Eine Frau mit Schutzmaske auf einem Platz in Frankfurt
AP/Michael Probst
Mit Verschärfungen

Lockdown in Deutschland bis Mitte Februar

Auch Deutschland verlängert den Lockdown um zwei Wochen: Anstatt am 31. Jänner sollen nun frühestens am 15. Februar erste Öffnungsschritte erfolgen. Dazu kommen weitere Verschärfungen. Das gab die deutsche Regierung nach Beratungen mit den Ländern am Dienstag bekannt.

Eigentlich hatten Bund und Länder erst am 25. Jänner über das weitere Vorgehen beraten wollen. Doch weiterhin hohe Infektionszahlen sowie die Sorge vor der neuartigen Mutation B.1.1.7 wirbelten auch in die Deutschland die Zeitpläne durcheinander. So fand der Krisengipfel von Bundesregierung und Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder bereits am Dienstag statt. Dessen Ergebnis: Der Lockdown wird bis 15. Februar verlängert. Damit bleiben etwa die Gastronomie, Freizeiteinrichtungen sowie der Einzelhandel geschlossen. Auch die Schulen öffnen nicht: Sie sollen bis zum 14. Februar grundsätzlich geschlossen bleiben, beziehungsweise wurde die Präsenzpflicht ausgesetzt.

Bis Mitte Februar soll eine Arbeitsgruppe „ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie erarbeiten, welche auch die notwendigen Voraussetzungen schafft, ein erneutes Ansteigen der Zahlen zu vermeiden“. Der harte Lockdown mit vielen geschlossenen Geschäften, Schulen und Notbetrieb in Kindergärten gilt bundesweit seit 16. Dezember und war bisher bis Ende Jänner befristet.

„Medizinische Masken“ in „Öffis“ und Geschäften

Neben der Verlängerung einigten sich Bund und Länder auch auf eine Reihe an Verschärfungen. Bereits am Nachmittag drang aus den Verhandlungen, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln und in zurzeit offenen Geschäften wie Lebensmittelmärkten künftig nur noch „medizinische Masken“ getragen werden dürfen. Darunter fallen OP-Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen der Standards KN95/N95 oder FFP2-Masken. Andere Bedeckungen wie etwa ein selbst genähter Mund-Nasen-Schutz aus Stoff sind also künftig in Bus und Bahn oder beim Einkaufen nicht mehr zulässig.

Personen vor einem Kaufhausmit Mund-Nasen-Schutz.
APA/AFP/John Macdougall
In öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen sind künftig „medizinische Masken“ vorgeschrieben

Zusätzlich vorgeschrieben werden „medizinische Masken“ künftig auch am Arbeitsplatz, wenn nicht genug Abstand gehalten werden kann. Darüber hinaus soll das Homeoffice weiter forciert werden. „Dazu wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Verordnung erlassen, wonach Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, sofern die Tätigkeiten es zulassen“, heißt es in dem Beschluss des Gipfels. Darin werden auch die Beschäftigten gebeten, das Angebot auch zu nutzen. Die Regelung soll am Mittwoch kommender Woche in Kraft treten und bis zum 15. März befristet sein.

Nicht durchsetzen konnte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen mit ihrem Vorstoß, die Ausgangsbeschränkungen auch außerhalb von Coronavirus-Hotspots in die gemeinsamen Beschlüsse aufzunehmen. Nach längerer Debatte einigten sich die Regierung und die Länder lediglich auf einen Passus, in dem festgehalten wird, dass in Regionen mit hohen Infektionszahlen zusätzliche weitere Maßnahmen verhängt werden können. Welche das sein können, wird allerdings nicht aufgeführt.

Ringen zwischen Bund und Ländern

Das Kanzleramt hatte eigentlich erreichen wollen, dass gemäß dem Rat von bestimmten Wissenschaftlern auch Ausgangssperren mit in den Katalog zusätzlicher Einschränkungen aufgenommen werden sollen – nicht nur in Hotspots mit einer Inzidenz über 200. Dagegen hatte es aber etwa Widerstand der SPD-geführten Länder gegeben, obwohl sich auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach für Ausgangssperren ab 20.00 Uhr starkgemacht hatte.

Angela Merkel und Michael Müller
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Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Merkel saßen im selben Raum – alle anderen waren per Video zugeschaltet

Bis zuletzt gerungen wurde zwischen Bund und Ländern auch darüber, ob die Schulen ebenfalls bis Mitte Februar geschlossen bleiben sollen. Merkel plädierte für eine Schließung der Schulen. Vor allem aus den SPD-geführten Bundesländern, aber auch aus manchen Unionsländern gab es dagegen starken Widerstand.

