Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF.at-Interview
ORF.at/Christian Öser
Kogler zum Pandemiekampf

„Die Neoliberalen haben jetzt Sendepause“

Genau vor einem Jahr haben sich die Grünen in einem erweiterten Bundesvorstand für eine Koalition mit der ÖVP ausgesprochen. Im Interview mit ORF.at nimmt Grünen-Chef Werner Kogler seine Partei gegen die Kritik in Schutz: Gerade in der Koalition sieht er eine eindeutig grüne und soziale Handschrift verwirklicht, was sich auch in der Lösung der Pandemiesituation zeigen werde. Es gebe eine gemeinsame Welt der Koalition, so Kogler zum Diktum der „besten zweier Welten“, und meinte, dass die Neoliberalen in der Pandemiebekämpfung „jetzt Sendepause haben“. In Sachen CoV-Impfung will Kogler eine rasche Umsetzung – und kann sich auch ein „Impfdashboard“ vorstellen.

„Bekanntermaßen bin ich der Meinung, dass wir nur eine Welt zu verbessern haben“, sagte Kogler zur Frage, wie gut die Koalition und ihr „Bestes zweier Welten“ auf die Coronavirus-Pandemie reagiert habe. Es hätten in sozialen und auch ökologischen Fragen zwei unterschiedliche Wahlsieger aus dem Jahr 2019 zusammenfinden müssen; aber, so Kogler: „In der Trias ökonomisch vernünftig, sozial verantwortlich und vor allem Umwelt und Klima schützend vorzugehen“, das habe die Koalition gut in der sozialen und ökonomischen Bewältigung dieser Pandemie geschafft.

Kogler zeigte sich überzeugt, dass jetzt der Moment sei, Geld in die Hand zu nehmen, und den Dreischritt zu machen: „Retten, überbrücken, rausinvestieren.“ Alles andere würde noch viel schlimmere Folgen nach sich ziehen, so Kogler, der befindet: „Die Neoliberalen haben jetzt Sendepause.“

„Es hat auch Fehler gegeben“

Kogler räumte ein, dass es in der Einschätzung der zweiten Covid19-Welle auch Fehler gegeben habe, „wie übrigens in anderen Ländern auch“. Er verstehe aber, dass man die eigene Situation nun einmal nicht im Vergleich mit den anderen, sondern nur in der Betrachtung der Situation bewältige. Lockerungen wie letzten Sommer habe es geben müssen, denn „wir hätten schwer ein Jahr im Lockdown bleiben können“. Und man müsse bei einer Pandemie, deren Wesen eben die dauernde Veränderung sei, eben auch den Mix aus sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen im Blick haben.

„Ich stimme mit Experten der Opposition wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner überein, dass wir mal mit den Zahlen so tief runtermüssen, um überhaupt wieder aufsperren zu können“, so Kogler. Es gebe für ihn nicht die eine Zahl, die der Schlüssel sei, aber bei der 7-Tage-Inzidenz müsse man deutlich unter 100 kommen, so Kogler. „Ohne Testungen werden wir vor allem im Winterhalbjahr das Infektionsgeschehen nicht unten halten können. Und das Raustesten war ja nur eine von mehreren Varianten“, so Kogler zur aktuellen Debatte.

„Impfdashboard“: „Ist vorstellbar“

Gefragt, ob er sich zum Stand der Impfungen vorstellen könne, dass der Stand der Impfrate auf einem Dashboard veröffentlicht werde, sagte Kogler: „Natürlich ist das vorstellbar. Wichtiger noch ist, dass die angelieferten Impfdosen, dass die möglichst rasch an die richtigen Zielgruppen verimpft werden.“

„Es gibt einen abgestimmten Impfplan“

Vizekanzler Kogler ist sich sicher, dass der abgestimmte Impfplan mit den Bundesländern funktionieren werde

Regieren sei Kompromisse zu finden, so Kogler, der aber mit Blick auf das Budget meinte, dass hier sehr deutlich eine grüne Handschrift der Grünen zu finden sei: Die Steuerpolitik habe starke soziale Komponenten, die Trendwende im Justizbudget sei großzügig ausgefallen zur Stärkung des Rechtsstaates, beim Wissenschaftsbudget oder Frauenbudget. Und auch die Auslandskatastrophenhilfe sei stark erhöht worden.

