Person mit Mundschutz in leerer Straße in München
AP/Markus Schreiber
„Ausnahmejahr“

Deutschland kämpft gegen „tiefe Rezession“

Der Kampf gegen die Coronavirus-Krise hat erstmals seit Jahren ein tiefes Loch in die deutsche Staatskasse gerissen. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung nahmen 2020 zusammen 158,2 Milliarden Euro weniger ein, als sie ausgaben. Die Ökonomin Veronika Grimm spricht von einem „Ausnahmejahr“. Eine Erholung sei zu erwarten.

Die -Krise ließ das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um fünf Prozent schrumpfen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Die deutsche Wirtschaft ist somit nach einer zehnjährigen Wachstumsphase im Krisenjahr 2020 in eine tiefe Rezession geraten. Der Einbruch ist aber nicht so stark wie in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009: Damals war das BIP um 5,7 Prozent zurückgegangen. 2019 stieg das BIP noch um 0,6 Prozent.

In der Coronavirus-Krise musste Deutschland jedoch tief in die Taschen greifen, um mit Konjunkturhilfen die Folgen der CoV-Maßnahmen abzufedern. Zudem führte die Wirtschaftskrise zu einem Einbruch der Finanzkraft der Gemeinden. Auch die schweren Einbrüche etwa in der Luftfahrt, im Tourismus und im Gastgewerbe trugen ihren Teil zur Rezession bei. Die Messebranche und viele andere Wirtschaftszweige gerieten ebenfalls in einen Abwärtsstrudel.

Exporte brachen ein

Die deutsche Wirtschaft fiel in eine „tiefe Rezession“, wie Albert Braakmann, Leiter der Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen und Preise des Bundesamtes sagte. Im Frühjahr verhängte die Politik den ersten Lockdown, und seit November sowie vor allem Mitte Dezember gibt es erneut starke Einschränkungen, die die Konjunktur bremsen.

Die deutschen Exporte brachen 2020 kräftig ein, und die Unternehmen investierten spürbar weniger. Auch die Konsumenten hielten sich mit Ausgaben zurück. Die Statistiker des Bundesamts schränkten allerdings ein, dass aktuell die Schätzung der Entwicklung zum Jahresende 2020 mit größeren Unsicherheiten als üblich behaftet sei. Für das vierte Quartal wird gegenwärtig von einer Stagnation gegenüber dem Vorquartal ausgegangen; detailliertere Ergebnisse hierzu will das Bundesamt Ende Jänner veröffentlichen.

Erwartungen gespalten: Impfrate entscheidend

Viele Ökonomen und auch der Industrieverband BDI trauen der Wirtschaft 2021 wieder ein spürbares Wachstum von 3,5 Prozent oder mehr zu. Entscheidend dürfte sein, wie sich das Impfen entwickelt und ob Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen für weniger Unsicherheit bei Firmen und Verbrauchern sorgen. Der Stabilitätsrat zur Überprüfung der deutschen Staatsfinanzen rechnet wegen der Folgewirkung der Pandemie nicht vor 2024 mit Normalität.

Geschlossenes Geschäftslokal in München
APA/AFP/Christof Stache
Der Lockdown macht der Wirtschaft zu schaffen

„Das Jahr 2020 war eine Ausnahmesituation“, sagte Veronika Grimm vom deutschen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise). Weil Geschäfte zu waren und vor allem Teile der Industrie stillstanden, brach die Konjunktur im Frühjahr heftig ein. Im Sommer erholte sich die Wirtschaft dann stark. Die deutsche Regierung habe schnell und konsequent reagiert, sagte die Ökonomin an der Universität Erlangen gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“.

In Österreich ist das Bild ähnlich wie in Deutschland. Anfang Dezember erwarteten das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) für das Jahr 2020 einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von 7,3 bzw. 7,5 Prozent, für 2021 dann in ihren Grundannahmen einen Anstieg von 4,5 bzw. 3,1 Prozent. Für 2022 sind WIFO und IHS verhalten optimistisch, das BIP-Plus soll dann in den Basisannahmen 3,5 bzw. 3,8 Prozent betragen. In der Herbstprognose der EU-Kommission wurde für die 27 Mitgliedsstaaten ein BIP-Rückgang um 7,4 Prozent im Jahr 2020 angenommen und für die 19 Staaten der Euro-Zone ein Rückgang von 7,8 Prozent.

COVID-19-Impfzentrum in Berlin
Reuters/Kay Nietfeld
Entscheidend für ein spürbares Wachstum ist auch, wie sich das Impfen gegen Covid-19 entwickelt

Coronavirus-Zahlen in Deutschland

Die Zahl der offiziell gemeldeten Coronavirus-Todesfälle binnen 24 Stunden hat in Deutschland einen Höchststand erreicht. Die deutschen Gesundheitsämter übermittelten 1.244 neue Todesfälle an das staatliche Robert-Koch-Institut. Zudem wurden 25.164 Neuinfektionen gemeldet. Der bisherige Höchststand bei den Toten von 1.188 war am 8. Jänner erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden – darin waren jedoch 3.500 Nachmeldungen enthalten.

Grundsätzlich ist die Interpretation der Daten momentan noch etwas schwierig, weil um den Jahreswechsel herum Coronavirus-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden. Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (7-Tage-Inzidenz) lag Donnerstagfrüh bei 151,2. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.