Frau arbeitet im Home Office
Getty Images/Hispanolistic
Steuer- und andere Fragen

Warten auf Homeoffice-Regelung

Der neue ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher will in Sachen Homeoffice nun schnell Nägel mit Köpfen machen, ein fertiger Vorschlag liegt auf dem Verhandlungstisch. Offenbar spießt es sich derzeit an Steuerfragen. Viele Länder setzen während der Pandemie auf eine Homeoffice-Pflicht – in Österreich sieht man davon ab.

Auch knapp ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie in Österreich hat das Land keine neuen Homeoffice-Regeln. Die zurückgetretene Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hatte im September 2020 eine Arbeitsgruppe einberufen und wollte im März 2021 Ergebnisse präsentieren. Nach Ärger über diesen Zeitplan wurde eine Einigung mit den Sozialpartnern und der Industriellenvereinigung (IV) bis Weihnachten angestrebt, die auch zumindest grundsätzlich zustande gebracht wurde – und dann wohl auch wegen der Ereignisse um Aschbachers Plagiatsaffäre erneut warten musste.

Aschbacher trat am 9. Jänner zurück, fertig auf dem Tisch lagen da zwei Leitfäden aus dem November 2020 zum Thema: einer „für die Entwicklung von organisatorischen Spielregeln für mobiles Arbeiten“ und einer für „ergonomisches Arbeiten im Homeoffice“. Weiters wurde geregelt, dass die Pendlerpauschale weiterhin ausbezahlt und der Unfallversicherungsschutz im Homeoffice ausgedehnt wird. Bis Ende März sind nun auch Unfälle versichert, die sich bei der „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ ereignen. Darunter versteht man Essen, Trinken und den Gang aufs WC. Auch schon vor der Pandemie galt, dass Unfälle im Homeoffice dann als Arbeitsunfälle gelten, wenn es einen ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gibt.

Steuerfragen bremsen

Kocher, der Nachfolger im Amt, kündigte gleich zu Beginn eine rasche Lösung an und stellte sie für nächste Woche in Aussicht. Aus dem Arbeitsministerium heißt es gegenüber ORF.at: „Es liegt bereits ein ausgewogener Vorschlag der Bundesregierung am Tisch. Wir sind zuversichtlich, dass wir demnächst zu einer guten Lösung kommen werden.“ Nun beschwert sich aber die Gewerkschaft, das Finanzministerium blockiere das an sich fertige Paket wegen steuerlicher Detailfragen.

Was das Paket am Ende enthalten wird, ist unbekannt. Vorgesehen von Sozialpartnern und IV war, dass eine schriftliche Vereinbarung für freiwilliges Homeoffice zwingend sein sollte und es auch ein Rücktrittsrecht gibt. Die Arbeitsmittel müssten entweder vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt oder Kostenersatz geleistet werden. „Es wird nichts wahnsinnig Neues drin stehen“, so der Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak von der Uni Wien. Nach vielen Monaten der Praxis hätten private Unternehmen im Groben einen Modus operandi gefunden, sofern sie Homeoffice befürworteten. Im öffentlichen Dienst gebe es schon eine Regelung zu Telearbeit.

Freiwilligkeit als Prämisse

„Ich vermute, es kommt nun eine für die CoV-Krise befristete Lösung, etwa eine Regelung zur Steuerfreistellung“, so Gruber-Risak im Gespräch mit ORF.at: Gibt der Arbeitgeber Geld für das Homeoffice der Mitarbeiter aus, müsse es eine Steuerfreistellung geben. Wenn der Arbeitnehmer Kosten hat, müsse es Ersatz geben. „Das kostet die Arbeitgeber nichts, aber den Steuerzahler. Darum geht es wohl derzeit.“ Generell gelte im Arbeitsrecht: Notwendiger Aufwand ist zu ersetzen, außer es ist etwas anderes ausgemacht. „Die Regel scheint klar, wenn es um eine Druckerpatrone fürs Homeoffice geht. Aber auch die Mehrkosten müssen gezahlt werden wie der vermehrte Stromaufwand.“

Grafik zum Homeoffice-Anteil in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Grundsätzlich gilt in Österreich, dass die Arbeit zu Hause zwischen Arbeitgeber und -nehmer vereinbart werden muss. Ist ein Betriebsrat vorhanden, können die Regeln dazu per Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Recht auf oder Pflicht zu Homeoffice gibt es in Österreich nicht. Das dürfte sich auch nicht ändern, weder die Regierung noch Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind dafür. „Wir empfehlen, besonders im derzeitigen Lockdown, das Homeoffice überall dort zu nutzen, wo es möglich ist. Von einer Pflicht sehen wir jedoch ab, und das war auch ein ausdrücklicher Wunsch der Sozialpartner, da eine Homeoffice-Pflicht nicht überall umsetzbar ist“, so das Arbeitsministerium. Am Grundsatz der Freiwilligkeit wolle man festhalten.