„Karatepe II als Nothilfefrage“

Beim Moria-Nachfolgelager Karatepe II würden die Grünen bei allen Unterschieden in der Migrationspolitik momentan vor allem eine „Nothilfefrage orten“: „Noch sieht die ÖVP das anders, weswegen man mit vielen kirchlichen Organisationen zusammenarbeite, um auf möglichst viele ÖVP-Mitglieder einzuwirken.“ Auf Gemeinde- und Landesebene sehe man da viel Zuspruch – „bei den Nationalratsmitgliedern der ÖVP arbeiten wir noch daran“. Aufgrund christlicher Werte müsste die Soforthilfe auf den Weg zu bekommen sein, gerade im Bereich der Familienzusammenführung.

Das gesamte Interview zum Nachlesen

ORF.at: Herr Vizekanzler, ein Jahr Türkis-Grün. Man hat damals gesagt, das ist „das Beste aus beiden Welten“. Damals hat man natürlich nicht die Pandemie im Auge gehabt, aber wenn Sie jetzt zurückschauen, wie hat denn „das Beste aus beiden Welten“ gerade auch in der Pandemie funktioniert?

Werner Kogler: Bekanntermaßen bin ich der Meinung, dass es nur eine Welt gibt, die wir gemeinsam verbessern sollten. Das passiert auch. Und ich glaube, man erkennt es vor allem in der ökonomisch sozialen und ökologischen Krisenbewältigung, wie hier zwei unterschiedliche Parteien zusammenfinden. Es waren zwei Wahlsieger mit wirklich unterschiedlichen Zugängen. Aber diese Trias: ökonomisch vernünftig, sozial verantwortlich und vor allem umwelt- und klimaschützend vorzugehen. Das haben wir auch schon stark umgesetzt, und es wird uns helfen, die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie zu bewältigen. Das kann man sich bei allen Umwelt- und Klimaschutzinvestitionen anschauen. Es wurde nicht nur die Klimaschutzmilliarde aus dem Regierungsprogramm verankert, es sind ja mehrere daraus geworden. Nach dem Helfen, Retten und Überbrücken setzen wir beim Rausinvestieren aus der Krise ganz stark auf Ökologisierung. Wir wollen aus der Krise besser rauskommen, als wir reingegangen sind. 2021 soll ein Comebackjahr für Umwelt- und Klimaschutz werden.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF.at-Interview
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Vizekanzler Werner Kogler beim Interview in seinem Büro mit Gerald Heidegger und Christian Staudinger, ORF.at

ORF.at: Was sagen Sie Kritikern, die meinen, dass sich die Grünen zu sehr in dieser Koalition verbiegen müssen?

Kogler: Ich sage, wir sollten darauf schauen, was die Ergebnisse sind. Und da gibt es in vielen Bereichen große grüne Erfolge, die im Übrigen immer gemeinsam getragen werden. Bekanntermaßen hat ja Regieren auf beiden Seiten auch was mit Kompromissen zu tun. Aber ohne grüne Beteiligung wäre folgendes nicht passiert: Die Trendwende im Justizbudget nach jahrzentelangem Zusammenkürzen ist gelungen und großzügigst ausgefallen, das stärkt unseren Rechtsstaat. Ähnliches beim Wissenschaftsbudget, beim Frauenbudget und last but not least auch die Auslandskatastrophenhilfe. Letztere hat sich vervielfacht. Das ist allen sozialdemokratischen Kanzlern und Ministern davor nicht gelungen. Wir haben im Bereich der Flüchtlingshilfe, beispielsweise in Syrien, im Libanon, in den vielen afrikanischen Staaten nördlich und südlich der Sahara, so viel Hilfsmittel mobilisiert wie nie zuvor.

ORF.at: Weil Sie gesagt haben, regieren heißt ja auch Kompromisse schließen: Ein schwieriges Thema zwischen Türkis und Grün sind die Flüchtlinge, ist Moria mit den Nachfolgelagern. Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass Sie da die ÖVP noch überzeugen können, doch noch Kinder von dort oder Familien aufzunehmen?

Kogler: Dass es einen erkennbaren Unterschied zwischen uns in der humanitären Nothilfe und der Migrationspolitik gibt, ist bekannt. Die Situation auf Lesbos sehen wir als Notsituation. Deshalb geht es dort um Nothilfe, um Erste Hilfe und um Soforthilfe. Das sieht die ÖVP noch anders. Wir arbeiten mit vielen kirchlichen Institutionen zusammen bis auf Gemeinde- und Länderebene, damit sich diese Perspektive ändert. Wir sehen immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Landesregierungsmitglieder der ÖVP, die sich dieser Linie anschließen.

