Start eines Passagierflugzeugs vor Sonnenuntergang
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Zur Impfung in die Sonne

Unmut über „Snowbirds“ in Kanada und USA

Wochenlanger Lockdown, nur langsam sinkende Zahlen: Auch Kanada befindet sich in der zweiten CoV-Welle. Aktuell verzögerte Impfstofflieferungen machen die Regierung in Ottawa nervös und die Bevölkerung ungeduldig. Tausende ältere Kanadier verbringen als „Snowbirds“ den Winter trotz Pandemie in Florida. Weil ausgerechnet dort die Impfung niederschwelliger möglich ist, etabliert sich Impftourismus – zum Unmut beider Länder. Kanada verschärft daher nun seine Reisebeschränkungen.

Vor wenigen Wochen machte Kanada noch als Impfstoffbestellweltmeister Schlagzeilen: Mit den gesicherten Dosen von sieben verschiedenen Herstellern könnte jede Kanadierin und jeder Kanadier dreimal geimpft werden. Zugelassen sind aber einstweilen, wie in der EU, nur die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Wie Europa sieht sich nun auch Kanada mit den Lieferverzögerungen bei Biontech/Pfizer konfrontiert. Bei der Verteilung der bereits eingetroffenen Impfstoffe hakt es ebenfalls, so beschweren sich gerade entlegenere Provinzen, dass zugesagte Mengen nicht eintreffen.

Ein Blick über die Grenze in die USA steigert die kanadische Unzufriedenheit: Obwohl die gerade erst verabschiedete Trump-Regierung in Verdacht stand, so gut wie kein CoV-Management zu betreiben, sind dort bereits über sechs Prozent der Bevölkerung geimpft, während Kanada bei knapp zwei Prozent liegt.

Die Verteilungsdebatte in Kanada gleicht hingegen jener in Österreich: Während ältere Menschen in Heimen mit Priorität eins auf baldige Impfung hoffen dürfen, warten viele daheim lebende Seniorinnen und Senioren bisher auf ein Datum oder zumindest einen Zeitraum, in dem sie die Immunisierung erhalten.

Pensionistin bei Impfung in Florida, USA
Reuters/Octavio Jones
Impfung per Drive-in: In Florida sind Menschen über 65 aktuell an der Reihe

Warmes Wetter, schnelle Impfung

Für umso mehr Aufregung sorgte die Ankündigung des US-Bundesstaats Florida, dass sich dort alle über 65-Jährigen bereits impfen lassen können – auch jene, die sich dort nur saisonal, etwa im Zweitwohnsitz aufhalten. Jene Kanadierinnen und Kanadier, die auch heuer – entgegen Regierungsempfehlung – als „Snowbirds“ in die Sonne geflogen sind, profitieren nun davon. Während sich US-Medien über den „Impftourismus“ zunehmend empören, wird in „Snowbird“-Foren rege über aktuelle Impftermine in den verschiedenen Bezirken Floridas debattiert.

Wie der kanadische Sender CTV berichtete, machen private Fluglinien mit den Impftouristen ein gutes Geschäft. „Es gibt eine große Nachfrage“, erklärte etwa Janelle Brind, Vizechefin der Fluglinie Momentum Jets, gegenüber CTV News. „Es gibt einen konstanten Strom an Anfragen“. Nicht alle würden den Grund ihrer Reise offenlegen, aber gut 20 Prozent der Kundinnen und Kunden hätten als Grund der Reise die Impfung in den USA genannt, so Brind.

Viel Land, wenige Menschen

Mit einer Bevölkerungsdichte von 3,79 Einwohnern pro Quadratkilometer liegt Kanada knapp vor Island (3,41) und Australien (3,29) und – obwohl die beiden Nachbarländer flächenmäßig annähernd gleich groß sind – fast um ein Zehnfaches hinter den USA (33,4).

Florida und Kanada verschärfen Regeln

Mit Impftouristen haben weder die USA noch Kanada Freude. Als Reaktion auf empörte Medienberichte schärfte Florida Ende letzter Woche noch einmal bei den Bedingungen zur Impfung nach: Nur wer in Florida Immobilien besitzt und nachweisen kann, regelmäßig zumindest saisonal dort zu leben, ist impfberechtigt.

Kanada verschärfte seinerseits am Freitag die Reisebeschränkungen. Ab Sonntag bis mindestens 30. April seien Flüge zu Zielen in der Karibik und Mexiko gestrichen, sagte Premierminister Justin Trudeau am Freitag bei einer Pressekonferenz. Alle internationalen Flüge könnten ab der kommenden Woche nur noch in den Metropolen Toronto, Vancouver, Montreal und Calgary landen, gab Trudeau weiter bekannt. Nach der Landung müssten sich Reisende auf das Virus testen lassen und währenddessen bis zu drei Tage auf eigene Kosten in einem Hotel aufhalten.

Der kanadische Premier Justin Trudeau
Reuters/Blair Gable
Justin Trudeau warnt Reisende: Neue Restriktionen könnten quasi über Nacht kommen

Für Ausländerinnen und Ausländer gilt ohnehin ein generelles Einreiseverbot, aber auch Menschen mit Aufenthaltstitel dürfen nur mit strengen Sicherheitsvorkehrungen einreisen. Dazu zählt der Vorweis eines negativen PCR-Tests und eine verpflichtende zweiwöchige Quarantäne. Neu im Spiel ist die von der Regierung derzeit debattierte verpflichtende 14-tägige Hotelquarantäne auf eigene Kosten.

Trudeau rief seine Landsleute auch auf, die Strategien einzelner Länder im Kampf gegen das Coronavirus nicht miteinander zu vergleichen. Zugleich versicherte er, Kanada bemühe sich in Gesprächen mit den Herstellern, so viele Impfdosen wie möglich und so schnell wie möglich zu bekommen.

Leere Schnellstraßen in Montreal, Kanada
AP/The Canadian Press/Graham Hughes
Die nächtliche Ausgangssperre in Quebec gilt noch bis 8. Februar – Verlängerung nicht ausgeschlossen

Der Impfplan in Kanada basiert im groben auf Empfehlungen der nationalen Impfkommission (National Advisory Committee on Immunization – NACI), die Details obliegen jedoch den Provinzen und sind dementsprechend unterschiedlich. Die breite Masse der Bevölkerung darf aber im Großteil Kanadas nicht vor dem Sommer mit einer Impfung rechnen.

Höhepunkt der zweiten Welle scheint überwunden

Die Zahl der Neuinfizierten in Kanada geht langsam zurück, und der Peak der zweiten Welle scheint überwunden. Auch die 7-Tage-Inzidenz sinkt weiter, liegt aber noch immer bei über 110, trotz strenger Lockdowns und Kontaktbeschränkungen. Die zuerst in Großbritannien entdeckte Mutation B.1.1.7 sorgt auch in Kanada für Beunruhigung.