Simulationsforscher Niki Popper bei einer Pressekonferenz
APA/Georg Hochmuth
Experte

Mutation „wird sich durchsetzen“

Die infektiöseren Mutationen des Coronavirus sind in Österreich noch nicht flächendeckend vorhanden. Das erläuterten Experten bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Gesundheitsministerium. Die britische Variante B.1.1.7 werde sich aber auch hierzulande durchsetzen. „Wir gehen davon aus, dass sie im Februar, spätestens im März die Oberhand gewinnen wird“, sagte Simulationsforscher Niki Popper. Das bedeute aber nicht, „dass die Welt untergeht“.

Insgesamt gebe es bei SARS-CoV-2 eine „enorme Dynamik“. „Wir alle sind dem ausgeliefert und müssen damit umgehen“, sagte Popper und betonte, dass mehr Distanz und eine strengere Maskenpflicht wirken. Denn damit „gewinnen wir Zeit“, die Ausbreitung könne aber „nicht verhindert werden“. „Es wird weitere Mutationen geben“, sagte der Forscher.

Er prognostizierte für die kommende Woche eine Reduktion der täglichen Fallzahlen unter 1.000. Die Situation sei stabil, „ich erwarte im Moment keinen Anstieg“. Die Maßnahmen – der harte Lockdown wurde ja verlängert, am Montag treten weitere Verschärfungen in Kraft – wirkt, „aber nicht so stark, wie wir uns das oft wünschen würden“, sagte der Experte.

Simulationsforscher Niki Popper und Gesdunheitsminister Rudolf Anschober bei einer Pressekonferenz
APA/Georg Hochmuth
Simulationsforscher Niki Popper und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei der Pressekonferenz

Anschober: „Guter Trend kein Grund für Entwarnung“

Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) berichtete von der positiven Entwicklung in Österreich. So lag etwa die 7-Tage-Inzidenz am Mittwoch bei 115, im November verzeichnete Österreich noch 600 Neuinfektionen in einer Woche pro 100.000 Einwohner. „Dieser gute Trend ist aber kein Grund für Entwarnung, wir müssen besonders vorsichtig sein und uns besonders anstrengen“, sagte Anschober. „Februar und März wird die schwierigste Phase der Pandemie überhaupt“, sagte der Gesundheitsminister in Hinblick darauf, dass sich die britische Mutation B.1.1.7 in ganz Europa ausbreitet.

Sie ist „auch in Österreich angekommen“, nun gebe es das Risiko, „dass es eine Pandemie in der Pandemie geben kann“. Um die dynamische Entwicklung genau verfolgen zu können, werde man dafür in Österreich ein „umfassendes Kontrollsystem etablieren“, sagte der Minister. Alle Bundesländer sollen deshalb „schrittweise auf erweiterte PCR-Testungen umstellen“, die auch bereits Mutationen untersuchen. Alle positiven Ergebnisse sollen schrittweise auf Mutationen überprüft werden, damit erhalte man ein „flächendeckendes Ergebnis“, wenn es Clusterbildungen gibt, sagte Anschober. Außerdem sollen Tests in Kläranlagen stark ausgebaut werden. Als dritten Schritt wolle man die Vollsequenzierungen auf 400 pro Woche ausdehnen.

Impfung „konsequent und schnell“ ausrollen

Dazu kommen die Maßnahmen, die auch bei den infektiöseren Mutationen wirken. Die neue Verordnung mit der Lockdown-Verlängerung, die einen Mindestabstand von zwei Metern und FFP2-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Handel vorsieht, soll planmäßig ab Montag gelten, sagte Anschober. „Der Babyelefant ist erwachsen geworden“, so Anschober. Die CoV-Schutzimpfung soll „konsequent und schnell ausgerollt“ werden, dabei sei man aber „zu 100 Prozent abhängig von Zulassungen“. Möglichst rasch sollen in den Alters- und Pflegeheimen die Bewohner auch die zweite Dosis erhalten. Das führe zu einem Schutz „vor allem gegen Todesfälle und schwere Erkrankungen“.

Britische Mutation erschwert Prognosen

Die britische Coronavirus-Mutation B.1.1.7 macht Prognosen für das Infektionsgeschehen schwieriger. Mehr Untersuchungen über die Verbreitung der Mutation stehen an, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Genomforscher: „Spannende Ergebnisse“ in Kläranlagen

Die Mutation B.1.1.7 ist „noch nicht in der Breite angekommen“, so auch Genomforscher Christoph Bock. Der leitende Forscher am Forschungszentrum für Molekulare Medizin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), führt die Genomsequenzierung und -analyse für Genom Austria durch. Er erläuterte den Ablauf von Vollgenomsequenzierungen und sagte, dass diese vor allem für Fälle, die man sich noch nicht ganz erklären kann, sinnvoll sind. Wie oft die Mutationen vorkommen, dafür sind die Vollsequenzierungen „nicht das Mittel der Wahl“.

Bock berichtete von „spannenden Ergebnissen“ bei den Kläranlagenuntersuchungen. Die meisten Ergebnisse, die bisher geprüft wurden, seien negativ gewesen. Das lasse darauf schließen, dass B.1.1.7 noch nicht flächenmäßig ausgebreitet sei, aber es gebe einzelne Cluster. In der kommenden Woche könne man mit den Kläranlagenproben etwa 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung abdecken. Dadurch könne man sich vorbereiten. Damit, mit den Abstrichen und Sequenzierungen könne man „ein Stück weit auch nach vorne blicken, wir sehen neue Varianten“, sagte Bock.