Noch gibt es allerdings im Nationalrat keine Mehrheit dafür, das ist evident und da wird weiter daran gearbeitet. Aber wir sind der Meinung, dass alleine schon aufgrund christlicher Werte hier die Soforthilfe greifen müsste, etwa im Bereich von Hilfen bei der Familienzusammenführung. 40 Familien aus Lesbos hätten zudem schon Verbindungen nach Österreich, sodass man hier rasch handeln könnte.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF.at-Interview
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„Die Situation auf Lesbos sehen wir als Notsituation. Deshalb geht es dort um Nothilfe.“

ORF.at: Vor genau einem Jahr, am 5. Jänner, war grüner Bundeskongress in Salzburg. Infrage stand die Zustimmung zur neuen Koalition. Damals war oft zu hören: Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen, sprich die FPÖ. Zieht dieses Argument 2021 noch? Oder was sagen Sie jetzt Wählern, die von den Grünen enttäuscht sind?

Kogler: Das Argument ist immer zutreffend, aber es muss nicht immer im Vordergrund stehen. Und es war ja bei Weitem nicht der einzige Grund dafür, dass wir, dass ich diese Koalition angestrebt habe. Und die Frage, welche Alternativen es gibt, ist wohl eine relevante – und insofern, glaube ich, ist sie richtig gestellt. Aber ich rücke das gar nicht mehr in den Vordergrund. Worum es doch geht, sind die laufenden Ergebnisse dieser bestehenden Koalition. Und die machen mich sicher und zuversichtlich, etwa in der Sozial- und Umweltpolitik.

Wir haben die Mindestpensionen erhöht, der Kinderbonus etwa ist so gestaltet worden, dass er erstmals wieder für jedes Kind gleich hoch ist. Das hätte ich mir mit FPÖ und Türkis angeschaut, die haben immer genau das Gegenteil gemacht. Und so kann man auch andere Bereiche durchdeklinieren. Also das ist über weite Strecken, vielleicht nicht in jedem einzelnen Punkt, eine wesentlich bessere Bilanz als bei allen anderen möglichen Alternativen, die es jetzt als Regierungsform gäbe.

ORF.at: Wenn wir auf die Pandemie zurückkommen: Bundeskanzler Kurz hat hier gesagt: Man muss in einer Demokratie Kompromisse eingehen. Aus seiner Sicht hätte sich da schon früher was tun sollen. Wie finden denn Sie, sind Sie als Regierung durchgekommen?

Kogler: Na ja, wir haben am Schluss immer gemeinsam Entscheidungen getroffen, und ich denke, die waren über weite Strecken sehr gut. Ja, alle, die handeln, machen Fehler. Wir haben viele Entscheidungen getroffen, das ist einmal das Wichtigste, denke ich. Und deshalb geht der Vorwurf von Verzögerungen schon ins Leere, weil wir eben andauernd Entscheidungen treffen. Das rasche Handeln in der ersten Welle hat uns in die Lage von Lockerungen für das Spätfrühjahr und den Sommer versetzt. Und das war auch in Ordnung, weil wir ja nicht eineinhalb Jahre Lockdown haben können, bis einmal sozusagen alles pariert ist. Im Herbst war es tatsächlich schwieriger.

Die zweite Welle ist unterschätzt worden, aber nicht nur in Österreich, sondern in vielen Ländern in Europa. Wir haben anfangs vor allem dort ein erhöhtes Infektionsgeschehen gehabt, wo in der ersten Welle kaum oder keine Fälle waren. Ich glaube, dass da längere Zeit zu wenig Risikobewusstsein vorhanden war und die Fülle an Information und Regeln nicht immer für Klarheit gesorgt hat. Es war absolut notwendig, die Maßnahmen zu verschärfen, damit die intensivmedizinischen Kapazitäten nicht gesprengt werden. Jede und jeder, der ein Intensivbett braucht, soll dann auch noch eines bekommen, ganz egal, von welcher Krankheit das herrührt. Das ist gelungen. Insgesamt sind die Zahlen schmerzlich hoch. Und deshalb ist ja jetzt die Strategie: mittels Lockdown deutlich runter mit dem Infektionsgeschehen, um dann durch gezieltere Testungen wieder etwas lockern zu können.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF.at-Interview
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„Die Pandemie ist aus ihrem Wesen heraus so gestaltet, dass Planungssicherheit im üblichen Sinn ja verunmöglicht wird“

ORF.at: Sie sind ja zuständig für die Bereiche Sport und Kultur. Beim Sport funktionieren bereits viele Bereiche mit Tests. In der Kultur geht es gerade wieder sehr um die Frage der Planungssicherheit. Wie kommt man aus dem „Hühott“ heraus?

