Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Georg Hochmuth
Lockdown

Regierung verkündet Verlängerung

Es ist fix: Der „harte“ Lockdown wird bis 7. Februar verlängert. Das hat die Regierung im Zuge einer Pressekonferenz am Sonntagvormittag verkündet. Um die Ausbreitung des Coronavirus – und vor allem der neuen Virusvariante B.1.1.7 – zu verhindern, setzt die Regierung ab 25. Jänner überdies auf eine FFP2-Maskenpflicht im Handel und in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie auf die Erhöhung des Mindestabstands von einem auf zwei Meter.

Ab 8. Februar will die Regierung Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zufolge erste Öffnungsschritte setzen. Ziel sei es, sich einer 7-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner anzunähern – aktuell liegt diese bei 130. Der Handel, körpernahe Dienstleistungen und Museen sollen voraussichtlich ab 8. Februar öffnen dürfen, allerdings unter verschärften Bedingungen.

Die FFP2-Masken werden im Lebensmittel-Einzelhandel zum Selbstkostenpreis angeboten. Das bestätigten Vertreter von Spar, Lidl und REWE am Sonntag auf APA-Anfrage. Doch wie hoch der Preis sein wird, ist noch offen. Das hängt von den Beschaffungskosten ab, denn es wird noch bestellt. Kinder bis sechs Jahre sind wie schon bisher generell von der Maskenpflicht befreit, ab sechs Jahren gilt die Pflicht zum Mund-Nasen-Schutz. Größere Kinder werden auch von der FFP2-Pflicht betroffen sein, das genaue Alter wird noch definiert werden, hieß es im Sozialministerium.

Der Vizerektor der MedUni Wien Oswald Wagner, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, Bundeskanzler Sebastian Kurz , der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Gesundheitsminster Rudolf Anschober
APA/Georg Hochmuth
V. l. n. r.: MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), steirischer Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)

Kurz sieht weiterhin „Licht am Ende des Tunnels“

„Es ist unsere Verantwortung, notwendige Entscheidungen zu treffen, auch wenn wir es selbst schon alle mittlerweile satt haben“, sagte Kurz zudem. Österreich befinde sich aktuell zwar im europäischen Spitzenfeld – die neue Virusvariante verschärfe die Situation aber nochmal deutlich.

„Ich habe im Sommer gesagt, es gibt Licht am Ende des Tunnels“, so Kurz – „das ist die beste Nachricht, das wird eintreten“, ergänzte er hinsichtlich der angelaufenen Impfkampagne. Im April oder spätestens im Mai werde man der Normalität deutlich näher kommen, sagte er auch. Weitere Öffnungen wären aktuell fahrlässig, so der Kanzler.

Schulen bleiben weiter zu

Die Schulen bleiben – anders als zuvor von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann angekündigt – jedenfalls bis zu den Semesterferien im Distanzunterricht. Am 8. Februar sollen die Schulen in Wien und Niederösterreich im Schichtbetrieb öffnen dürfen, alle anderen Bundesländer starten am 15. Februar. Gastronomie, Hotellerie und Veranstalter müssen sich weiter gedulden – Mitte Februar soll evaluiert werden, ob eine Öffnung im März möglich ist.

Eine Homeoffice-Pflicht kommt nicht, wird aber empfohlen. Die Skigebiete können weiterhin geöffnet bleiben, auch Eislaufen bleibt erlaubt. Bundesregierung und Landeshauptleute wollen nun gemeinsam wöchentlich die Entwicklung der Pandemie evaluieren und über die notwendigen nächsten Schritte entscheiden.

„Schwierigste Phase der Pandemie“

„Zumindest in den nächsten zehn Wochen sind wir noch sehr gefordert, und das wird die schwierigste Phase der Pandemie werden“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Auch er nannte die Virusmutation B.1.1.7 als Grund – diese verbreite sich aktuell „in raschem Tempo“ in ganz Europa.

Anschober rechnet damit, dass sich die Situation ab Ende März aufgrund der Impfung und der höheren Temperaturen bessern wird. „Das gefällt dem Virus nicht“, so Anschober. Bis Ende März sollen ihm zufolge rund 600.000 Menschen geimpft werden. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), aber auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hoben die Bedeutung von Zusammenhalt in Zeiten der Krise hervor.

Analyse der ORF-Experten Mayer-Bohusch und Mayr

Innenpolitikexperte Andreas Mayer-Bohusch und Günther Mayr, Leiter des Wissenschaftsressorts, analysieren die Inhalte der Pressekonferenz.

Dass der Lockdown verlängert wird, hatten zuvor bereits mehrere Medien berichtet. Seit Freitag hatte die Regierung sich intensiv mit Landeshauptleuten, Sozialpartnern und Wissenschaftlern über die weitere Vorgangsweise bei den CoV-Maßnahmen beraten. Noch Samstagabend gab es erneut mehrstündige Gespräche mit den Ländervertretern.