Pflicht zum Homeoffice verbreitet

In etlichen EU-Ländern geht man einen anderen Weg. Staaten wie Deutschland stellten bereits Regeln für die Dauer von Lockdowns vor, und in vielen Fällen lief es auf eine Homeoffice-Pflicht hinaus. So sind deutsche Arbeitgeber bis Ende März nun verpflichtet, den Beschäftigten Homeoffice zu ermöglichen, sofern keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen.

Auch die Schweiz entschied sich für eine Pflicht, zumindest bis Ende Februar. In beiden Ländern sorgen vage Formulierungen für Interpretationsspielraum. In Deutschland soll es stichprobenartige Kontrollen geben, aber keine Bußgelder. In der Schweiz lautet die Regelung: Die Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice überall dort anzuordnen, wo dies aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismäßigem Aufwand umsetzbar ist." Was umsetzbar ist und was verhältnismäßig, darüber darf ab nun gestritten werden. Eine Klärung dieser Fragen bis zum Auslaufen der Regelung im Februar scheint unwahrscheinlich.

Bereits im vergangenen Herbst hatten Frankreich und Belgien die Pflicht zum Homeoffice eingeführt, wo es eben möglich ist. Die Kontrollen gestalten sich wegen zahlreicher Ausnahmen aber schwierig. In Belgien drohen hohe Bußgelder, Unternehmen müssen bis zu 48.000 Euro zahlen, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht entsprechend der Regelung ins Homeoffice geschickt haben.

Wunsch nach mehr Freiraum

In den USA entscheidet hingegen jedes Unternehmen selbst, wie es verfährt, aus der Politik können nur Appelle kommen. Doch der Trend vor allem in den großen Unternehmen geht stark ins Homeoffice. Bei Amazon gilt das Arbeiten von zu Hause noch bis Mitte des Jahres. Auch Google und Facebook erwarten ihre Beschäftigten nicht vor Mitte 2021 zurück in den Büros. Unternehmen wie Twitter und Slack stellen ihren Beschäftigten bereits frei, permanent von zu Hause oder unterwegs zu arbeiten. Laut einer Umfrage des US-Unternehmerverbands NABE wollen mehr als 80 Prozent der Betriebe die Option zumindest „bis zu einem gewissen Grad“ auch nach der Krise anbieten.

Flexibles Arbeiten als Burn-out-Faktor

Das Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen war schon vor der Pandemie nicht einfach – ohne klar gezogene Grenzen kann flexibles Arbeiten, das nun vermehrt unter erschwerten Bedingungen im Homeoffice gefordert wird, bis zum Burn-out führen.

Auch in Österreich wünschen sich die meisten Beschäftigten mehr Spielraum in der Gestaltung ihrer Arbeit, wie eine aktuelle Gallup-Umfrage zeigt. 79 Prozent befürworten flexiblere Arbeitszeiten, 55 Prozent „hybrides“ Arbeiten teils im Homeoffice und teils am bisherigen Arbeitsort. Nur 26 Prozent der Arbeitnehmer möchten ausschließlich von zu Hause aus arbeiten, für reine Präsenzarbeit in der Firma sprechen sich 50 Prozent aus. Homeoffice alleine sei aber kein Allheilmittel, so Andrea Fronaschütz von Gallup. Auch die menschliche Interaktion im Team müsse bedacht werden. „Vielmehr geht es darum, die individuell richtige Kombination zwischen Remote-Arbeit und Arbeitsplatzpräsenz sowie mehr Arbeitszeitflexibilität zu ermöglichen.“

Vertrauen als Knackpunkt

Die Österreicher wissen inzwischen, wovon sie sprechen. Homeoffice ist im vergangenen Jahr für viele schlagartig zum Normalzustand geworden. Laut Statistik Austria arbeitete im dritten Quartal des Pandemiejahrs 2020 fast ein Fünftel zu Hause, das waren 700.900 Menschen – im Quartal davor noch mehr. Laut einer IFES-Studie vom Oktober fehlt dabei immer noch oft das Nötigste, etwa eine gute Ausstattung.

Auf die Dauer werde man sich aber langfristige Lösungen überlegen müssen, so Arbeitsrechtsexperte Gruber-Risak. Dann kommen Fragen auf wie nach der Kontrolle und Datenschutz. Abseits von praktischen Themen werde sich das Vertrauen als Knackpunkt erweisen: Vertrauen der Arbeitgeber in die Angestellten und ihre Verlässlichkeit auch zu Hause sowie das Vertrauen der Arbeitnehmer, nicht umfassend überwacht zu werden.