Kogler: Die Pandemie ist aus ihrem Wesen heraus so gestaltet, dass Planungssicherheit im üblichen Sinn ja verunmöglicht wird. Und natürlich müssen wir das gesundheitspolitische Ziel vorne abstellen. Aus sozialen und ökonomischen Gründen ist es vernünftig, das Infektionsgeschehen möglichst niedrig zu halten. Das führt aber dazu, dass Lockerungen dann erst gesetzt werden können, wenn die Perspektive das hergibt. Und deshalb kommen die Tests ins Spiel: Der Zugang zu bestimmten Veranstaltungen, egal ob Kultur oder Sport, kann dann erleichtert werden, wenn die Sicherheit erhöht wird.

Ich verstehe das Bedürfnis der Kulturschaffenden und Kulturinsitutionen nach Planbarkeit, und in Österreich versuchen wir das auch so gut wie möglich zu schaffen. Die deutschen Kolleginnen und Kollegen beschließen erst jetzt, was ab dem 10. Jänner passiert. Aber wir leben am Schluss natürlich nicht im Vergleich, was zählt ist die Wirksamkeit. Leider lässt es die aktuelle Situation nicht zu, etwas länger als zwei, drei Wochen im Voraus zu fixieren, das wäre unseriös. Ich stimme da auch mit jenen der Opposition überein, namentlich der von mir geschätzten Pamela Rendi-Wagner, die auch sagt, jetzt müssen mal die Zahlen so weit herunter, dass wir danach mit oder ohne Testen wieder ans Aufsperren denken können. 

„Testen und dann lockern, das ist möglich“

Kogler über Testszenarien in den kommenden Wochen, die mehr Normalität bringen könnten.

ORF.at: Brauchen wir klarere Ziele, um die Masse wieder ins Boot zu holen? Wie zuletzt ein Experte empfohlen hat, die 7-Tage-Inzidenz auf 50 oder darunter. Warum ist es so schwierig, klarere Ziele zu definieren?

Kogler: Der Gesundheitsminister hat in Abstimmung mit dem Bundeskanzler deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir bei der sogenannten 7-Tage-Inzidenz auf unter 100 kommen wollen. Und die Ausbreitungsgeschwindigkeit über den Reproduktionsfaktor soll sich bei 0,80 einpendeln. Und was das Wichtigste ist: Dass wir bei den intensivmedizinischen Auslastungen auf 200 bis 250 Betten beziehungsweise Stationsplätze kommen wollen. Da sind wir zum Teil am Weg dorthin, teilweise stagnieren die Annäherungen an diese Ziele, aber sie wurden schon formuliert.

ORF.at: Sind Sie unglücklich oder erleichtert, dass die „Freitestung“-Frage an der Haltung der Opposition gescheitert ist?

Kogler: Nein, mir geht es um das Ziel. Das Ziel ist, dass wir mit dem Instrument der Testungen ein normaleres Leben ermöglichen wollen. Ohne Testungen werden wir die Zahlen nicht unten halten können. Gerade im Winterhalbjahr ist das erkennbar. Damit wir nicht wieder einen vierten oder einen fünften Lockdown haben. Das ist nämlich die Alternative. Und für die Testungen gibt es mehrere Anwendungsmöglichkeiten. Und das Austesten aus dem Lockdown war nur eine von mehreren Optionen. Und alle anderen Testoptionen werden weiter verfolgt, etwa speziell bei Berufsgruppen zu testen, die engen Kundenkontakt haben. Wir sollten jetzt jedenfalls die Möglichkeit der seit Kurzem in großer Masse verfügbaren Antigen-Tests nutzen.

ORF.at: Zum Thema Impfen, weil auch hier die Debatte zuletzt wegen des langsamen Tempos aufgeheizt war: Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka hat in der ZIB2 vorgeschlagen, man solle doch ein „Impfdashboard“ machen, das immer den aktuellen Stand der Impfungen transparent macht. Können Sie sich sowas vorstellen?

Kogler: Natürlich ist das vorstellbar. Wichtiger ist, dass die Impfdosen, die nun angeliefert werden, möglichst rasch verimpft werden. Und mindestens so wichtig ist, dass das bei den richtigen Zielgruppen passiert, zunächst einmal natürlich, in den Alten- und Pflegeheimen, dann entsprechend bei Angestellten in diesen Hochrisikobereichen.

„Die Impfung ist der Gamechanger“

„Das Impfen kann uns allen ein normaleres Leben ermöglichen“, so Kogler im Interview

ORF.at: Es gab da große Aufregung, dass in den letzten Tagen zwar Impfdosen im Land waren, diese aber nicht verimpft wurden. Was sagen Sie dazu?

