Mädchen im Kindergarten
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Tag der Elementarbildung

Groll des Kindergartenpersonals wächst

Volle Gruppen trotz Lockdowns, das Fehlen von bundesweit einheitlichen Impfplänen und Teststrategien, Engpässe bei Schutzmaterial: Die Verzweiflung des Personals von Kindergärten und Horten wächst. Anlässlich des bevorstehenden Tages der Elementarbildung versucht sich der systemrelevante Bereich Gehör zu verschaffen.

„Angefressen durch die Nichtbeachtung durch die Politik“ zeigt sich das Personal in elementaren Bildungseinrichtungen. „Es wird nur verlangt, verlangt, verlangt“, klagte die Koordinatorin des am Sonntag stattfindenden Tags der Elementarbildung, Raphaela Keller. Die Wut des Personals von Kindergärten und Horten schlug sich am Freitag bei einer Kundgebung vor dem Bildungsministerium nieder – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Seit Beginn der Krise halten meine Kolleginnen das System am Laufen. Und das praktisch ungeschützt. Und was ist der Dank? Die Bundesregierung hat weder ein einheitliches Sicherheitskonzept erarbeitet noch für frühzeitige Impfungen in systemrelevanten Berufen gesorgt“, sagte Judith Hintermeier, selbst Pädagogin und Bundesfrauenreferentin in der Gewerkschaft younion.

Demonstration von Kindergarten-Personal
APA/Herbert Pfarrhofer
Geknebelt versuchte sich Personal von Kindergärten und Horten vor dem Bildungsministerium Gehör zu verschaffen

Große Unterschiede in den Ländern

Sowohl Impfpläne als auch Teststrategien seien je nach Bundesland unterschiedlich, monierte younion-Vorsitzender Christian Meidlinger. „Das, was die Bundesregierung nicht schafft, müssen in weiterer Folge die Länder und vor allem die Gemeinden übernehmen.“ Sowohl das Kindergartenwesen generell als auch die Koordinierung der Impfungen sind im Moment Ländersache. Doch da gebe es eben keine „Gerechtigkeit“, sagte Meidlinger. „Während es zum Beispiel in Wien wöchentliche Tests vor Ort gibt, sind Beschäftigte in anderen Ländern mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. So darf man mit dem Personal nicht umgehen.“

Zwei zentrale Forderungen erhebt younion: Beschäftigte in den ersten Bildungseinrichtungen dürften nicht zum Personal zweiter Klasse degradiert und müssten gleichzeitig mit Lehrerinnen und Lehrern geimpft werden – bundesweit einheitlich. Und die Impfungen müssten so rasch wie möglich erfolgen, weitere Verzögerungen seien nicht akzeptabel.

Seitens des Bildungsministeriums wurde betont, dass das Kindergartenpersonal in der gleichen Prioritätenliste bei den Impfungen wie die anderen Pädagogen und Pädagoginnen stehe. Bei der Beschaffung der Tests unterstütze man außerdem die Länder auf Wunsch – manche hätten die Tests aber auch selbst besorgt.

Hotspots in Kindergärten

Der Groll der Elementarpädagoginnen schwelt schon seit Monaten, sagte Gewerkschafterin Hintermeier. Die Arbeit in den Kindergärten und Horten sei eine der wenigen, die seit Beginn der Krise praktisch ohne Schutz stattfinden würde. „Kindergärten sind auch immer wieder Coronavirus-Hotspots. Es ist ein Mythos, dass Kinder die Krankheit nicht übertragen können“, so Hintermeier. „Die Bundesregierung ignoriert die Gefahr praktisch, dementsprechend im Stich gelassen fühlen sich auch die Beschäftigten.“

Umso mehr, als die Gruppen auch während des derzeitigen Lockdowns immer voller werden. „An einigen Standorten gibt es praktisch keinen Unterschied mehr zu normalen Zeiten. Wenn Bildungsminister (Heinz, Anm.) Faßmann auch nur einen einzigen Tag in einem Kindergarten verbringen würde, wären die Impfungen sicher schon morgen da.“

Kindergartenpersonal fordert bessere CoV-Prävention

Das Kindergartenpersonal fordert in einer Protestaktion vor dem Bildungsministerium mehr CoV-Testungen und eine Gleichstellung bei den CoV-Impfungen mit Lehrpersonal.

