazin“.

Von SPD – immerhin Regierungspartei – sowie FDP hieß es zuletzt, dass „die Koordination für das Impfen notfalls im Kanzleramt“ erfolgen solle. Merkel will am Mittwoch mit den zuständigen Fachministern darüber beraten, wie mehr Impfstoff beschafft werden kann. In Deutschland sind bis Dienstagmittag 316.962 Personen als geimpft registriert worden, wie das RKI meldete. In Deutschland wurden damit verglichen mit Österreich (wenige tausend bei etwa einem Zehntel der Einwohner) im Verhältnis bereits deutlich mehr Personen geimpft.

Rasche Kritik an 15-Kilometer-Radius

Am 15-Kilometer-Radius wurde rasch herbe Kritik laut. Allen voran wurde kritisiert, dass ein solcher Bewegungsradius in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten ganz andere Implikationen ergäben als das in urbanen Gebieten bzw. Großstädten der Fall ist. „In Ballungsräumen bleibt fast alles möglich, auf dem Land geht nichts mehr. Was soll das bringen?“, fragte etwa FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter.

Regierung will Inzidenz unter 50 drücken

Im Deutschland wurden innerhalb eines Tages fast 11.900 Neuinfektionen verzeichnet. Wie das RKI Dienstagfrüh unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden 11.897 weitere Ansteckungsfälle erfasst. Es wurden in dem Land mit 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern demnach zudem 944 Todesfälle durch die Pandemie binnen 24 Stunden gezählt.

Die 7-Tage-Inzidenz betrug am Dienstag 134,7. Bei dem Wert handelt es sich um die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in diesem Zeitraum. Die 7-Tage-Inzidenz ist ein wesentlicher Maßstab für die Verhängung und Lockerung von Maßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Virus. Ziel der deutschen Regierung ist es, die Inzidenz auf unter 50 zu drücken.