Kogler: Wir waren ab dem 27. in ganz Europa in einer Pilotphase, was die Logistik betrifft. Und in dieser ersten Phase wurde in ersten Alten- und Pflegeheime geimpft. Diese Woche geht es damit weiter. Es werden entsprechend der Pläne von Gesundheitsministerium, Kanzleramt und Ländern die bestellten Dosen in der geplanten Reihenfolge verimpft. Wir werden bis zu weiteren, bald anstehenden Zulassungen 63.000 pro Woche geliefert bekommen.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF.at-Interview
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„Wir werden aus der Krise hoffentlich besser rauskommen, als wir reingegangen sind“

ORF.at: Weil Sie die Kosten der Krise auch angesprochen haben: Wir werden in eine Phase kommen, wo man die Kosten wieder zurückzahlen oder reinbekommen muss. Müssen wir auch über Sparpakete, neue Steuern nachdenken? Womit man ja auch bei Themen wie jenem der Vermögensbesteuerung wäre. Sind das Themen, die auf uns relativ bald zukommen?

Kogler: Das sind mehrere Punkte. Erstens, Kosten der Krise. Also nicht Geld aufzunehmen und nicht quasi den Dreischritt zu gehen: retten, dann überbrücken und vor allem rausinvestieren – das würde am allermeisten kosten. Da sind wir uns auch mit allen Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforschern einig. Die Neoliberalen haben ja jetzt wie nach der Finanzkrise wieder Sendepause. Würden wir uns auf sie verlassen, befänden wir uns in einer Abwärtsspirale und würden uns überhaupt nicht mehr erholen.

Deshalb ist es ganz wichtig, jetzt Geld in die Hand zu nehmen. Ich sehe das als Investitionen, und es ist entscheidend, wofür das Geld verwendet wird. Das führt dazu, dass die Neuverschuldung steigt, was aber mit Abstand das Vernünftigste ist. Und dann stellt sich die Frage, ob es neue Steuern geben soll oder Kürzungspakete: Nein, die wird es in den nächsten Jahren nicht geben. Es kann nicht gekürzt werden, weil wir noch Jahre brauchen werden, um uns aus der Krise rauszuinvestieren. Wir werden nicht auf der einen Seite Entlastungen vornehmen und auf der anderen Seite Kürzungspakete draufpicken. Am Ende befinden wir uns hoffentlich in einer anderen Wirtschaftsstruktur, einer weniger anfälligen und verbesserten, vor allem, was die Ökologie betrifft.

ORF.at: Das heißt, die Vermögenssteuer ist für ein paar Jahre jetzt einmal kein Thema?

Kogler: Was die Steuersystematik betrifft, gibt es eine klare Vereinbarung: Das ist einmal die ökologisch-soziale Umsteuerung. Die ist ja vereinbart, die wäre mit oder ohne Krise gekommen. Wenn man die Corona-Schulden schneller zurückzahlen wollte, wofür ich aktuell keinen Grund sehe, werden wir nicht jene zur Kasse bitten, die wir gerade entlasten, und das sind die unteren und mittleren Einkommen. Spätestens dann geht es um einen Beitrag der Millionenerben – wohlgemerkt der Millionenerben und nicht des kleinen Häuslbauers.

ORF.at: Abschließende Frage: Es gab zuletzt Aufregung um ein Statement ihres Parteikollegen Georg Willi zur Frage der nächsten Spitzenkandidatur bei den Grünen. Wie kam die zustande? Und wie ist insgesamt die Stimmung in der Partei?

Kogler: Also erstens habe ich keine Aufregung verspürt, zweitens ist der Georg ein guter Freund von mir und hat das Statut referiert. Und ich kann ihm nur recht geben. Ich halte große Stücke auf die grüne Parteikultur, dass sich alle für eine Funktion bewerben müssen. Ich habe das in den letzten Jahren oft genug ,und es wird zu gegebener Zeit zu beantworten sein. Aber das ist so weit weg, da müssen wir uns vorher noch um ganz andere Dinge kümmern.

Die Stimmung innerhalb der Grünen ist auch deshalb gut, weil alle sehen, dass das grüne Regierungsteam mit ziemlich aufgekrempelten Ärmeln aus Überzeugung um die Sache kämpft und realpolitische Ergebnisse erreichen will: Alma Zadic für die unabhängige und starke Justiz, Leonore Gewessler für Klimaschutz und „Öffis“, Andrea Mayer für Kunst- und Kultur und Rudi Anschober ist sowieso Tag und Nacht gefordert. Also ich glaube, das grüne Regierungsteam kann sich sehen lassen und wir haben hier mal eine gute Basis, auch was die nächsten grünen Herausforderungen betrifft – und die sind ja die Landtagswahlen in Oberösterreich.