Eine Frau und ein Mann bei starkem Wind auf der Straße
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Wind entscheidend

Die Krux mit der gefühlten Kälte

Minus 15 Grad Celsius und eine Windgeschwindigkeit von 55 km/h ergeben gefühlt minus 30 Grad – ab diesem Wert wird es für den Menschen gefährlich, ungeschützte Hautpartien können innerhalb einer halben Stunde Erfrierungen erleiden. Was zeigt: Die gefühlte Temperatur ist subjektiv, keineswegs aber eine Einbildung.

Wie warm oder kalt sich die Luft anfühlt, hängt von verschiedenen meteorologischen Parametern ab – Lufttemperatur, Lichteinstrahlung, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit. Bei Temperaturen unterhalb von zehn Grad kommt der Windchill (Windkühle) zum Tragen, bei dem Effekt spielt die Windgeschwindigkeit die Hauptrolle. Die Auswirkungen von Luftfeuchtigkeit und Lichteinstrahlung sind dabei – anders als beim Hitzeindex, der bei hohen Temperaturen zur Anwendung kommt –, eher vernachlässigbar.

Der Windchill-Effekt wird dadurch hervorgerufen, dass die warme Luft in der Nähe der Hautoberfläche von dem kalten Wind gleichsam weggeblasen wird. Der Körper versucht das zu regulieren, es kommt zu einem starken Wärmeverlust. Die Abkühlung der Haut durch einen Luftstrom wird als Kälte empfunden. Mit zunehmender Windgeschwindigkeit sinkt die empfundene Temperatur immer weiter, die Windchill-Temperatur beträgt etwa bei null Grad Lufttemperatur und eine Windgeschwindigkeit von zehn km/h minus 3,3 Grad, bei 50 km/h schon minus 8,1 Grad.

Grafik zeigt die gefühlten Temperaturen bei Wind und Kälte
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Umweltzentrale

International in Verwendung

Die gefühlte Temperatur ist eine international übliche Größe, Windchill-Angaben sind vor allem für Bergsteigerinnen oder Skifahrer im Hochgebirge sowie für Forschende in Polarregionen wichtig, um ein etwaiges Erfrierungsrisiko besser einschätzen zu können. Der Hitzeindex wiederum findet in langen Phasen mit extrem hohen Temperaturen Einsatz.

Die Angaben stellen aber nur einen groben Richtwert dar – es gibt zu viele Parameter, die dabei ins Gewicht fallen. Das Ausmaß der körperlichen Aktivität, die Bekleidung oder die individuelle Widerstandsfähigkeit gegenüber Kälte spielen eine entscheidende Rolle, selbst Kleinigkeiten wie eine eingecremte Haut können das Empfinden verändern.

Unschärfen bleiben

Dennoch gibt es seit fast 20 Jahren eine gültige empirische Formel, mit der sich die gefühlte Temperatur ausrechnen lässt. Dafür muss die tatsächliche Temperatur (T) in Grad Celsius und die Windgeschwindigkeit (V) in Kilometer pro Stunde eingesetzt werden, das Ergebnis zeigt den Windchill (W) in Grad Celsius: W = 13,12 + 0,6215 × T – 11,37 × V^(0,16) + 0,3965 × T × V^(0,16). Die Mühe kann man sich allerdings sparen – im Internet finden sich unzählige Seiten, die die gefühlte Temperatur mit einem Klick errechnen.

Die Gleichung mag präzise aussehen, ist es aber nicht. Die Kraft der Sonne wird dabei nicht berücksichtigt, ebenso wenig die Tatsache, dass der Wind offiziell zehn Meter über dem Boden gemessen wird. Herangezogen für die Berechnung wird die durchschnittliche Windgeschwindigkeit, nicht die stärksten Böen.

Eine Frau in den Salzburger Bergen beim Skitourengehen bei Wind
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In großer Höhe kann der Wind bei Kälte schnell zur Gefahr werden

Kaum Aufzeichnungen in Europa

Im Flachland von Österreich liegt die gefühlte Temperatur in den Wintermonaten bei windigen Verhältnissen häufig rund fünf Grad unter den Werten der Lufttemperatur. In den Skigebieten hat es in 2.000 Meter Höhe oft Temperaturen um die minus zehn Grad – bei durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von 60 km/h fühlt es sich dann ähnlich kalt an wie etwa Mitte Jänner in Lienz, bei minus 23 Grad und Windstille.

In den USA wird der Windchill oder die gefühlte Temperatur standardmäßig in den Wetterberichten angegeben. In Europa setzt sich das nur sehr zögerlich durch. Das erklärt auch, wieso es in Europa praktisch keine Aufzeichnungen der Windchill-Temperaturen gibt. In Nordamerika werden zumindest extreme Wetterlagen gespeichert: Gefühlt minus 79 Grad hatte es etwa in Kugaaruk in Kanada am 13. Jänner 1975.