Nun bleiben die Schulen weiterhin geschlossen, beziehungsweise ist die Präsenzpflicht ausgesetzt. Das soll restriktiv umgesetzt werden. In Kindertagesstätten soll analog verfahren werden. Darüber sei lange verhandelt worden, und alle seien sich bewusst, dass das „unglaubliche Einschränkungen“ seien, sagte Merkel am Dienstagabend. Aber es gebe ernsthafte Hinweise, dass die mutierte Form des Virus sich stärker bei Kindern und Jugendlichen verbreite. „Und das müssen wir auch ernst nehmen.“

Experten für Verschärfungen

Vor dem Gipfel am Dienstag hatte sich die deutsche Politik Montagabend noch einmal von Expertinnen und Experten beraten lassen. Deren Urteil fiel recht deutlich aus, wie etwa das Redaktionsnetzwerk Deutschland und der „Spiegel“ unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichteten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen eindrücklich vor der drohenden Gefahr durch die Mutation des Virus gewarnt haben. Die Mehrheit habe sich auch dafür ausgesprochen, die Maßnahmen nicht nur zu verlängern, sondern noch zusätzlich zu verschärfen.

Dienstagfrüh meldeten die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) 11.369 Neuinfektionen binnen eines Tages. Darüber hinaus wurden 989 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI bekanntgab. Die Infektionslage scheint sich damit – ähnlich wie etwa auch hierzulande – auf hohem Niveau stabilisiert zu haben. Nach Experteneinschätzung sind die Zahlen aber noch viel zu hoch, um Lockerungen wagen zu können. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (7-Tage-Inzidenz) liegt derzeit in ganz Deutschland über 130 – als Zielwert, bis zu dem Gesundheitsämter die Nachverfolgung stemmen können, gilt 50.

Opposition fordert stärkere Einbindung des Bundestags

Kritik an der Pandemiepolitik kam am Dienstag aus der Opposition. Sowohl FDP als auch Linke mahnten, den Bundestag stärker einzubinden. „Die wesentlichen Fragen müssen im Parlament entschieden werden“, sagte FDP-Chef Christian Lindner im ARD-„Morgenmagazin“. Die Fraktion der Linken forderte die Regierung am Dienstagmittag auf, in der kommenden Sitzungswoche des Bundestags eine Regierungserklärung abzugeben.

Rufe nach mehr Unterstützung

Besorgt äußerte sich am Dienstag auch der Modehandel. „Jeder Tag, an dem die Läden geschlossen sind, verschärft die Probleme massiv“, warnte Steffen Jost, Präsident des Branchenverbands BTE. Die Branche leide durch die staatlich verordneten Maßnahmen unter weitreichenden Umsatzverlusten. „Hilfen müssen im Februar fließen“, forderte Jost. Die Händler könnten sich bei der Auszahlung staatlicher Unterstützung keine wochenlange Hängepartie leisten – „die Branche steht am Abgrund“.

Die Branche fordere nun, so wie die Gastronomie entschädigt zu werden. Auch Kosten und Wertverfall der Waren müssten in die öffentlichen Überbrückungshilfen einfließen: „Mode hat ein Verfallsdatum“, sagte Jost. Dabei dürfe es angesichts der hohen Kosten für die Händler keine Deckelung geben.

Zusätzliche Hilfsmaßnahmen forderte auch die Busbranche. Die neuen Beschlüsse brächten weitere massive Einschränkungen und zielten auf die Reduzierung der Fahrgastzahlen ab, hieß es vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo). Die Busunternehmen würden trotz der damit verbundenen Einnahmeausfälle weiterhin ihrer Verantwortung für die Mobilität der Bürger nachkommen. Sie müssten dafür aber fair entschädigt werden.

Finanzminister verspricht Nachbesserungen bei Hilfen

Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versprach unterdessen Nachbesserungen bei den Leistungen für Unternehmen. „Die Hilfen werden einfacher, umfangreicher und zielgenauer“, sagte er am Dienstag am Rande von digitalen Beratungen der EU-Finanzminister. Darauf habe er sich mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geeinigt. So sei ein erweiterter Zugang zu den Hilfen geplant, außerdem solle der Förderhöchstbetrag aufgestockt werden. Auch die Abschlagszahlungen sollen erhöht werden, das sind Vorschüsse auf spätere Zahlungen.