Experte: Semesterzeugnis diesmal als Zwickmühle für Lehrer

Ein Drittel der Schultage in diesem Semester wurde im Fernunterricht gelernt, an Oberstufen sogar die Hälfte.

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann hat wegen dieser schwierigen Voraussetzungen für „Milde“ beim Semesterzeugnis plädiert. Gleichzeitig wurden die Lehrer aber vom Ministerium angewiesen, für eine „sichere Beurteilung“ zu sorgen. „Das simuliert Normalität, wo keine ist“, kritisierte Bildungsforscher Bernhard Hemetsberger. Die Lehrer gerieten dadurch in die Zwickmühle.

Die Pädagogen und Pädagoginnen hätten in dieser Situation laut Hemetsberger, zu dessen Forschungsschwerpunkten die Notengebung gehört und der zuletzt von der Uni Wien an die UniBw München gewechselt ist, zwei gleichermaßen problematische Möglichkeiten.

Gewohnte Normalität oder Milde?

Entweder sie würden die nicht vorhandene Normalität aufrechterhalten, die Noten nach bisher üblichen Kriterien vergeben und den enormen Einfluss negieren, den die unterschiedlichen Lernbedingungen und die Unterstützung der Schüler durch die Familien im Distance-Learning haben.

„Dann habe ich einen schlechteren Notenschnitt und produziere genau die ‚verlorene Generation‘, die wir verhindern wollen“, so der Forscher im Gespräch mit der APA.

Oder die Lehrer könnten „grade inflation“ betreiben, indem sie über ihren professionellen Schatten springen, einfach bessere Noten verteilen und die Entscheidung über das Qualifikationsniveau an andere Institutionen oder die Lehrstellen weiterreichen.

Befeuert durch die „zweischneidige Darstellung“ des Bildungsministeriums müsse man so oder so mit vielen Beschwerden und Einsprüchen von Eltern rechnen, die sich schützend vor ihre Kinder stellen – entweder weil sie den Eindruck haben, dass das Kind dem „Normalbewertungsraster“ unterworfen und dadurch zu schlecht bewertet wurde oder weil ein anderer Schüler vielleicht besser bewertet wurde und Eltern dann Spielraum sehen, mit einem gewissen Nachdruck bei die Notengebung mitzureden. „Damit öffne ich Tür und Tor für einen ‚Notenbasar‘.“