US-Poetin Amanda Gorman
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USA

Die wahren Stars der Angelobung

Die Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden ist am Mittwoch als rot-blau-weißes Spektakel über die Bühne gegangen, bei dem sich wieder einmal überraschende Publikumslieblinge ergaben. Für besondere Resonanz sorgten diesmal ein Paar Fäustlinge, eine goldene Friedenstaube und – allen voran – eine junge Poetin.

Der Auftritt der 22-jährigen Amanda Gorman, ihres Zeichens die jüngste Dichterin, die je bei der Amtseinführung eines US-Präsidenten auftrat, traf besonders den Nerv. In rhythmischem Vortrag und mit großer Geste beschwor Gorman in ihrem hoffnungsvollen Gedicht „The Hill We Climb“ (Transkript) sechs Minuten lang das Bild eines Amerikas, das trotz all seiner Konflikte „nicht kaputt, sondern nur unfertig ist“ („a nation that isn’t broken but simply unfinished“).

Damit sorgte Gorman für regelrechte Begeisterungsstürme – wohl auch, weil sich ihre Worte in Gormans Biografie und Person kristallisieren und nahtlos in Bidens Fortschritts- und Versöhnungsversprechen einfügen. Ihre Geschichte liest sich auch tatsächlich wie ein „American Dream“: Die Tochter einer Mittelschullehrerin, die alleinerziehend Zwillinge aufgezogen hat, avancierte in den letzten Jahren zur literarischen Hoffnungsträgerin, wurde bereits 2017 mit dem prestigeträchtigen Youth Poet Laureate geehrt, studierte Soziologie in Harvard und hat bereits drei Bücher verfasst.

Politik und Poesie

In einem pünktlich zur Inauguration veröffentlichten TED-Vortrag Gormans bezeichnete sie sich dabei selbst als „Tochter von schwarzen Autoren, die von Freiheitskämpfern abstammen, die Ketten gesprengt und die Welt verändert haben“. Das seien die Schultern, auf denen sie stünde, und die Herkunft, die sie sich vor jedem Auftritt aufs Neue vergegenwärtige. Poesie und Politik sind für Gorman untrennbar verwoben. Und die junge Frau hat auch selbst ausgeprägte politische Ambitionen: Sie will 2036 als US-Präsidentin kandidieren.

„The Hill We Climb“

Ein Transkript des Gedichts findet sich online bei „The Hill“, eine deutsche Übersetzung bei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die ehemalige demokratische Kandidatin Hillary Clinton ließ auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wissen, dass sie diese Kandidatur schon jetzt nicht erwarten könnte, Bewunderung kam unter anderem auch von Ex-Präsident Barack Obama und Oprah Winfrey. Spätestens seit ihrem Auftritt dürfte Gorman jedenfalls gut vernetzt und sehr gefragt sein, man wird damit wohl auch in Zukunft von ihr hören. Wer bis dahin lieber von ihr lesen will, muss sich derzeit noch gedulden. Gormans Kinderbuch „Change sings“ und der Lyrikband „The Hill We Climb“ erscheinen erst im September, führen aber schon jetzt diverse Verkaufslisten an.

Bernie Sanders, wohin man nur blickt

Freilich gab es bei der Inauguration auch andere Dinge, auf die sich aller Augen richteten. In zwei von diesen steckten die Hände des Senators und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders. Der 79-Jährige trug bei der Angelobung braun gemusterte Strickfäustlinge, die in Kombination mit seinem praktischen Winterjackenoutfit und seinem ausgeprägten Social Distancing sofort als „grumpy chic“ („Grantler-Chic“) gefeiert wurde.

Die Handschuhe von US-Senator Bernie Sanders
Reuters/Jonathan Ernst
Strickfäustlinge statt Lammleder hieß es bei Sanders

Für das Internet war Sanders’ Outfit eine Steilvorlage – binnen kürzester Zeit kursierten Tausende Bilder, auf denen Sanders in die kuriosesten Settings montiert wurde. Der US-Amerikaner Nick Sawhney bastelte sogar in Rekordtempo ein Tool, das den „grumpy Sanders“ mit Hilfe von Google Street View in jedes beliebige Setting einbaut. Die Fäustlinge aus recyceltem Material sorgten übrigens nicht zum ersten Mal für Begeisterung. Sie haben mit „@BerniesMittens“ (Dt.: „Bernies Fäustlinge“) sogar einen eigenen Instagram-Account.

Friedenstaube Lady Gaga

Einmal mehr für Furore sorgte auch Popstar Lady Gaga, die in einem rot-blau-weißen Look mit Schiaparelli-Kleid samt überdimensionaler, goldener Friedenstaube am Revers und goldenem Mikrofon die US-Hymne zum Besten gab. Die 34-Jährige hatte diese bereits 2016 bei der Super Bowl vorgetragen – zur Begeisterung des Publikums.

Lady Gaga singt „The Star-Sprangeled Banner“

Die Performance der Nationalhymne gehörte zu den Highlights der Angelobung.

Nun sang die deklarierte Biden-Unterstützerin zwar vor einem kleineren Livepublikum, mit ihrer stimmlichen Leistung konnte sie allerdings überzeugen. Lady Gaga selbst schrieb vor ihrem Auftritt auf Twitter, dass der Auftritt in „einer Phase der Veränderung“ für sie große Bedeutung habe. Sie wollte die „Vergangenheit anerkennen, für die Gegenwart heilend sein und leidenschaftlich sein für eine Zukunft, in der alle zusammenarbeiten“.

Amerikanischer Abend

Auch der Rest des Abends hätte amerikanischer nicht verlaufen können: Es folgte Jennifer Lopez, ganz in Weiß gekleidet, die mit den Liedern „This Land Is Your Land“ und „America the Beautiful“ aufwartete. Rocklegende Bruce Springsteen gab „Land of Hope and Dreams“ zum Besten, Justin Timberlake und Ant Clemons präsentierten ihren neuen Song „Better Days“, Demi Lovato begeisterte mit dem Soulhit „Lovely Day“.

Das große Finale gehörte Popstar Katy Perry in weißer Robe vor dem Lincoln Memorial in Washington. Zu ihrem Hitsong „Firework“ erlebte die Hauptstadt ein minutenlanges Feuerwerkspektakel. Der Himmel über dem Weißen Haus glitzerte in bunten Regenbogenfarben – dominant dabei waren – logisch – Rot, Blau und Weiß.