„Mitten in einer Entwicklung, nicht am Anfang“

Sorge bereitet auch den Experten vor allem die Verbreitung der ansteckenderen Virusvariante, die erstmals in Großbritannien entdeckt worden war. Diese Variante sei um 50 Prozent infektiöser, so MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner. Das führe dazu, dass in vier Wochen nicht zweimal so viele, sondern mindestens fünfmal so viele Erkrankungen, Intensivpatienten und Sterbefälle auftreten könnten. Aber auch ohne Mutation wären die aktuellen Fallzahlen zu hoch für ein sofortiges Öffnen, sagte er.

Mediziner Wagner zur britischen CoV-Variante

Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, fordert schärfere Maßnahmen aufgrund der neuen Virusvariante und erklärt, inwieweit die britische Virusmutation in Österreich bereits verbreitet ist.

Er erwartet, dass am Mittwoch Ergebnisse zur Verbreitung der britischen Mutation in Wien vorgestellt werden können, wie er im ZIB2-Interview am Samstagabend sagte. Es seien bisher alle positiven Proben der vergangenen Tage aus Wien analysiert worden. Wagner weckte im Zuge der Pressekonferenz am Sonntag aber auch Hoffnungen auf eine Normalität im Sommer. „Wir haben tatsächlich nur mehr eine relativ kurze Zeit, die wir überbrücken müssen, bis die Pandemie ihren Schrecken verlieren wird“, sagte er.

Rendi-Wagner sieht „logischen Weg“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist über die Verlängerung des Lockdowns nicht überrascht und begrüßt diese: „Die Infektionszahlen sind zu hoch, die Mutationen ein heftiger Beschleuniger der Virusausbreitung“, schrieb sie in einer Aussendung. Volles Tempo beim Impfen sei ein Muss: „Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.“ Gleichzeitig forderte Rendi-Wagner „endlich“ eine starke Unterstützung des Staats für Unternehmen und Arbeitnehmer: „Es darf keine Pandemie der Armut entstehen.“

„Wütend“ zeigte sich FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die Menschen würden die Maßnahmen nicht mehr verstehen und zeigten daher vermehrt „zivilen Ungehorsam“. Keinen schönen Sonntag für Österreich sah Hofer in einer Pressekonferenz. Experten solle man durchaus anhören, allerdings auch „alle Experten“, sagte er mit Verweis auf die sozialen Auswirkungen des Lockdowns.

Einen Neustart im Krisenmanagement – vor allem in der Kommunikation – forderte NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger. Zudem brauche es endlich wieder einen Dialog mit dem Parlament, was Bundeskanzler Kurz in einem Telefonat auch zugesagt habe. Grundsätzlich trägt NEOS laut Meinl-Reisinger den Schritt der Lockdown-Verlängerung mit – allein aus „Vernunft“. Oberste Priorität beim behutsamen Öffnen müssten die Schulen haben. Kritik der Partei gilt vor allem der Impfstrategie der Regierung.

IV und WKÖ hoffen auf wirtschaftliche Wiederauferstehung

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) nannte die Verlängerung des Lockdowns zwar eine „bittere Pille“. Aber: „Unsere Betriebe und ihre Mitarbeiter haben jetzt eine gemeinsame Perspektive, dass Anfang Februar erste Öffnungsschritte im Handel und bei körpernahen Dienstleistern erfolgen werden“, teilte Mahrer gegenüber der APA mit. Betriebe hätten jetzt die Möglichkeit, sich auf die Öffnung vorzubereiten. Sie brauchten aber zusätzliche Hilfen.

„Die Corona-Beschränkungen sind für Gesellschaft und Wirtschaft mehr als schmerzhaft. Wir brauchen eine klare Perspektive, wie wir aus dieser Spirale herauskommen“, betonte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, in einer Aussendung. Die Maßnahmen der Bundesregierung seien zu respektieren. „Wir müssen uns aber vor allem auch die Chance für ein wirtschaftliches Comeback nach der Krise erhalten.“

Die Verlängerung des Lockdowns komme bei vielen Betrieben dem Wegfall eines Jahresumsatzes gleich, sagte Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung (ÖHV). „Da braucht es mehr als bisher“, forderte sie weitere Coronavirus-Hilfen durch die öffentliche Hand. Der Fixkostenersatz für die Dauer der Pandemie reiche nicht. „Die Coronavirus-Mutation B.1.1.7 hat leider dafür gesorgt, dass unser Alptraumszenario eingetreten ist. Wir rechnen jetzt für den sechswöchigen Lockdown im Handel mit einem Umsatzverlust von fast sechs Milliarden Euro“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.