Videokonfernz von EU-Regierungschefs mit EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP
CoV-Mutationen

EU-Staaten wollen Reisen weiter ausbremsen

Im Kampf gegen die Pandemie wollen die 27 EU-Staaten nicht notwendige Reisen weiter einschränken. Doch sollen die Grenzen für Waren und Pendler möglichst offenbleiben. Das sagte EU-Ratschef Charles Michel am Donnerstagabend nach einem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs. Es ist eine Reaktion auf die neuen Virusvarianten.

Diese sollen gezielter aufgespürt werden und die Impfkampagne besser in Schwung kommen. Es soll einen EU-Impfpass geben, aber vorerst keine Vorteile für Geimpfte etwa beim Reisen. Michel sagte, die Mitgliedsstaaten seien sehr besorgt über die neuen, ansteckenderen Mutationen. Deshalb müssten die Beschränkungen aufrechterhalten und in einigen Fällen womöglich verschärft werden.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erläuterte, ihre Behörde wolle eine Erweiterung der bereits bestehenden CoV-„Ampelkarte“ vorschlagen. Für Regionen, in denen sich das Coronavirus sehr stark verbreitet, solle eine neue „dunkelrote“ Kategorie eingeführt werden. Auf der bestehenden Karte werden Regionen auf Grundlage gemeinsamer Kriterien je nach Infektionsgeschehen schon jetzt entweder grün, orange oder rot markiert.

Reise aus dunkelroten Zonen nur mit Test bzw. Quarantäne

Von Personen, die künftig aus den dunkelroten Zonen verreisen wollen, könne vor der Abreise ein Test verlangt werden sowie Quarantäne nach der Ankunft, sagte von der Leyen. Von nicht notwendigen Reisen solle dringend abgeraten werden. Ein Verbot nicht notwendiger Reisen – wie etwa in Belgien diskutiert – ist nicht vorgesehen. Allerdings kann ohnehin jedes Land für sich selbst entscheiden. Frankreich etwa verlangt ab Sonntag CoV-Tests von Einreisenden aus anderen EU-Ländern.

EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
AP/Olivier Hoslet
Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratschef Charles Michel bei der Abschlusspressekonferenz

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel für eine engere Kooperation mit den EU-Staaten geworben, aber auch Kontrollen an den deutschen Grenzen nicht völlig ausgeschlossen. „Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann hat man natürlich ein Problem“, sagte sie in Berlin.

Kurz: „Einschleppen von Mutationen verhindern“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützte strikte Regeln, um die Verbreitung neuer Mutationen zu verhindern. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er: „Wir unterstützen auch deutsche Vorschläge für striktere Einreisekontrollen und Testpflichten, um Virusmutationen fernzuhalten.“ Das betreffe vor allem die britische Mutation, aber auch jene aus Südafrika, die sich in Europa verteilt hätten und wesentlich ansteckender seien.

„Es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass wir weitere Mutationen wie zum Beispiel aus Brasilien nach Europa einschleppen“, so Kurz. Österreich stehe im Vergleich zu anderen EU-Staaten im Kampf gegen CoV sehr gut da.

Videokonfernz von EU-Regierungschefs mit EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
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Michel im Ratsgebäude in Brüssel. Die EU-Mitgliedsstaaten äußerten sich besorgt über die neuen Virusvarianten.

Eigentlich herrscht im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, Bewegungsfreiheit ohne stationäre Grenzkontrollen. Doch etliche Länder hatten zu Beginn der Pandemie teils unkoordiniert Grenzen geschlossen bzw. Kontrollen veranlasst. Die EU-Kommission will eine Wiederholung unbedingt vermeiden. Einige Länder kontrollieren aber bereits wieder an ihren Grenzen, darunter auch Österreich.

Zu den in der EU erst langsam angelaufenen Impfungen sagte Michel, die Staats- und Regierungschefs wollten eine Beschleunigung. Es solle aber bei dem Prinzip bleiben, dass die Impfstoffe in der EU gleichzeitig und nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Auf dem Videogipfel habe es viele Fragen zur Transparenz und zu Lieferplänen für die verschiedenen Impfstoffe gegeben, berichtete ein EU-Vertreter.

Rasche AstraZeneca-Zulassung erwartet

Bundeskanzler Kurz erwartete eine Zulassung für AstraZeneca spätestens nächste Woche. „Das bedeutet bis zu zwei Millionen Dosen im ersten Quartal“ für Österreich, gab Kurz gegenüber der APA an. Bei vollständiger Lieferung könnten noch im ersten Quartal alle über 65-Jährigen geimpft werden. Er schrieb auf Twitter, auf dem Videogipfel seien sich alle einig gewesen, dass Impfstoffe so schnell wie möglich ausgeliefert werden müssten.

Die EU-Kommission erwartet ebenfalls bald neue Impfstoffe und größere Mengen und drängt die 27 Staaten zu ehrgeizigen Zielen. Bis zum Sommer sollen 70 Prozent der Erwachsenen in der EU gegen das Virus immunisiert sein, bis März bereits 80 Prozent der Menschen über 80 Jahren und des Pflege- und Gesundheitspersonals.

EU arbeitet an Impfzertifikat

Die 27 EU-Staaten wollen an einem gemeinsamen CoV-Impfpass arbeiten. Die Diskussion über mögliche Vorteile für Geimpfte soll erst später geführt werden. Vor dem EU-Videogipfel hatten besonders Urlaubsländer wie Malta, Griechenland und Spanien für einen einheitlichen Impfpass und damit verbundene Vorteile wie freies Reisen für Geimpfte geworben. Merkel lehnte diese Diskussion als verfrüht ab.

Die Dokumentierung des Impfens sei eine medizinische Notwendigkeit, und mit dem gelben Impfzertifikat der Weltgesundheitsorganisation gebe es einen weltweiten Standard. Die zweite Frage sei, wofür man das Zertifikat nutzen könne. Das müsse vorsichtig abgewogen werden, da manches noch unklar sei, sagte von der Leyen.