Der britische Musiker Elton John
AP/Invision/Chris Pizzello
Visapflicht

Britische Popstars bangen um Touren in EU

Britische Musikerinnen und Musiker fühlen sich „schändlich im Stich gelassen“: In einem am Mittwoch veröffentlichten Brief, unterzeichnet von Größen wie Elton John, Sting und Kim Wilde, hagelt es scharfe Kritik für die Regierung in London. Grund dafür sind die Folgen des Brexits: Denn für Tourneen in der EU brauchen Musiker und ihre Crews nun ein – oft kostspieliges – Visum. Vor allem für junge Bands wird das ein Hindernis.

„Der mit der EU vereinbarte Deal hat ein klaffendes Loch, wo die versprochene Reisefreiheit für Musiker sein sollte. Jeder, der auf einer Musiktournee durch Europa ist, wird nun teure Arbeitsgenehmigungen für viele Länder und einen Berg von Papierkram für seine Ausrüstung benötigen“, heißt es in dem Brief, der in der Zeitung „The Times“ veröffentlicht wurde. Die zusätzlichen Kosten würden viele Künstler in den Ruin treiben, hieß es weiter.

Man fordere von der Regierung nun, dass sie das „tut, was sie gesagt hat, dass sie tun wird“ und die hürdenlose Einreise für britische Künstlerinnen und Künstler in die EU fixiere. „Im Interesse der britischen Fans, die europäische Künstler in Großbritannien sehen wollen“, solle die Vereinbarung „auf Gegenseitigkeit beruhen“.

Der britische Musiker Sting
AP/Invision/Amy Harris
Auch der Musiker Sting schloss sich dem offenen Brief an

Brüssel und London schieben einander Schuld zu

Es ist kein ungewohntes Bild, dass sich bei dem Thema nun London und Brüssel gegenseitig die Schuld zuschieben. Anfang der Woche sagte die britische Kulturstaatssekretärin Caroline Dinenage, dass das ursprüngliche Angebot der EU nicht mit dem Versprechen der Regierung vereinbar gewesen wäre, „die Kontrolle über unsere Grenzen zurückzuerlangen“.

Sollte die EU unterdessen die Vorschläge Londons in Betracht ziehen, sei man zu weiteren Gesprächen bereit, so Dinenage. In Brüssel hieß es hingegen, dass die eingebrachten Vorschläge Großbritanniens gar keine Erleichterung für britische Musiker bringen würden – in London bezweifelt man diese Aussage aber. Anders als von einigen Medien berichtet, habe die Staatengemeinschaft ihrerseits kein Angebot über bis zu 90 Tage Visafreiheit vorgelegt, sagte Dinenage der Nachrichtenagentur PA zufolge.

„Musikerpässe“ wohl kein Thema

Überraschend kommen die Hürden für britische Musiker und Bands freilich nicht: Schon länger fordert etwa die Gewerkschaft Musicians’ Union einen „Musikerpass“, der nichts oder nur wenig kosten solle und die Einreise in alle EU-Staaten ermöglichen solle. Im Internet bekam die Aktion breite Unterstützung – der „Guardian“ schreibt, dass die Regierung diesen Plan nicht als Möglichkeit verfolge, obwohl man behaupte, die Interessen der Industrie zu vertreten.

Die britische Musikerin Nicola Benedetti
APA/AFP/Getty Images/Kevork Djansezian
Auch die schottische Violinistin Nicola Benedetti gehört zu den 110 Unterzeichnern

Einnahmenverlust – Gefahr vor allem für Helfer

Bei der Incorporated Society of Musicians (ISM), die den offenen Brief aufgesetzt hat, verweist man auf die große Bedeutung von Touren durch Europa. „Internationales Touren ist für viele Musiker ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebensunterhalts, wobei 44 Prozent der Musiker vor der Pandemie bis zur Hälfte ihres Einkommens in der EU verdienten“, zitiert der „Guardian“ ISM-Chefin Deborah Annetts.

Der britische Musiker Liam Gallagher
AP/Invision/Joel C Ryan
Prominente Mitunterzeichner des Briefs wie Ex-Oasis-Sänger Liam Gallagher werden wohl weniger Hürden bei der Einreise haben

Während große Stars wohl kein größeres Problem haben werden, entsprechende Arbeitsgenehmigungen für die einzelnen EU-Länder aufzutreiben, sieht die Situation für junge Künstlerinnen und Künstler ganz anders aus. Für sie sind Touren schon jetzt oft nicht profitabel, die zusätzlichen Kosten für ein Visum könnten diese zum Verlustgeschäft machen – ganz besonders im Hinblick auf die Coronavirus-Krise, die freilich die gesamte Branche geschwächt hat.

Doch neben den Musikern selbst werden wohl vor allem die Crews enorm leiden. Roadies sowie Licht- und Tontechniker könnten ihre Arbeit „nicht vom Heimstudio aus“ erledigen, sie seien davon abhängig, dass „dass alles groß und international ist“, sagte zuletzt der Musiker Pete Fraser im Interview mit FM4 – mehr dazu in fm4.ORF.at.

Weitere Gesprächsrunden geplant

Auch mit dem endgültigen Ausstieg Großbritanniens aus der EU gibt es noch zahlreiche ungeklärte Themen – das Schicksal der Musikerinnen und Musiker auf beiden Seiten ist nur ein Teil davon. Als Reaktion auf den offenen Brief hieß es am Mittwoch von der britischen Regierung, dass man die Sorgen der Künstler ernst nehme. „Wir stimmen absolut zu, dass Musiker in der Lage sein sollten, in ganz Europa zu arbeiten“, hieß es in einer Erklärung. Der britische Kulturminister Oliver Dowden will noch diese Woche mit Vertretern der Musikindustrie reden.