Von Lockdown wenig zu bemerken

„Ganz viele Einrichtungen sagen uns, dass die Häuser voll sind“, bestätigte Mitte der Woche die Sprecherin des Netzwerks elementare Bildung Österreich (NeBÖ), Natascha Taslimi. In den meisten Bundesländern besuchen derzeit fast zwei Drittel der Kinder Krippe oder Kindergarten. Ausreißer sind Tirol mit 40 und Oberösterreich mit 75 Prozent.

„Wenn die Gruppen voll sind und das Personal da ist wie angegeben, wird das zu machen sein. Aber wenn Pädagoginnen oder Assistentinnen krank sind, wird es sicher schwierig“, sagte Taslimi. Immerhin seien die Kindergärten sehr bemüht, in den Kernzeiten – wie in den Präventionsmaßnahmen empfohlen – die Gruppen nicht zu durchmischen. In den Sammelgruppen in der Früh und am Nachmittag sei das schlicht nicht machbar.

Eine Rückkehr zur Regelung wie im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, als nur Kinder mit Eltern in systemrelevanten Berufen in Betreuung durften, wünscht sich Taslimi aber nicht. Damals mussten die Eltern einen Nachweis bringen, wieso ihr Kind Betreuung benötigt. Für die Leitungen sei die Überprüfung aber sehr schwer administrierbar gewesen, sagte Taslimi. Zudem sei die Vorgabe recht schnell gelockert und damit ad absurdum geführt worden. Dazu komme, dass für sie auch die Argumente der Eltern – das Recht des Kindes auf Bildung und auf Sozialkontakte – durchaus nachvollziehbar seien.

Dringender Ruf nach neuen Tests

Sie fordert stattdessen, dass die Kindergärten, Sonderkindergärten und Horte, aber auch Kindergruppen und Tageseltern, nun rasch mit der neuesten Generation an Antigen-Schnelltests („Nasenbohrertests“) ausgestattet werden, damit das Personal sich schnell und unkompliziert am Standort testen kann. Dabei müssten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tests erhalten, auch das Assistenzpersonal, betonte Taslimi.

Institution seit 2018

Der Tag der Elementarbildung am 24. Jänner wird mit zahlreichen Aktionen begangen. Die Stadt Wien lancierte dazu ein Video in den Sozialen Netzwerken.

Außerdem gebe es Engpässe bei Schutzmaterial wie Handschuhen, Desinfektionsmittel und auch Masken, die die Pädagoginnen vor allem beim Kontakt mit den Eltern beim Bringen und Abholen benötigen würden. „Dort, wo sie mit anderen Erwachsenen in Kontakt treten, wäre es wahnsinnig hilfreich, wenn ausreichend FFP2-Schutzmasken an den Standorten vorhanden wären, damit sich das Personal einfach geschützt fühlt.“ Im Kontakt mit den Kindern würden die meisten im Wissen darum, wie irritierend die Maske für die Kinder wäre und welche Rolle die Mimik in der Kommunikation spielt, ohnehin darauf verzichten.

Doch auch abseits von der Krisenzeit passe es nicht, sagte Hintermeier von younion: „Wenn so viele Kinder in einer Gruppe sind, ist es nicht möglich, jedem Kind zu entsprechen.“ Nach wie vor sei oft nur eine Pädagogin in der Gruppe, eine Aufteilung in kleinere Einheiten, die etwa für den Spracherwerb wichtig wäre, scheitere häufig.

„Forderungen von vorgestern“

Die Interessenvertretung der Elementarpädagogik verlangt daher schon seit Jahren Investitionen in diesen Bereich, weniger Kinder pro pädagogischer Kraft, mehr Platz für die Kinder sowie Dienstzeiten für Team- und Elternarbeit, Weiterbildung und Supervision. „Unsere Forderungen sind eher von vorgestern als von gestern“, so Keller. Sie würden aber immer wieder ignoriert oder an die Länder weiterverwiesen.